Fashionweek Berlin:"Die Säule galt als ideale Form der Ästhetik"

Die Modebranche hat sich dazu verpflichtet, Magermodels vom Laufsteg zu verbannen. Die Designer tun so, als ob sie das nichts angeht. Von Sarina Märschel und Violetta Simon

10 Bilder

-

Quelle: SZ

1 / 10

Vor einer Woche haben sich vier große Verbände der Mode- und Textilbranche gegenüber Gesundheitsministerin Ulla Schmidt dazu verpflichtet, Magermodels vom Laufsteg zu verbannen. Nun, eine Woche später, fühlt sich bei der Fasionweek in Berlin offenbar keiner dafür verantwortlich, die Versprechen auch umzusetzen. Von Sarina Märschel und Violetta Simon

Im Bild: Fashionweek in Berlin - eine Modenschau Kleider des Labels Sisi Wasabi aus Berlin. Foto: ddp

-

Quelle: SZ

2 / 10

Der Ausschluss von Magermodels sollte dem "Kampf gegen gesundheitsschädlichen Schlankheitswahn" dienen. Die Unterzeichner der "nationalen Charta der deutschen Textil- und Modebranche" versprachen, nur noch Models mit einem Body-Mass-Index von mindestens 18,5 auf den Laufsteg zu lassen; die Frauen sollten außerdem mindestens Kleidergröße 36 tragen und nicht jünger als 16 Jahre alt sein. So viel zu den guten Vorsätzen.

Ein Model präsentiert bei der Fashion Week in Berlin die Kollektion für Frühjahr/Sommer 2009 der Berliner Designerin Sisi Wasabi. Foto: ap

-

Quelle: SZ

3 / 10

Die Frankfurter Allgemeine berichtete, dass zahlreiche Modemarken auf der Berlin Fashionweek die Vereinbarungen ignorieren. "Wir wissen davon nichts, wir suchen die Mädchen aus wie immer", soll ein Casting-Verantwortlicher der Modewoche zum Reporter der FAZ gesagt haben. Und in der Tat: Eine kontrollierende Instanz gibt es nicht. IMG, Veranstalter der Modewochen in Berlin und New York und eine der größten und bekanntesten Modelagenturen der Welt, hat nach eigenen Angaben erst "in diesen Tagen" von der Charta "Leben hat Gewicht - gemeinsam gegen Schlankheitswahn" erfahren. Dem Stern sagte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums, dass IMG tatsächlich nicht darum gebeten wurde, sich an der Selbstverpflichtung zu beteiligen. Und offenbar hielt es bei IMG auch niemand für nötig, die öffentliche Debatte in Deutschland näher zu verfolgen.

Im Bild: Modenschau von Lac et Mel, Kollektion Frühjahr/Sommer 2009. Foto:ap

-

Quelle: SZ

4 / 10

IMG sieht sich jedoch ohnehin nicht in der Verantwortung: "Als Veranstalter der Mercedes-Benz Fashionweek Berlin stellen wir lediglich das Veranstaltungsgebäude für Designer zur Verfügung", äußerte sich Zach Eichman, Kommunikationsdirektor bei IMG-Fashion. Die Designer, die in Berlin ihre Kollektionen präsentieren, würden die Castings selbst durchführen und die Models alleine auswählen. Der IMG-Sprecher fügt aber noch an: "Wir halten Diskussionen zu Gesundheitsfragen von Frauen für wichtig und unterstützen den Dialog. Innerhalb der Modeindustrie werden wir dieses Thema weiterhin vorantreiben."

Mode des deutschen Labels "Susanne Wiebe". Foto: dpa

-

Quelle: SZ

5 / 10

Wie dieses Thema weiter vorangetrieben werden soll, ist unklar. Die Verbände, die die Selbstverpflichtung unterschrieben haben, können ihre Mitglieder ganz offensichtlich nicht dazu zwingen, sich an die von ihnen vereinbarten Regeln zu halten. Und man darf daran zweifeln, dass die Mitgliedsunternehmen von selbst großes Interesse an der Umsetzung der Selbstverpflichtung zeigen.

Im Bild: Ein Modell während der Schau des Labels "Sisi Wasabi". Foto: dpa

-

Quelle: SZ

6 / 10

Die Designer selbst beantworten Fragen nach ihren Models jedenfalls nur ungern. Oder gar nicht: Strenesse beispielsweise war zu einer Stellungnahme nicht bereit. Einige andere Designer vertrösteten lieber auf unbestimmte Zeit: "Wir geben die Anfrage von sueddeutsche.de weiter, wir rufen zurück." Pustekuchen.

