Süddeutsche Zeitung

Familientrio:Kann das Kind schwimmen?

Die Tochter selbst ist der Meinung: Ja, schließlich hat sie das Seepferdchen, gegen Schwimmflügel wehrt sie sich. Tatsächlich kann sie sich kaum über Wasser halten. Was tun?

Meine Tochter, 6, hat gerade einen Schwimmkurs gemacht und uns stolz am Ende den Seepferdchen-Aufnäher gezeigt. Da der Kurs unter Corona- Bedingungen stattfand, waren wir nie dabei. Jetzt waren wir im Freibad und merken: Unser Tochter kann nicht schwimmen. Sie will aber auch keine Schwimmflügel aufsetzen, weil sie ja das Abzeichen hat. Dass sie sich nicht über Wasser halten kann, liege daran, dass sie das nur im Schulbecken könne. Wie sollen wir damit umgehen?

Martin S., München

Margit Auer:

Ganz einfach: üben! Ihre Tochter braucht keine Schwimmflügel, sondern einen Papa, der mit ihr ins Kinderbecken hüpft. Und dort spielen Sie zusammen. Spielen Sie Seepferdchen, Hai, Olympiaschwimmer, Tiefseetaucher - denken Sie sich was aus. Alle müssen regelmäßig üben und trainieren. Und Sie beide trainieren auch! Sie brauchen Ihrer Tochter ja nicht zu sagen, dass sie noch nicht schwimmen kann. Das können übrigens die wenigsten Kinder nach dem Schwimmkurs. Also so richtig. Sie können die Bewegungen, aber es fehlt an Kraft und Sicherheit. Da hilft nur eines: ab ins Wasser! Beginnen Sie da, wo die Tochter stehen kann. Arm unter den Bauch und los geht's! Ein, zwei, drei Schwimmzüge - gut gemacht! Nach und nach wagen Sie sich zusammen ins tiefere Wasser vor. Wie die Tiefseetaucher! Feiern Sie die Fortschritte und freuen Sie sich, dass Sie mit Ihrer Tochter so viel Spaß haben. Nach dem Sommer hat sie's raus, versprochen. Wenn Sie Lust haben, können Sie dem Seepferdchen-Aufnäher noch einen goldenen Stern verpassen. Und zwischendurch das Rutschen nicht vergessen!

Herbert Renz-Polster:

Ich finde, hier haben Sie den wichtigsten Grund, den es gibt, um sich in aller Klarheit durchzusetzen: Hier geht es um die Gefahr für Leib und Leben Ihres Kindes. Natürlich machen Sie hier eine sonnenklare Ansage - verständnisvoll und lieb, Typ Löwenmama oder Löwenpapa: ohne Schwimmflügel kein Alleine-Schwimmen. Natürlich hat auch Ihre Tochter mit ihrer Erklärung irgendwie "recht", sie hat sich angestrengt für das Abzeichen und will ihr Gesicht nicht verlieren. Denn in Wirklichkeit ist sie auch Opfer eines Missverständnisses, das leider nicht genug diskutiert wird und den Kindern auch nicht genug gesagt wird: Das Seepferdchen wurde nicht entwickelt, um damit zu zertifizieren, dass die Kinder "richtig" schwimmen können. Es ist nicht mehr als eine "vorbereitende Qualifikation" und "kein Nachweis des sicheren Schwimmens, sodass weiterhin eine intensive Beobachtung des Schwimmers notwendig bleibt". So Wikipedia. Da hilft nur liebevolle Offenheit, mit der Sie Ihrem Kind das Missverständnis erklären, darauf hinweisen, was es alles schon kann und wie ruckzuck damit das sichere Alleinschwimmen als der nächste Schritt gelingen wird. Mit Armunterstützung der Eltern - oder auch mit Schwimmflügeln.

Collien Ulmen-Fernandes:

Nur damit ich es recht verstehe: Ihre Tochter hat zwar ein Seepferdchen vorzuweisen, kann aber nicht schwimmen? Gar nicht schwimmen? Ich denke, hier gibt es genau zwei Möglichkeiten, wie es gewesen sein könnte. Szenario 1: Ihre Tochter ist eine fiese Trickbetrügerin, die niemals an einem Schwimmkurs teilgenommen hat, stattdessen Eis essend im Park spazieren war, sich das Seepferdchen-Abzeichen klammheimlich im Internet, womöglich unter falschem Namen und mit falschen Daten, bestellt hat. Das wäre eine reife Leistung für eine Sechsjährige und fast schon ein Grund, stolz auf sie zu sein. Oder es ist eher Szenario 2: Hierfür muss ich allerdings ein wenig weiter ausholen. Ich habe neulich einen Film gesehen. Vielleicht kennen Sie ihn ja? "Mystery Men" mit Ben Stiller. In dem Film geht es um eine Gruppe von, na ja, "Superhelden", die allesamt über eher unnütze Superkräfte verfügen. Unter anderem gibt es da einen Jungen, den "Invisible Boy", der bedauerlicherweise ausschließlich dann unsichtbar werden kann, wenn gerade niemand hinschaut. Kurz gesagt: Es bringt ihm rein gar nichts. Nun meine Theorie: Ist es vielleicht genau so bei Ihrer Tochter? Kann sie schwimmen, nur eben dann, wenn keiner hinsieht?

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