Süddeutsche Zeitung

Familientrio:Wer zahlt den Ranzen?

Lesezeit: 2 min

Die Tochter unserer Leserin will einen neuen Schulranzen, weil ihr die alte Farbe nicht mehr gefällt - und sie soll ihr Geld geben. Ist das in Ordnung oder erwartet die Tochter zu viel?

Meiner Tochter, die in die sechste Klasse geht, ist ihr Schulranzen zu pink. Neulich bat sie mich beim Mittagessen, ihr 80 Euro zum neuen Ranzen dazuzugeben. Ich lehnte mit Verweis auf ihr Taschengeld ab, woraufhin meine Tochter meinte, warum denn nicht, wir hätten doch genügend Geld. Wie kurz sollen wir unsere Kinder halten?

Nina T., München

Margit Auer:

Was ist denn das für eine versnobte Haltung? Mein Schulranzen gefällt mir nicht mehr, also kaufe ich mir einen neuen? Nachhaltigkeit geht anders. Ich wette, es gibt bessere Möglichkeiten, um sich von der ungeliebten Farbe zu trennen. Was drauf kleben, darüber nähen, umfärben. Die Tochter könnte auch mit schwarzem Filzstift "Ich hasse pink!" darüber schreiben. Ich hoffe, Sie gehen mit gutem Beispiel voran und kaufen sich auch nicht ständig eine neue Handtasche. Zur Frage, wie kurz Sie Ihre Kinder halten sollen: Genau so, dass sie im Mittelfeld gut mitschwimmen. Geizige Menschen mag ich nicht, Angeber aber auch nicht. Aus der Begründung "Wir haben doch genug Geld" höre ich eine Überheblichkeit heraus, die nicht zu einer Sechstklässlerin passt. Wo hat die Tochter solche Sprüche her?

Herbert Renz-Polster:

Das ist vom Kind aus gedacht ein verständlicher Wunsch, ein "zu pinker" Schulranzen hat sich in der 6. Klasse genauso überlebt wie ein zu kleiner oder zu unbequemer Schulranzen. Für die Neuanschaffung sind, so meine ich, die Eltern zuständig, denn in die Schule gehen ist kein Hobby - und ein guter, praktischer, aber auch farblich "tragbarer" Schulranzen gehört für mich eindeutig zu der von den Eltern zu tragenden Ausstattung. Wie viel Geld Sie dafür ausgeben wollen, ist Ihre Sache. Denn natürlich haben Sie in den Augen Ihrer Tochter "genügend Geld", was aber ja nicht ausschließt, dass Sie für dessen Verwendung Prioritäten haben, die Sie nach eigenen Kriterien setzen. Wenn Sie den Vorschlag Ihrer Tochter zu teuer finden, schauen Sie gemeinsam, was sich auf dem Second-Hand-Markt finden lässt. Das wichtigste dabei ist eine grundsätzliche Anerkennung Ihres Kindes: Ja, du hast Recht, du solltest einen "gescheiten" Schulranzen haben, und wir werden einen finden.

Collien Ulmen-Fernandes:

Suchen Sie doch einfach mal das offene Gespräch mit Ihrer Tochter, erklären Sie ihr, dass Geld nicht auf Bäumen wächst und jeder Euro schwer verdient sein will. Vielleicht können Sie ihr das sogar veranschaulichen, in dem sie sich das Geld für einen weniger pinken Ranzen selbst erarbeiten muss, mit Gartenarbeit, Akten sortieren, Keller ausmisten oder wobei auch immer Sie zurzeit gerade Assistenz benötigen. Und wenn das alles nichts hilft, wenn sie weiterhin glaubt, dass es mehr als genug Geld für sie gibt, dann machen Sie Ihrer Tochter doch einfach ein bisschen Angst vor der Zukunft. Das klingt schlimm, ich weiß, aber ein ausführliches Referat über Finanz- und Geldpolitik, über die Folgen von Nullzinspolitik, Minuszinsen, kalter Progression, die Gefahren von Inflation, oder schlimmer noch, Deflation, hat meines Wissens nach noch jedes Kind zur Vernunft gebracht.

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Quelle:
SZ vom 04.09.2021
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