Fantastische Vier: Thomas D.:Der gute Mensch vom Bauernhof

Thomas D., der mit den Fantastischen Vier zum Millionär wurde, lebt heute auf einem Öko-Landsitz. Er geißelt "Kuh-KZs" und macht Werbung für Toyota und die Telekom. Ein Widerspruch?

Malte Conradi

Die Schweine kann er gut. Wenn Thomas Dürr sie nachmacht, dann ist da plötzlich noch ein anderer mitten in dieser Eifel-Einöde. Dann ist da Thomas D, der Bühnenkasper. Weit in die Knie geht er, grunzt mit seinem ganzen Körper. Wird ganz Schwein. Ein paar Sekunden nur dauert die Show, sein Publikum lässt er nicht aus dem Blick. Liebevoll macht Dürr das, nicht gehässig, wie andere diese Riesentiere nachmachen würden, die da genüsslich im Dreck wühlen. "Die sind viel schlauer als Hunde", sagt er, "fast wie Menschen."

Die Fantastischen Vier geben Jubiläumskonzert

Auf seinem Gutshof in der Eifel füllt Thomas D, inzwischen 42, das Bild des reflektierten, des vernünftigen Popstars perfekt aus.

(Foto: ag.dpa)

Als Thomas D hat Dürr vor zwanzig Jahren mit seiner Band, den Fantastischen Vier, den deutschen Hip-Hop mitbegründet, er hat Millionen CDs verkauft und Millionen Euro verdient. Die Hip-Hop-Mode, die sie ausgelöst haben, ist längst vorbei, doch die Fantastischen Vier machen einfach immer weiter. Seit sie 1991 mit dem Riesenhit "Die da" berühmt wurden, sind die vier Stuttgarter so etwas wie die Klassensprecher der deutschen Musikindustrie geworden, vernünftig, aber auch mal für einen Spaß zu haben, klug aber nicht langweilig.

Auf ihre Musik können sich inzwischen ganze Generationen einigen, niemand muss sich schämen, sie zu mögen. Alle paar Jahre veröffentlichen die Fantastischen Vier eine neue CD, anschließend gibt es eine Tournee. Das könnte immer so weiter gehen . Es ist ein komfortables Leben als etablierte Popstars, das sie führen. Längst unabhängig von musikalischen Moden, verwalten die vier Stuttgarter ihren Ruhm und pflegen ihr Image als die eher Intelligenten im deutschen Hip-Hop.

Der vernünftige Popstar

Hier, auf seinem Gutshof in der Eifel, füllt Thomas D, inzwischen 42, das Bild des reflektierten, des vernünftigen Popstars perfekt aus. Seine Fans sagen, er ist normal geblieben. Zur Begrüßung bringt er gleich mal einen Espresso aus dem Haus mit. Er hat eine neue Maschine und arbeitet, wie er sagt, an der perfekten Zubereitung. Der Espresso schmeckt gut. Aber jemand, dem an mehr gelegen wäre als am Geschmack, hätte ihn vielleicht auf einer Untertasse serviert.

Thomas D war immer schon der Interessanteste der Fantastischen Vier. Im Gefüge der Band war ihm lange die Rolle des Durchgeknallten zugedacht, das sah man an seinen bunten Brillen. Schon früh in seiner Karriere sprach er aber auch gerne über andere Dinge als die Musik.

Während sein Bandkollege Smudo sich in seiner Freizeit mit Kunstfliegerei und Autorennen beschäftigte, sorgte Thomas D sich um den Zustand der Welt, propagierte vegetarische Ernährung und biologische Landwirtschaft. Ein freier Geist war er wohl schon immer: Aufgewachsen als Sohn von Tankstellenpächtern, ließ Thomas D sich zum Friseur ausbilden. Sein Plan: Mit einem fahrenden Salon die Welt bereisen. Bevor er Popstar wurde, arbeitete er dann allerdings erst einmal als Hausmeister.

Wie er da in der ersten Frühlingssonne auf seinem Hof sitzt, sieht es plötzlich ganz leicht aus, das richtige Leben: Aus allen Winkeln kommen immer wieder Hunde und Katzen hervor, um sich zu sonnen, das Tonstudio ist in der alten Scheune untergebracht, ein Fitnessstudio gibt es auch, der Strom kommt aus den Solarzellen auf den Dächern. Vor einigen Jahren war das hier mal eine richtige Hippie-Kommune, aber dann kamen die zwei Kinder, alle wollten ein bisschen mehr Platz und Komfort. Heute lebt Thomas D hier mit seiner Familie und zwei Freunden, sein Manager hat immerhin noch ein Büro auf dem Gelände.

Fröhliche Öko-Idylle?

Hinter dem Haus hat Thomas D gleich nach dem Einzug vor zwölf Jahren eine große Fläche in den Hang betonieren lassen. Früher ist er darauf mit seinen Freunden Skateboard gefahren, heute üben die Kinder hier auf ihren Fahrrädern. Auf der Wiese daneben liegen noch ein paar frisch geschlagene junge Fichten herum, aus ihnen will Thomas D ein Tipi bauen. Nur so, zum Spaß.

