Familientrio:Was tun, wenn sich die Tochter selbst nicht gefällt?

Obwohl das Mädchen nicht übergewichtig ist, wird es ständig wegen seines Körpers gehänselt. Wie soll die Mutter reagieren? Unsere Erziehungsexperten antworten.

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Quelle: David Marcu/Unsplash

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Nadja L. aus Gilching fragt:

Meine Tochter (9) sagte neulich beim Blick auf ihren aufgeblähten Bauch: "Alle sagen, ich bin zu dick." Mir ist auch aufgefallen, dass sie noch etwas Babyspeck hat. Übergewichtig ist sie nicht. Trotzdem habe ich übertrieben schnell "das stimmt nicht" gesagt. Das hat sich unecht angehört und ihr auch nicht geholfen. Wie hätte ich in der Situation reagieren sollen?

Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de.

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Quelle: Stefanie Fiebrig

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Sie haben auf jeden Fall die Wahrheit gesagt, denn sie ist nicht "zu dick". Zu dick für was denn? Man ist doch nicht automatisch zu dick, wenn man dicker als andere ist. Nur weil die meisten Kinder beim Wachsen so lange dünne Beine und Arme bekommen, heißt das nicht, dass alle das haben müssen. Wenn ihre Tochter sonst körperlich okay ist, spricht doch nichts gegen einen weichen Bauch. Sie ist neun und kann sich noch strecken, und wenn nicht - dann eben nicht. Wenn sie selbst finden, dass sie zu schnell "stimmt nicht" geantwortet haben, dann denken sie wohl tatsächlich, dass sie etwas weniger Plautzi haben könnte. Muss sie aber nicht! Andere Kinder sagen auch, man wäre zu klein, zu groß, zu dürre, zu dumm ... bla bla bla. Ihre Tochter sollte lernen, selbst zu finden, wie sie sich findet. Sonst ist sie definitiv zu unsicher am Ende.

Kirsten Fuchs ist Schriftstellerin und lebt mit Tochter, Mann und Hund in Berlin. Sie schreibt vor allem Kurzgeschichten und Romane, aber auch Theaterstücke sowie Kinder- und Jugendbücher. Ihr Buch "Mädchenmeute" erhielt 2016 den Deutschen Jugendliteraturpreis.

Jesper Juul

Quelle: Anne Kring

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Sie beschreiben eine Situation, die Millionen Eltern jeden Tag mit ihren Töchtern und Söhnen erleben. Die meisten von uns wollen ihre Kinder beschützen, in diesem Fall vor negativen Gefühlen. Eine bessere spontane Antwort wäre aber gewesen, "Ich sehe es nicht so." Als Nächstes sollten Sie dann fragen: "Wer sind 'alle' ... und bist du ihrer Meinung?" Wenn das beantwortet ist, wäre es gut, eine Reihe von offenen Gesprächen zu haben, die damit beginnen sollten, dem Kind den Unterschied zwischen "Selbst-Gefühl" und "Selbst-Vertrauen" zu erklären. Selbstgefühl, so wie ich es definiere, beschreibt, ob das Kind sich wohl in seiner Haut fühlt, ob es sich geliebt und angenommen fühlt, so wie es ist. Beim Selbstvertrauen geht es eher um das Auftreten und um eigene Leistungen. Beides ist wichtig, wie ich auch in meinem Buch "Das kompetente Kind" geschrieben habe. In den Gesprächen wird Ihnen beiden klar werden, ob Ihre Tochter verletzbar ist - sei es wegen geringem Selbst-Gefühl oder Selbst-Vertrauen.

Jesper Juul ist Vater, zweifacher Großvater und Familientherapeut in Dänemark. Er hat zahlreiche Erziehungsratgeber geschrieben, darunter den in 14 Sprachen übersetzten Bestseller "Dein kompetentes Kind".

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Quelle: Anatol Kotte

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Wie denn sonst? Natürlich müssen Sie Ihrer Tochter ein Kompliment machen, als Mutter, es kann doch gar keinen anderen Blick auf den Körper des Kindes geben als einen bewundernden, denn Ihre Aufgabe ist es nicht, Hot or Not zu spielen, sondern ihr Kind über alle nur erdenklichen Kanäle mit Liebe zu versorgen. Ob das dann authentisch klingt oder nicht, ist egal, es gilt diese Formeln von Gutherzigkeit einfach immer wieder zu wiederholen, genau wie das "Ich liebe dich" in einer Ehe oder das "Guten Morgen" beim Bäcker oder das "Gesundheit" beim Niesen. Natürlich können Sie auch zusätzlich mehr Gemüse und weniger Schwein auf den Teller tun und am Wochenende Sport mit ihr machen, aber immer und jederzeit müssen Sie sagen, wie schön Ihre Tochter ist. Sonst ergeht es ihr wie der Indonesierin, die weißere Haut haben will, weil das Reichtum und Wohlstand suggeriert, oder der Inderin, die alle zu dünn finden. Und schon sind Sie mittendrin in der Barbarei gesellschaftlicher Gleichmacherei. Wenn Ihre Tochter eine ordentliche Tagesdosis an Liebe bekommt, kriegt sie alles andere auch in den Griff.

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter hat mehrfach Texte zum Thema Elternsein veröffentlicht, 2014 erschien von ihr das Buch "Ich bin dann mal Mama".

© Sz.de/lkr
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