Familientrio:Muss ich meine Kinder zum Skypen mit ihrem Vater zwingen?

Die Eltern sind getrennt, der Vater wohnt in einer anderen Stadt und sieht die Kinder selten. Auf Telefonieren haben sie oft keine Lust. Was tun? Unsere Familienexperten antworten.

Annemarie B., Augsburg fragt:

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(Foto: Gaelle Marcel/Unsplash)

Ich lebe seit einem Jahr getrennt von meinem Mann. Meine Kinder sehen ihn recht selten, da er nicht in derselben Stadt wohnt wie wir. Einmal die Woche, am Wochenende, möchte er per Skype mit ihnen telefonieren. Ich soll das regelmäßig ermöglichen, doch leider haben die Kinder häufig keine Lust auf diesen Termin. Muss ich sie denn dazu zwingen? Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de.​​​

Kirsten Fuchs

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(Foto: Stefanie Fiebrig)

Ich würde an der Abmachung nicht rütteln. Das macht alles nur noch komplizierter. Außerdem steht das dem Vater zu. Meine Tochter hat oft keine Lust auf Hausaufgaben. Soll ich deshalb die Hausaufgaben abschaffen? Nein. Ich kann versuchen, dass es mehr Spaß macht, aber wenn nicht, werden die Hausaufgaben trotzdem nicht gestrichen. Es wäre natürlich schön, Ihre Kinder würden "Papapa" rufen, und alles wäre toll. Stellen Sie sich vor, Sie würden immer zu "Papapa" weinen, wenn sie mit ihm skypen. Auch nicht schön. Ganz konkret: Was können Sie ändern, damit das Gespräch schöner wird? Kann Ihr Exmann vielleicht etwas vorlesen? Gibt es ein nettes Ritual? Ein lustiges kleines Spiel, das beim Skypen geht? Aber sonst: Es wird telefoniert, wie die Abmachung ist. Die Art und Weise und auch die Abmachung selbst kann angepasst werden (seltenere, häufigere Gespräche oder eine andere Tageszeit), aber dann beibehalten. Kinder müssen nicht immer auf alles Bock haben. Kirsten Fuchs ist Schriftstellerin und lebt mit Tochter, Mann und Hund in Berlin. Sie schreibt vor allem Kurzgeschichten und Romane, aber auch Theaterstücke sowie Kinder- und Jugendbücher. Ihr Buch "Mädchenmeute" erhielt 2016 den Deutschen Jugendliteraturpreis.

Jesper Juul

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(Foto: Anne Kring)

Ich denke nicht, dass Sie Ihre Kinder zwingen sollten, mit ihrem Vater zu sprechen. Aber Sie sollten sie fragen, woher ihre Unlust kommt. Liegt es an der Beziehung zu ihm? Wenn ja, ist das ein wichtiges Thema, das besprochen und aufgeklärt gehört. Liegt es an den Gründen, warum Sie und er sich getrennt haben oder an Ihren (vielleicht noch immer negativen) Gefühlen ihm gegenüber? Für viele Kinder ist skypen aber auch generell frustrierend, weil sie den Abwesenden zu sehr vermissen und Skype so ein armseliger Ersatz ist. Liegt es vielleicht auch daran, dass er nicht weiß, wie er wirklich eine Beziehung zu seinen Kindern aufbauen soll, und dass er sie bloß ausfragt, statt ihnen von seinem eigenen Leben zu erzählen? Es könnte noch andere Gründe geben, aber es ist wichtig, herauszufinden, wo das Problem liegt, damit sich niemand wegen des schlechten oder gekünstelten Gesprächs schuldig fühlt. Jesper Juul ist Vater, zweifacher Großvater und Familientherapeut in Dänemark. Er hat zahlreiche Erziehungsratgeber geschrieben, darunter den in 14 Sprachen übersetzten Bestseller "Dein kompetentes Kind".

Collien Ulmen-Fernandes

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(Foto: Anatol Kotte)

Sie "müssen" zunächst überhaupt nichts, und "zwingen" steht meist am Anfang eines schiefen und falschen Modells. Ich kenne Ihren Exmann und seine Skype-Gewohnheiten nicht, aber ich persönlich bekomme in Videocalls schon nach wenigen Minuten Konzentrationsprobleme, fange an, mich in der Webcam anzuschauen, verliere die Aufmerksamkeit, weil im Sprechen eine Verzögerung entsteht, bin genervt, weil der Gesprächspartner aufgrund der Übertragungstechnik immer einen Zentimeter neben meine Augen guckt. Vielleicht geht es Ihren Kindern ähnlich, vielleicht stören sie die Umstände, unter denen der Kontakt stattfindet, die Technik, das Verzerrte, das latent Anstrengende an Videocalls? Vielleicht müsste Ihr Exmann die Situation zum Anlass nehmen und ab und zu eine längere Autofahrt in die, huiuiui, andere Stadt machen? So wie es Milliarden Menschen für die Arbeit und für alle möglichen niederen Anlässe täglich auch tun. Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter hat mehrfach Texte zum Thema Elternsein veröffentlicht, 2014 erschien von ihr das Buch "Ich bin dann mal Mama".

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(Foto: N/A)

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