Süddeutsche Zeitung

Familientrio:Darf man für Geldgeschenke Dankbarkeit erwarten?

Eine Großmutter schickt ihrem Enkel zweimal im Jahr eine "Semesterbeihilfe" von 100 Euro. Er hat noch nie darauf reagiert. Wie soll sie damit umgehen? Drei Experten geben Rat.

Zweimal im Jahr schicke ich meinem jüngsten Enkel eine "Semesterbeihilfe" von 100 Euro. Wie seinen älteren Geschwistern vorher auch. Die beiden Großen ließen mich teilhaben an ihrer Freude über den "Hunni". Bei dem Jüngsten geschieht nichts - keine Whatsapp, kein Hallo. Was darf ich erwarten? Ein "Prima, Oma?" Ein schlichtes "Danke"? Oder ist ein Hunderter heute einfach nichts wert?

Inge R. aus Burgwedel

Margit Auer:

Unser Alltag besteht aus Dingen, die wir tatsächlich tun, und Dingen, die wir tun sollten, dann aber wieder vergessen. Ich bekomme manchmal Mails, in denen sich jemand "für den netten Abend" bedankt. Ich schreibe solche Mails nie. Für mich ist das eine überflüssige Floskel, andere empfinden mein Verhalten vermutlich als unhöflich. Vielleicht hat Ihr Enkel einfach viel um die Ohren? Mein Vorschlag: Bleiben Sie bei Ihrer "Semesterbeihilfe" und freuen Sie sich, dass Sie Ihren Enkel unterstützen können. Was täten Sie sonst mit dem Geld? Was würden Sie sich von dem "Hunni" gönnen? Einen Ausflug in die Berge, einen Boogie-Woogie-Kurs? Oder wollen Sie beim Italiener endlich mal Hummer bestellen statt Pizza Margherita? Reden Sie mit Ihrem Enkel darüber. Dann erzählt er vermutlich ganz von selbst, was er mit Ihrem Geld anstellt.

Herbert Renz-Polster:

Ja, was ist ein Hunderter wert, gute Frage. Denn dieser Wert ist ja irgendwie mit einem Dilemma verbunden: Man macht ein Geschenk, um dem anderen etwas Gutes zu tun. Da könnte man dann sagen: Pfeif drauf, ich brauche kein Dankeschön. Und so ist es ja auch: Wo wir mit Menschen zu tun haben, deren Zuneigung wir tagtäglich spüren, da ist das formale Danke für ein besonderes Geschenk nicht so wichtig: nett, aber es geht auch ohne. Die Anerkennung, die hat man irgendwie schon. Anders, wenn die Beziehung nicht so gut geölt ist. Wenn der Dank ausbleibt, bleiben auch die Fragen nicht aus: Schätzt er denn mein Geschenk nicht? Oder mich selbst nicht? Nun kann ich nicht beantworten, ob der Beschenkte faul, vergesslich oder seinerseits gehemmt ist, mit seiner Oma immer nur aus Verpflichtung in Verbindung zu treten. Ich würde ihm ein Kärtchen schicken: a) Habe Dir etwas zur Aufbesserung Deines Kontos geschickt - angekommen? b) Wie geht's Dir denn? Wenn er zurückschreibt, dann kommt vielleicht auch etwas Öl in Ihre Beziehung. Wenn nicht, würde ich das Ritual beenden. Vielleicht gibt ihre Beziehung momentan wirklich nicht genug her.

Collien Ulmen-Fernandes:

Liebe Frau R., ein Hunderter ist heute aufgrund der geringen Inflation immer noch relativ viel wert, so viel ich weiß, und hilft Ihrem Enkel mit Sicherheit in seiner Studienzeit, wenn am Ende des Monats nur noch Spirelli-Nudeln mit Salz übrig sind. Auch die Erwartungshaltung, dass man für einen Hunderter ein kleines Tausendstel Zeit von seinem Enkel zurückbekommt, ist über die Jahrzehnte unverändert von Oma-Generation an Oma-Generation weitervererbt worden, und dass diese Erwartung so oft enttäuscht wird, ist wohl eine der unaufgeklärten und ungerechten Zumutungen des hohen Alters. Selbst wenn sie sich ehrlich freuen, ist der Bedanke-mich-Brief oder die Whatsapp für Enkel ein zähes Ding, das sie nur ungefähr so oft hinbekommen, wie Bundestagswahlen sind. Jetzt kann ich das noch völlig entspannt als ewige Wahrheit festhalten. Aber ich weiß: Wenn ich irgendwann selbst mal Oma bin, werde ich meinen Hunderter ebenso wütend anweisen wie Sie.

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SZ vom 23.11.2019/mpu
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