Fashion Week Berlin:Wo bleibt die Mode?

Am Mittwoch geht es wieder los: Die Berliner Fashion Week inszeniert sich mit Pomp und Größenwahn - die Designer spielen dabei kaum eine Rolle

Peter Bäldle

Berlin erzittert. Mal wieder. Am nächsten Mittwoch startet in der Hauptstadt zum sechsten Mal die Fashion Week, während der eine Handvoll deutscher Konfektionsfirmen und zwei Dutzend vorwiegend Berliner Designer ihre Ideen von Mode für den kommenden Herbst und Winter präsentieren. Die Begeisterung beim Publikum und in der Lokalpresse wird wieder groß sein - auch wenn die Designer außerhalb der Modeszene kaum einer kennt.

Fashion Week Berlin: Popanz und der ein oder andere Promi: Bei der Berliner Fashion Week schauen manche ein wenig zu sehr darauf, wer da so in der ersten Reihe sitzt. Im Januar 2009 waren das bei der Schau von LaLa Berlin Boris Becker und Lilly Kerssenberg.

Popanz und der ein oder andere Promi: Bei der Berliner Fashion Week schauen manche ein wenig zu sehr darauf, wer da so in der ersten Reihe sitzt. Im Januar 2009 waren das bei der Schau von LaLa Berlin Boris Becker und Lilly Kerssenberg.

(Foto: Foto: ddp)

Und auch diesmal werden die Haupstadtmedien wieder akribisch auflisten, bei wem Schauspielerinnen wie Bettina Zimmermann oder Anna Loos in der ersten Reihe saßen und was Moderatorin Barbara Schöneberger gefiel. Auch die überregionalen Medien werden sich euphorisch gebärden, sicher wird - wie in den Jahren zuvor - wieder jemand fordern: "Schaut auf diese Stadt."

Die Vorstellung, dass Berlin tatsächlich, der Mode wegen, in einem Atemzug mit Paris und Mailand, London oder New York, genannt werden könnte, hat etwas Bestechendes. Da ist schnell vergessen, dass allein in Paris dreimal so viele Designer an dreimal so vielen Tagen ihre Entwürfe zeigen, darunter die großen Namen der Couture und des Prêt-à-Porter.

Da ist vergessen, dass Mode in den vier Metropolen im Gegensatz zu Deutschland nicht nur Fetisch und Business, sondern ein Teil von Kultur ist. Und vergessen könnte man sogar, dass es zwischen Rio de Janeiro und Peking, Djakarta und Kopenhagen mittlerweile 152 Fashion Weeks gibt!

Die "rohe Energie" Berlins

All dies weiß Suzy Menkes, und trotzdem ist sie im vergangenen Juli gekommen. Die Kritikerin der International Herald Tribune war neugierig geworden, nachdem der mit ihr befreundete englische Modebuchautor Colin McDowell die Defilees 2008 besucht hatte. Sie, die gewohnt ist, in den Metropolen über jede gezeigte Kollektion zu schreiben, attestierte Berlin eine "rohe Energie". Sie war überall zugegen und wunderte sich, warum die Chefredakteurinnen der deutschen Modemagazine bei den Defilees, trotz Reservierungen in der ersten Reihe, so oft durch Abwesenheit glänzten. Waren ihnen Berlins junge Designer im Kampf um Anzeigen in Krisenzeiten nicht wichtig genug?

Dass man Designer wie zarte Pflänzchen pflegen, sie beobachten und fördern muss, um sie mit sanfter Kritik auch zu fordern, das ist der gebürtigen Londonerin mehr als bewusst. Denn dort werden selbst die Schulabgänger von St.Martin's, der Kaderschmiede für den Designernachwuchs, genau beobachtet. Folglich ist von John Galliano und Alexander McQueen bis Gareth Pugh und Christopher Kane die Liste jener lang, die auch international erfolgreich sind. Solch eine Erfolgsbilanz können die sieben Modeschulen in Berlin nicht vorweisen, dafür sind sie für die große Designerdichte in der Hauptstadt zuständig. 300 bis 500 Modeschöpfer suchen da ihr Glück. Viel zu früh werden einige bei der Fashion Week hochgejubelt, eine eigenständige Handschrift konnten sie bis noch nicht entwickeln.

Dabei wissen alle, die in der Modebranche arbeiten, dass es einen langen Atem braucht, bis sich die ersten Lorbeeren einstellen. Umso mehr befremdet daher die Nachricht, dass sowohl Boss als auch Joop!, die beide wieder in Berlin als Designerkollektionen aufzutreten versuchen, sich nach nur drei Jahren von jenen Kreativen getrennt haben, die bisher ihr Image aufpolierten.

