Die Welt der Ebay-Kleinanzeigen ist eine wundersame, und wer dachte, dort würden vor allem ausrangierte japanische Teeservice, süße Katzenbabys und scheckheftgepflegte Cabrios "auf Verhandlungsbasis" inseriert, hat die Ausmaße dieses Online-Flohmarktes nicht annähernd erfasst. Blick ins Sammelsurium der Inserate der vergangenen Woche: Ein Tätowierer "mit Diplom" bietet seinen Dienst "bei Euch zu Hause" an, eine Sopranistin sucht einen "Mäzen" für ihr "internationales Gesangstudio". Und ein Berliner Vater verspricht 5000 Euro für die Vermittlung eines Kitaplatzes für seine zweijährige Tochter, bevorzugt in den Stadtteilen "F-Hain, Treptow, Lichtenberg".
Diese 5000 Euro sind allerdings nur in der Höhe eine Ausnahme. Im Raum Berlin scheint der Mangel an Kitaplätzen solche Ausmaße angenommen zu haben, dass sich eine erstaunliche Schattenwirtschaft entwickelt hat jenseits von durchaus vorkommenden Bestechungsversuchen verzweifelter Eltern, die Kuchen oder Bastelmaterialien in Betreuungseinrichtungen vorbeibringen. Weiter in der Leiste runtergescrollt: "Hallo, wir suchen für ein Mädchen (geb. November 2017) einen Kitaplatz. Bei Vertragsabschluss sind wir bereit 1000 Euro zu zahlen/spenden." Oder: "Wir wohnen in Spandau. Bei erfolgreicher Vermittlung zahlen wir 1500 Euro als Belohnung."
Kinderbetreuung:"Es ist ein Traumberuf, ich würde ihn jeder Zeit wieder wählen"
Ellen Linke und Edith Homer arbeiten seit 50 Jahren als Erzieherinnen - auch nach der Rente ist noch nicht Schluss.
Katharina Mahrt, Gründerin von Kitakriseberlin.org, der Plattform zum Missstand, erzählt von ortsansässigen Agenturen, die mittlerweile ihre Kitaplatz-Maklerdienste anbieten. Sie selbst, obwohl schon in der Schwangerschaft angemeldet, suchte zwei Jahre nach einem Platz für ihren Sohn und kennt diese Ebay-Kleinanzeigen, die sie schon "schockieren, klar". Auf der anderen Seite: "Es ist eine Heidenarbeit, ständig vorbeizulaufen, nachzuhaken, das kostet Zeit. Dann ist es eine Investition, andere das machen zu lassen."
Deutschlandweit fehlen 270 000 Kita-Plätze
Unter dem Hashtag #kitakrise posten Mütter und Väter Warteschlangen-Bilder an Anmeldetagen vor Einrichtungen in Berlin: "Mehr als eine Stunde rum: Immerhin ist schon der Eingang in Sicht!"
Eigentlich gibt es ja seit 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für Kinder ab einem Jahr - trotzdem fehlen deutschlandweit 270 000 Plätze, in Berlin geschätzt 10 000. Die verschärfte Lage dort erklärt sich so: Anhaltender Geburtenboom trifft auf besonders eklatanten Fachkräftemangel trifft auf fehlende Umsetzung lange geplanter Einrichtungen. Bei der Ausschreibung der Stadt für den Bau von 27 neuen Kitas fand sich bislang kein einziges Unternehmen.
Der 5000-Euro-Vater selbst findet, er biete "wenig Geld" für das, was er möchte. Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen, aber sich am Telefon erklären schon. Für ihre Tochter haben sie ja irgendwann einen Platz gefunden, aber der sei einfache Wegstrecke 50 Minuten weg, weswegen er und seine Frau täglich allein 3,5 Stunden mit Bringen und Abholen beschäftigt seien. Sie seien am "Limit", die Anzeige ein "Hilfeschrei" mit bislang allerdings nur wenig Resonanz. Wenn sich nicht bald etwas tue, würden sie in die Nähe der Kita ziehen. "Und das ist teurer als 5000 Euro." Ein wenig bleiben sie noch in ihrer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. In dessen Erdgeschoss ist eine Kindertagesstätte.