Wenn man aber genau hinsieht, endet diese fröhliche Öko-Idylle an der Grundstücksgrenze. Thomas D hat sich den schönsten Hof in diesem Dorf zwei Stunden von Köln ausgesucht, es ist der einzige, der an diesem Nachmittag belebt erscheint. Der Weg zum Hof führt durch enge Straßen, vorbei an geduckten Häuschen mit verklinkerten Fassaden und akkuraten Mäuerchen drumherum. Die meisten Bewohner arbeiten wohl auf dem Feld oder im Stall, nur ein Rentner mit Hündchen schaut dem fremden Besucher lange hinterher. Er sieht nicht aus, als würde er sich für den perfekten Espresso oder erneuerbare Energie interessieren.

Sein Tor stehe immer offen, sagt Thomas D, hin und wieder gehe er mit den Nachbarn ein Bier trinken. Deshalb gebe es auch keine Probleme mit den Dorfbewohnern. Es fällt dann allerdings doch etwas schwer, sich die Bauern aus der Nachbarschaft hier auf dem Vegetarier-Hof vorzustellen, wo im Teich nicht Goldfische schwimmen, sondern Molche und Kröten sich gegenseitig den Laich wegfressen. Wo die Tüten mit dem Biomüll im Baum hängen und goldene Schallplatten hinter den Fenstern. Wo Schweine nicht gegessen werden.

Als eine Treckerkolonne auf der Dorfstraße vorüberdröhnt, wirft Thomas D ihr einen Blick nach, der keine Freundlichkeit verrät. Der Hang gleich gegenüber war vor ein paar Jahren noch bewaldet, heute spült jeder kräftige Regen die nackte Erde ins Tal. Oben auf der Hügelkuppe zeichnen sich langgezogene Stallgebäude gegen den Himmel ab. Wenn Thomas D über diese Gebäude spricht, wird seine Sprache knapper, seine Gesten zackiger. "Kuh-KZ" nennt er die Ställe. Nicht spontan und nicht unbedacht. Sondern ganz gezielt. Und dann wiederholt er das Wort noch einmal, falls man es beim ersten Mal nicht richtig verstanden hat: "Kuh-KZ".

Es ist so leicht, sich über einen Plattenmillionär lustig zu machen, der den grünen Lifestyle für sich entdeckt hat. Der freudig die Trend-Bezeichnung "Lohas" für sich akzeptiert, der Vegetarismus predigt und ständig mit dem Flugzeug unterwegs ist, der sich auf der Bühne als Freak inszeniert, aber für Toyota und die Telekom Werbung macht. Thomas D kriegt das immer wieder zu spüren. Es ist der gleiche Spott, der jetzt die Wähler der Grünen trifft, weil sie es immer schon besser gewusst haben und dabei im Schnitt besserverdienend sind und die Pfandflaschen angeblich mit dem Geländewagen zum Supermarkt bringen.

Thomas D geht offen mit diesen Widersprüchen um. Er muss über sich selbst lachen, wenn er erst den Bio-Ingwer auskocht und dann synthetischen Fruchtsirup dazugießt, damit das Getränk genießbar wird. "Aber man kann sagen: mit natürlichem Ingwer hergestellt."Es steckt mehr hinter seinen Sprüchen als reine Attitüde.

Es ist die Empörung über die eigene Hilflosigkeit. Darüber, dass mehr einfach nicht drin ist zur Rettung der Welt als vegetarisches Essen und Ökostrom. Diese Empörung ist es, die diesen freundlichen Mann zornig werden lässt, wenn er über Fleischkonsum spricht; die ihn dazu bringt, ein Soloalbum zu veröffentlichen, das eigentlich eine Frechheit ist. "Lektionen in Demut" heißt es, und das ist auch schon das ganze Programm.

Die Schlechtigkeit der Welt

In seinem Schamanen-Sprechgesang fordert Thomas D die Menschen auf, niederzuknien, die Schlechtigkeit der Welt zu erkennen und daran endlich etwas zu ändern: "Um die Tests dieser Zeit zu bestehen und um weiterzugehen, muss hier jeder sein Ego in Demut zurücknehmen." Oder: "Denn du bist Schöpfer deiner Welt obwohl du Teil von ihr bist - Du trägst Verantwortung für alles was in deinem Leben geht." Oder: "Wie lange wollt ihr weiter euren falschen Helden huldigen?" Eine mehr als einstündige düstere Predigt gegen die Arroganz.

Vor zehn Jahren hat Thomas D dieselben Texte schon mal aufgenommen. Die CD hat sich damals ganz gut verkauft, obwohl sie so bedrückend war und so ganz anders als alles von den Fantastischen Vier. Nun hat er die Texte neu vertont mit Musik, die freundlicher und eingängiger ist als die sphärischen Klänge der ersten Version. Es geht darum, diese Gedanken wieder unter die Leute zu bringen.

"Die Welt steht ja immer noch am Rande des Abgrunds, die Menschen brauchen vielleicht einen Arschtritt, um in die Gänge zu kommen", sagt Thomas D dazu. So viel Sendungsbewusstsein ist anmaßend, verkauft sich aber gut. Sein Manager jedenfalls ist recht zufrieden mit dem Öko-Image seines Klienten. Gerade jetzt kommen ständig neue Werbe-Angebote rein.

Vor ein paar Wochen machte Thomas D mit seinen Hunden einen morgendlichen Spaziergang über die taubedeckten Wiesen um seinen Hof, und ihm ging auf, warum er trotz der düsteren Gedanken doch noch nicht in Depressionen verfallen ist: "Ich, die Hunde, die ersten warmen Sonnenstrahlen. Das war so ein wahnsinnig perfekter Moment. Und trotzdem wusste ich, so sehr ich es auch wünsche: Er wird nicht bleiben."

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