Farbpsychologie:Alles so schön bunt hier!

Gelb macht schnell, Schwarz sexy, Blau ruhig - ein Farbpsychologe erklärt die Wirkung von Farben auf das Leben des Menschen und was Lieblingsfarben über uns aussagen.

Interview: Viktoria Weichselgartner

sueddeutsche.de: Gibt es einen Grund dafür, dass viele Mädchen und Frauen so gerne Rosa tragen?

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Farbexplosion: Unsere Umwelt wird immer bunter.

(Foto: Foto: photocase)

Klausbernd Vollmar: Das hängt damit zusammen, dass mit der Farbe Rosa eine Art zärtliche Weiblichkeit verbunden wird. Rot steht für Liebe und Sex und Rosa mildert diese Symbolik etwas ab. Im Hintergrund bleiben aber diese sexuell konnotierten Farbqualitäten vorhanden, wenn auch nicht so aggressiv.

sueddeutsche.de: Gibt es dementsprechend die Farbe für den Mann?

Vollmar: Die Farbe des modernen Mannes ist wahrscheinlich Blau. Damit drückt er Gediegenheit und Ruhe aus. Zusätzlich schwingt aber auch Macht mit, da die Farbe mit höheren Instanzen und auch oft auch mit Gott in Verbindung gebracht wird.

sueddeutsche.de: Warum tragen ältere Menschen so gerne Beige?

Vollmar: Kinder lieben reine Farben. Je älter man wird, desto mehr mag man gebrochene Farben mit Weiß. So wird aus der Lieblingsfarbe Rot im Alter Rosa, Blau wird zu Himmelblau. Ältere Menschen neigen zu einer unauffälligeren und differenzierteren Farbwahl. Die verstorbene Queen Mum hat das auf den Punkt gebracht: Auf die Frage, warum sie so gerne Rosa trage, hat sie geantwortet, dass dies der Ausdruck der Liebe im Alter sei.

sueddeutsche.de: Also bleibt der Farbgeschmack nicht ein Leben lang gleich?

Vollmar: In der Pubertät wird Schwarz zur Lieblingsfarbe vieler Jugendlicher, die damit eine Art Weltuntergangsstimmung ausdrücken wollen. Das legt sich im Erwachsenenalter wieder.

sueddeutsche.de: Haben die Deutschen eine Lieblingsfarbe?

Vollmar: Ja, Blau. Das hat zunächst einmal mit der Funktionsweise des menschlichen Auges zu tun: Bei Blau passiert physiologisch im Auge am wenigsten. Wir erfahren diese Farbe daher als die beruhigendste. Außerdem drückt Blau einen gewissen Konservatismus aus. In den meisten Vorstellungen ist Gott im blauen Himmel ist und dadurch wird Blau mit einem höheren Prinzip verbunden. Deswegen stellen sich auch konservative Parteien oft mit Blau dar.

sueddeutsche.de: Nehmen Männer und Frauen Farben unterschiedlich wahr?

Vollmar: Frauen können deutlich mehr Farben wahrnehmen als Männer. Das hat evolutionsbiologische Gründe. In der Tierwelt sind die Männchen oft viel bunter, um die Weibchen anzuziehen und damit die Fortpflanzungschance zu erhöhen. Deswegen sind Frauen für Farben sensibler. Männer achten mehr auf die Form, Frauen auf die Farbe.

sueddeutsche.de: Welche Farben sind umgekehrt für Männer am reizvollsten?

Vollmar: Schwarz ist eindeutig die beste Farbe für Reizwäsche. Bei Schwarz schwingt eine Idee von Exklusivität und Geheimnis mit, die verführerisch wirkt. Außerdem harmoniert Schwarz am besten mit allen Hauttönen. Auch Weiß hat eine erotische Farbgeste, dadurch, dass es die kleinste Farbreichweite hat. Das heißt, wenn zu Weiß auch nur ein kleines bisschen einer anderen Farbe gegeben wird, ist es schon kein Weiß mehr. Symbolisch sagt das: Die Unschuld, die verführt werden will.

sueddeutsche.de: Gibt es Menschen für Sie, die für Farbe stehen?