Auf der nächsten Seite: Warum man sich Sorgen machen muss um die Zukunft der Fashion Week - und nicht nur darauf achten sollte, welcher C-Promi bei welcher Schau war.

Die Mode geht fast unter

Hatte sich bisher Bruno Pieters aus Antwerpen, der seine eigene Kollektion in Paris zeigt, optisch erfolgreich um die Boss-Linie "Hugo" gekümmert, so hat der Kölner Dirk Schönberger "Joop" als Kollektion endlich jenen Schliff gegeben, den der von Wolfgang gekaufte Name verdient. Das Modebusiness tut sich hierzulande schwer mit dem Nachwuchs.

Umso dankbarer müsste Berlin darum den schwäbischen Autobauern sein, dass sie ihr Geld in den Modenachwuchs investieren. Seit der ersten Fashion Week. Allein, es bleibt der Eindruck, dass es dabei kaum um Mode geht. Auf den Plakaten zur Fashion Week fallen die Autos viel zu riesig aus, der Stern aus Stuttgart prangt überall. Auch im Schauenzelt geht die Mode zwischen Getränkeständen und Business-Lounges fast unter.

Ein Namen mit internationalem Renommee fehlt

Andererseits sorgt die Modewoche dafür, dass Labels wie "Mongrels in Common" oder "Lala Berlin" nicht länger für Monsterspiele gehalten werden. Dass auch immer mehr etablierte deutsche Designer wie Dorothee Schumacher, Anja Gockel und Susanne Wiebe ihre Mode dort zeigen, geht auf das Konto der Stuttgarter. Noch aber fehlt ein Name mit internationalem Renommee, wie ihn Jil Sander hatte. Auch fehlt das "Wunderkind" Wolfgang Joop. Dafür sind Kai Kühne, Kilian Kerner und die Mädchen von "Kaviar Gauche" schon Namen, auf deren Mode man sich freut.

Doch man muss sich Sorgen machen um das zartknospende Designergewächs an der Spree. "Bread & Butter is back!" verkündete 2009 Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit mit stolzgeschwellter Brust, hatte er doch selbst unter Missachtung aller politischer Spielregeln, der Welt größter Jeans- und Streetwear-Messe für Alltagsmode die Tore der Stadt geöffnet. Und mit dem Charme einer Dampfwalze ist sie auch auf dem alten Flughafengelände in Tempelhof gelandet.

Messeboss Karl-Heinz Müller, der so aussieht, wie er heißt, durfte mit Recht zufrieden breit grinsen. Mit ihm hat sogar Berlins selbsternannter Stardesigner Michael Michalsky ernsthafte Konkurrenz bekommen. Denn niemand konnte bisher sein Ego so prollig in Szene setzen wie der Ex-Adidas-Mann, von dem zwar jeder den Kopf, doch niemand die Mode kennt.

Müller übertrifft ihn spielend und sorgte schon im Vorfeld für Wirbel. Wie betoniert hängt er an frühestmöglichen Messeterminen fest, wissend, dass kein Fachjournalist oder Einkäufer zweimal hintereinander nach Berlin reisen würde. Nur zwei Wochen würden den Designern der Fashion Week schon helfen, um im engen Zeitplan des Modejahres eine ausgewogene Kollektion zu erstellen.

Es wäre schade, wenn die Chance verspielt würde

Doch Müller lenkt nicht ein. So zwingt er die Designer, ihre Kollektionen im Juli um mindestens zwei, im Januar um eine Woche früher fertigzustellen. Bei Kaviar Gauche zeigten im vergangenen Januar halbnackte Mädchen mit hüftlangen Haaren nur Taschen. Der Rest war nicht fertig geworden.

Großmannssucht spielt in Berlins Geschichte seit den Hohenzollern eine wichtige Rolle. Trotzdem wäre es schade, wenn eine Chance, die es in jeder Modegeneration nur einmal gibt, wegen 70.000 gebuchter Hotelbetten und 80.000 zufriedener Jeans-Einkäufer verspielt würde. Denn zum ersten Mal seit den Achtzigern, als in München und Düsseldorf die ersten Schauen stattfanden, von denen nur noch Wolfgang Joop, Rena Lange und Susanne Wiebe übriggeblieben sind, scheint hier aus junger Kreativität etwas Eigenständiges zu entstehen, das es unbedingt zu fördern gilt.

Es ist an der Zeit, nicht blind zu jubeln, sondern sich ernsthaft mit den kreativen Bemühungen auseinanderzusetzen, und sich nicht davon blenden zu lassen, welche drittklassige Schauspielerin wo saß. Nur dann werden Einkäufer die Fashion Week zur Kenntnis nehmen und Frauen, die sich für Mode interessieren. Davon träumen wir doch alle: dass wir endlich Mode können und nicht nur Jeans und T-Shirts. Nicht nur Brot und Butter.

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