Süddeutsche Zeitung

Ferienzeit:Wohnzimmer des Sommers

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Nie war ein Vorgarten so wertvoll wie jetzt. Über einen magischen Ort - bereichert mit Bildern, die vermeintlich identisch sind. Wer findet die elf Unterschiede?

Von Marc Baumann

Über die Frage, was unbedingt in einen richtigen Vorgarten gehört, werden sich Kinder und Erwachsene selten einig. Kinder finden: Trampolin, Schaukel, Haustier, Sandkasten, noch ein Haustier, zwei richtige Fußballtore, Baumhaus mit Strickleiter, Flying Fox vom ersten Stock, Planschbecken oder gleich ein richtiger Pool (der große Renner in Baumärkten derzeit). Eltern dagegen möchten: ein Hochbeet, große Blumentöpfe, einen Kugelgrill und Liegestühle mit Sonnenschirm. Lauter Dinge, die man nicht abschießen oder umrempeln darf. Die Natur lieben beide: Eltern betrachten sie, Kinder benutzen sie.

Sein eigenes Stückchen Natur zu haben ist ein großes Glück - mehr als 17 Millionen Gärten soll es allein in Deutschland geben. Und wer keinen Vorgarten hat, weil er etwa im siebten Stock oder im Stadtzentrum wohnt, der kann vielleicht auf eine Dachterrasse, in einen Gemeinschaftsgarten oder Innenhof. Ein Stückchen Wiese findet sich oft, und sei es der Grünstreifen neben den Garagen, jeder Rasenfleck rund um die eigene Haustür zählt. Nah genug, um schwitzend in zehn Sekunden am Kühlschrank zu sein, an der Küchenspüle, um die Wasserpistole rasch nachzufüllen oder den Pulli (wer braucht bitteschön so was?) durch die Terrassentür zu werfen. Der Vorgarten ist das Wohnzimmer des Sommers. Ein Wohnzimmer, in dem der Teppich grün und lebendig ist und fiese Grasflecken hinterlässt, in dem es brummt und summt, in dem andere Regeln gelten - vor allem weniger. Weil der Fußball nur in Nachbars Hecke landet und nicht im Fernseher einschlägt. Weil das umgestoßene Wasserglas und rausgepulte Wassermelonenkerne einfach egal sind. Weil man beim orientierungslosen Radschlagen sehr viel besser auf weichem Rasen landet als auf hartem Parkettboden. Kinder müssen nun mal wild sein und das geht gerade in Zeiten von Corona und gestrichenen Urlaubsreisen am besten im Vorgarten.

Im Spiel verwandelt sich der Vorgarten, mal ins ausverkaufte Olympiastadion, dann in einen dichten Dschungel oder in ein grünes, stürmisches Meer, auf dem man mit der Picknickdecke treibt. Jetzt, mitten in den Sommerferien, kann nicht mal der Sonnenuntergang den Spaß beenden. Dann machen Glühwürmchen und Lichterketten den Vorgarten so richtig magisch. Mit Übernachten! Und bei Gewitter oder unheimlichen Geräuschen ist man - zack - raus aus dem Zelt und wieder im eigenen Bett, knapp hinter dem Vorgarten.

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Quelle:
SZ vom 14.08.2020
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