Vollmar: Auf alle Fälle. Zum Beispiel der Künstler Yves Klein und das von ihm patentierte Ultramarinblau, das er für seine monochromen Bilder verwendet hat. Bei seinen Werken bemerkt man den farbpsychologischen Effekt, der den Betrachter förmlich in das Bild hineinzieht. Angela Merkel verbinde ich mit preußischem Blau: Bismarck ohne Schnurrbart. Für den Menschen allgemein kann man sagen: Der Körper ist rot, der Geist gelb und Seele blau. Daher war zum Beispiel auch Violett die Farbe der Frauenbewegung: Die Beseelung des Körpers - das Blau der Seele mischt sich in das Rot des Körpers und wird zu Violett.

sueddeutsche.de: Weiß ist das neue Schwarz der Designer. Was sagt uns die Farbe Weiß als Trend?

Vollmar: Zunächst einmal verbindet jeder mit der Farbe Weiß Unschuld. Das sollte man in Verbindung mit dem Thema Ökologie sehen: Jeder weiß, dass unsere Umwelt zunehmend verschmutzt wird und da ist eine Farbe, die Reinheit symbolisiert, sehr interessant als Gegengewicht. Modefarben sind immer auch Phänomene, die etwas über den Zustand unserer Gesellschaft aussagen. Weiß - wie auch Schwarz- sind "Überfarben", die über den "bunten Farben" stehen. Weiß als derzeitige Trendfarbe ist der Ausdruck eines Wunsches nach Kollektivierung der Unschuld. Zudem ist Weiß eine exklusive Farbe - es wird signalisiert, dass es sich um etwas Besonderes handelt und damit der menschliche Hunger nach dem Besonderen gestillt.

sueddeutsche.de: Beeinflusst unsere Farbumgebung unser Wohlbefinden?

Vollmar: Auf alle Fälle. Beobachten kann man das zum Beispiel, wenn man Literatur von Arktisforschern liest, die häufig über längere Zeit in einem mehr oder weniger monochromen Gebiet leben, wo sie wenig Farben sehen. Damit haben die meisten psychische Probleme. Die Abwechslung und die Reizung unserer Sinne durch die Farben hält uns psychisch stabil. Auch ein monochromer roter Raum macht höchstwahrscheinlich aggressiv - Rot ist also nicht unbedingt eine gute Farbe, um seine gesamten Wände zu streichen.

Lesen Sie weiter, wie Farben den Menschen manipulieren können...

Alles so schön bunt hier!

sueddeutsche.de: Kann man Menschen mit Farben manipulieren?

Vollmar: Ja, sehr sogar. Architektur und Inneneinrichtung arbeiten viel mit Farben. Man kann durch den Einsatz von Farben Decken heben oder senken, Zimmer größer erscheinen lassen. Weiß lässt einen Raum zehn bis 15 Prozent größer erscheinen oder Hellblau an der Decke hebt den Raum optisch. Kalte Farben beeinflussen unser Wärmeempfinden- so kann ein überhitztes Büro, dessen Wände in einer kalten Farbe gestrichen sind, um ein paar Grad kälter wirken.

sueddeutsche.de: Das macht sich auch die Werbung zunutze...

Vollmar: Natürlich. Bei der Produktwerbung werden wir massiv manipuliert: Durch bestimmte Beleuchtungen wird der Käufer zum Kaufen animiert, Obst und Gemüse sieht in bestimmtem Licht frischer aus. Auch die Farbe des Regals oder der Verpackung leitet das Konsumentenverhalten. Dafür gibt es ganze Expertenteams, die sich über Farben in Logos Gedanken machen, um ihre Zielgruppe anzusprechen: Beim Grün der Dresdner Bank hat sich das Entwicklerteam viele Gedanken gemacht: Es durfte nicht zu hell sein, sonst hätten es die Menschen schnell mit einem "Öko-Image" in Verbindung gebracht. Es sollte aber auch nicht zu "kalt" wirken, denn Grün wird unbeliebter, sobald es in den türkisen Farbbereich geht.

sueddeutsche.de: Inwiefern unterscheiden sich verschiedene Kulturen in der Farbwahrnehmung?