Im Bild: Eva Padberg bei der Mercedes Benz Fashionweek in Berlin. Foto: Getty Images

-

Quelle: SZ

7 / 10

Andere können die ganze Aufregung um dürre Vorbilder nicht verstehen, beispielsweise Philipp Wolff, Marketingdirektor von Hugo Boss: "Wir sind daran interessiert, mit gesunden Models zu arbeiten. Aber wir brauchen Profis, die laufen können, und die bekannten Models sind nun mal dünn". Boss produziere ein junges Ideal-Image, die Models seien 20, 21 Jahre alt. "Konfektionsgrößen zwischen 40 und 44 wären ein Statement in eine andere Richtung", sagt Wolff. In welche, konnte der Boss-Sprecher jedoch nicht erklären. Nur so viel: Design wolle eine Realität, ein Gefühl vermitteln, das jung und schlank sein soll. Nicht dick oder korpulent.

Im Bild: Aus der Kollektion Jeans Women 'Supersonic Geisha' Frühjahr/Sommer 2009 des Lables Joop! Jeans von Dirk Schoeneberger. Foto: dpa

-

Quelle: SZ

8 / 10

Dass die meisten zahlenden Kunden niemals in die Modelle auf den Modeschauen hineinpassen würden, hat damit nichts zu tun. "Die Kleider sehen einfach viel besser aus, wenn die Models schlank sind", sagt Wolff. "Zu viel Form ist nicht so schön, nicht so edel. Das haben wir nicht erfunden, das war schon in der Antike so: Die Säule galt als ideale Form der Ästhetik". Den Grund für die Schlankheit vermutet Wolff zum einen in der Gesellschaft: Die zunehmende Verschmelzung weiblicher und männlicher Rollenbilder bringe das Androgyne zum Vorschein. Zum anderen sei die kurze Phase der Supermodels vorbei: "Im Vordergrund steht nicht mehr die Person, sondern das Kleid". Einen direkten Zusammenhang zwischen den Figuren der Models und der Krankheit Magersucht sieht Wolff nicht.

Im Bild: Präsentation aus der Kollektion Jeans Women 'Supersonic Geisha' Frühjahr/Sommer 2009 des Lables Joop! Jeans von Dirk Schoeneberger. Foto: ddp

-

Quelle: SZ

9 / 10

"Kann sein, dass da ab und zu übertrieben wird", sagt Wolff. "Es gibt eine Dünnheit, die ist schön und eine, die nicht schön ist. Man muss hier den richtigen Weg finden". Magersucht habe es schon immer gegeben und wird es immer geben. Schon möglich, dass die Modebranche ihren Teil dazu beitrage, aber sie ist es auf keinen Fall allein. Die Mode habe nicht so viele Möglichkeiten, das zu ändern, sie unterliege Trends. "Wenn die Politik auf unser Unternehmen zukommt, sind wir bereit zum Dialog. Wir setzen uns gerne mit Ulla Schmidt an einen Tisch und mache mit ihr einen Plan", versichert Wolff.

Im Bild: Ein Teil der neuen Kollektion Jeans Women "Supersonic Geisha" des Lables Joop! Jeans von Dirk Schoeneberger. Foto: ddp

-

Quelle: SZ

10 / 10

Konrad Dobschütz vom Leipziger Modelabel Lac et Mel sagt, bei ihren Schauen würden prinzipiell keine magersüchtigen Models laufen. "Das kann ich garantieren. Das hat etwas mit Anstand zu tun. Und mit gesundem Menschenverstand." Dobschütz hält nichts von der Selbstverpflichtung: "Das ist nur Show. Da hält sich niemand dran." Bei den Schauen anderer Designer in Berlin sehe man nach wie vor 1,80 Meter große Frauen mit einem Gewicht von 50 Kilogramm - und das werde sich bis zum nächsten Jahr wohl auch nicht ändern. Das Bundesgesundheitsministerium hat inzwischen an die Designer appelliert, bei der Berliner Fashionweek keine zu dünnen Models einzusetzen. "Wir rufen alle in der Mode- und Textilbranche dazu auf, sich an der Charta zu beteiligen", sagte ein Ministeriums-Sprecher. Dass sein Aufruf Früchte trägt, ist unwahrscheinlich.

Im Bild: Die Show des Leipziger Labels "Lac et Mel" in Berlin. Foto: ddp

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: