Familientrio:Was tun, wenn andere Eltern AfD-Positionen vertreten?

Der 13-jährige Sohn hat einen neuen Schulfreund. Der Junge ist nett, die politische Einstellung seiner Eltern erschreckend. Wie erklärt man dem Kind, dass man nichts mehr mit ihnen zu tun haben will? Unsere Familienexperten antworten.

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Grossdemo gegen AfD Grossdemo gegen Hass und Rassismus im Bundestag Zwei Tage vor der konstituiere

Quelle: imago/Christian Mang

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Mein 13-jähriger Sohn hat sich mit einem Jungen aus seiner Klasse angefreundet, den wir nett finden. Als wir aber vor kurzem bei dessen Eltern zum Abendessen eingeladen waren, sind wir erschrocken: Ihre politische Einstellung ist nahe an der AfD. Wir wollen mit diesen Eltern darum nichts mehr zu tun haben. Wie können wir das unserem Sohn erklären? Vanessa S., Starnberg

Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de.

Kirsten Fuchs

Quelle: Stefanie Fiebrig

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Ich würde es ihm erklären, er ist 13 Jahre, da kann er komplexe Sachverhalte verstehen. Es ist wichtig, gerade in dieser Frage klar Stellung zu beziehen. Intoleranz tolerieren muss man als toleranter Mensch eben nicht! Die Regeln der Demokratie müssen stehen, sonst fängt alles an zu wackeln. Vielleicht ist es auch für den anderen Jungen gut zu hören, dass es andere Meinungen gibt. Und wovor haben Sie Angst? Dass Leute Sie nicht mögen, die Sie selbst auch nicht mögen? Dass der andere Junge Sie oder Ihren Sohn nicht mag, dass gar Ihr Sohn Sie nicht mag? Reden Sie mit ihm über Menschlichkeit, bevor er seine Informationen von wo anders bezieht. Ich bin mir fast sicher, dass die anderen Eltern nicht zimperlich sind, ihren Sohn in ihre Weltsicht reinzuziehen. Also sagen Sie ihm genauso klar, was Sie richtig finden. Humanismus ist keine schwache Haltung. Dafür ist viel gekämpft worden. Religionsfreiheit, Pressefreiheit, Demokratie, Toleranz, Hilfsbereitschaft - das sind so großartige Dinge.

Kirsten Fuchs ist Schriftstellerin und lebt mit Tochter, Mann und Hund in Berlin. Sie schreibt vor allem Kurzgeschichten und Romane, aber auch Theaterstücke sowie Kinder- und Jugendbücher. Ihr Buch "Mädchenmeute" erhielt 2016 den Deutschen Jugendliteraturpreis.

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Quelle: Anne Kring

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Ich gehe davon aus, dass Ihr Sohn den Erfolg der AfD bei den Wahlen mitbekommen hat und dass Sie Ihre Sorgen darüber mit ihm geteilt haben. Ein Vorschlag von mir wäre dann, Sie sagen: "Ich freue mich sehr, dass du einen guten Freund gefunden hast. Wie du weißt, halten wir die politischen Einstellungen seiner Eltern für falsch. Darum werden wir sie vielleicht bitten, nicht über Politik zu reden, wenn wir sie besuchen." Eine andere Möglichkeit wäre, dass Sie offen und ehrlich zu den Eltern sind: "Ich kann mir nicht vorstellen, was einen bewegen kann, die AfD zu wählen, aber da ihr es nun mal getan habt - vielleicht erklärt ihr es mir?" Wenn die Eltern zustimmen, kritisieren Sie sie nicht für Ihre Wahl. Danken Sie ihnen einfach, dass sie bereit sind, mit Ihnen offen zu reden. Die beiden Jungen sollten bei dem Gespräch dabei sein. Wenn Sie dieses Risiko nicht eingehen wollen, sagen Sie das Ihrem Sohn und fragen Sie ihn, ob er Ideen hat, wie er die Freundschaft erhalten kann, ohne dass die Eltern sich mehr als nötig begegnen.

Jesper Juul ist Vater, zweifacher Großvater und Familientherapeut in Dänemark. Er hat zahlreiche Erziehungsratgeber geschrieben, darunter den in 14 Sprachen übersetzten Bestseller "Dein kompetentes Kind".

Collien Ulmen-Fernandez

Quelle: Anatol Kotte

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Gehen Sie hin. Versuchen Sie's. In der Bestsellerliste ist ja gerade ein "Leitfaden", der Ihnen, ähnlich wie ein mediterranes Kochrezept für den Abend, empfiehlt, wie Sie mit "Rechten reden" sollen. Sie könnten als Super-Staatsbürger-Eltern auf die Zähne beißen und weiterhin bei den Reaktionären zu Abend essen. Als Entsandter des guten Deutschlands. Bei Rotwein und Rouladen sich wie Lanz oder Plasberg fühlen, mit "denen" reden, diskutieren, argumentieren. Sie und die AfD-Eltern könnten gemeinsam in einer Vierertanzgruppe die aktuelle politische Lage tanzen: Es geht ein Riss durch Deutschland; haben wir den Kontakt zu dem und dem verloren? Wir müssen wieder mehr miteinander reden; nur wie geht das eigentlich? Oder Sie halten es anders und erklären Ihrem Sohn: Leute, die in einem der reichsten Länder der Erde sitzen und all ihr Engagement darauf fokussieren, über die Ärmsten herzuziehen, mit denen wollen wir nicht an einem Tisch sitzen.

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter hat mehrfach Texte zum Thema Elternsein veröffentlicht, 2014 erschien von ihr das Buch "Ich bin dann mal Mama".

© SZ vom 18.11.2017/afis
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