Vollmar: Grundsätzlich ist Farbe ein archetypisches Phänomen. Wie Farbe wirkt, ist weltweit vergleichbar. So hat man bei Untersuchungen festgestellt, dass Kinder bis zum vierten Lebensjahr immer wieder nach der Farbe Rot greifen. Allerdings gibt es dann auch kulturell bedingte Unterschiede: Die grundsätzliche Ansprechbarkeit auf Farbe ist weltweit gleich, aber wie dann genau einzelne Farben wirken, ist von geographischen und historischen Faktoren abhängig. Die Farbe Orange zum Beispiel gehört laut Umfragen in Deutschland zu den unbeliebteren Farben. In Holland hingegen reagieren die Menschen auf Orange positiv, da sie damit das Symbol des Königshauses Oranien und die Trikotfarbe der Fußball-Nationalmannschaft verbinden. Oder die Farbe Gelb: Wüstenbewohner, die unter der verbrennenden Hitze leiden, reagieren aggressiv auf gelbe Farbtöne. Menschen, die in Gebieten leben, in denen die Sonne nicht so oft scheint, reagieren dagegen eher gut gelaunt auf Gelb.

sueddeutsche.de: Gelb ist in der Modeindustrie eine eher unbeliebte Farbe. Gibt es dafür einen Grund?

Vollmar: Ja, das liegt daran, dass es noch immer eine kollektive Assoziation von Gelb mit Randgruppen gibt. Gelb war seit dem Mittelalter die Farbe der Außenseiter: Juden, Bankrotteure und Menschen mit ansteckenden Krankheiten wurden mit dieser Farbe stigmatisiert. Daher kommt es unter anderem auch, dass Gelb relativ selten als Modefarbe auftaucht. Außerdem überstrahlt Gelb sehr stark die Haut, die dadurch fahl erscheinen kann. Gelb steht nicht vielen Leuten...

sueddeutsche.de: Aber sonst sieht man Gelb doch recht häufig, zum Beispiel an Häuserfassaden.

Vollmar: Ja, da kommt dann wieder die Assoziation mit Sonne und Licht zum Tragen. Auch die Autoindustrie hat Gelb für sich entdeckt: Ein gelbes Auto wirkt um einiges schneller als ein Auto in einer anderen Farbe bei gleicher Geschwindigkeit.

sueddeutsche.de: Ist das der Grund, warum die Postautos gelb sind?

Vollmar: Das kann gut sein. Aber bei der Post steht vor allem die Bedeutung von Gelb als Farbe der Kommunikation im Mittelpunkt. Deswegen sind auch die Nachrichtenkabel international gelb.

sueddeutsche.de: Heutzutage scheint alles schriller, bunter, greller - sind wir nicht schon längst "farbüberflutet"?

Vollmar: Ja, diese Entwicklung lässt sich seit Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts feststellen, als die chemischen Farben entwickelt wurden. Damit wurde die Welt drastisch bunter. Im Mittelalter hatten wir noch eine Farbumgebung, die relativ wenig unterschiedliche Farbreize bot. Dasselbe hört man ja auch von Leuten, die die ehemalige DDR besucht haben und die dort alles grau fanden.

sueddeutsche.de: Was ist eigentlich Ihre persönliche Lieblingsfarbe?

Vollmar: Meine Lieblingsfarbe ist Gelb, aber ich habe in meiner Garderobe fast nichts Gelbes und mein Auto ist schwarz. Dafür ist aber mein Lebensraum überwiegend gelb und blau - meine Schränke, meine Wände, mein Bett. Aber ein gelbes Auto würde ich mir nie kaufen, das sieht meiner Meinung nach fürchterlich aus.

Der Diplom-Psychologe und Autor Klausbernd Vollmar lebt und schreibt in England, "weil man dort im Alter skurriler werden darf, in Deutschland wird man hingegen meist biederer". Zum Thema Farben hat er mehrere Bücher geschrieben, unter anderem "Das große Handbuch der Farben" und "Das kleine Buch der Farben".

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