Süddeutsche Zeitung

Familientrio:Muss das Kind in den Sportverein?

Ob Kung-Fu oder Tennis, der Zehnjährige hat immer schon nach kurzer Zeit keine Lust mehr. Die Mutter sorgt sich um ihr Einzelkind. Was tun? Das Familientrio weiß Rat.

Unser Sohn (10) hat Kung-Fu, Fußball und anderen Sport gemacht - aber immer nach einer Weile das Interesse verloren. Gerade spielt er Tischtennis, aber mittlerweile unwillig. Obwohl er danach immer gut gelaunt ist. Er sagt, er habe keine Lust auf einen Verein. Aber macht er dort als Einzelkind nicht wichtige Erfahrungen? Und wie können wir dazu beitragen, dass er einen Sport mit Begeisterung ausübt?

Barbara O. aus Bielefeld

Margit Auer:

Dieses Vereinsleben ist nicht jedermanns Sache. Dort wird nicht nur herumgetobt, herumgealbert und gespielt, sondern es geht auch ganz schnell um Turniere und Wettkampf. Schon hat der Spaß ein Loch. Finden Sie heraus, was Ihren Sohn am Vereinsleben stört. Vielleicht ist er in einer offenen Gruppenstunde besser aufgehoben. Klar ist es wichtig, andere Kinder zu treffen und sich zu bewegen, egal, ob Einzelkind oder nicht. Überall - im Freibad, auf Spielplätzen - stehen Tischtennisplatten herum. Packen Sie einfach zwei Schläger ein und los geht's! Wenn Ihr Sohn feststellt, dass die Eltern lahme Schnecken sind, können Sie ja noch einmal darüber reden, ob er nicht lieber im Verein bleiben will. Sollte er bereits Pläne für die nächste Sportart schmieden, würde ich eine Zeitspanne vereinbaren, wie lange er mindestens dabeibleiben muss. Ich finde, Kinder dürfen ruhig ausprobieren, was ihnen liegt. Sie haben Glück, dass Sie keinen Bechstein-Flügel gekauft haben, nur weil Ihr Sohn mal Klavierspielen wollte.

Herbert Renz-Polster:

Ich höre das recht häufig: Mein Kind hat schon soundsoviele Instrumente ausprobiert - und ist bei keinem geblieben. Natürlich auch das mit dem Sport, in vielen Varianten. Mit der Begeisterung scheint das so eine Sache zu sein: Sie kann ja nur von innen heraus kommen. Und da drinnen hat jedes Kind eine ganz eigene Sammlung von Magneten. Wenn einer dieser Magneten sein Ziel findet, dann bricht das Wasser sich seine Bahn, dann hallt etwa zurück. Offenbar hat Ihr Sohn sein Ding im Vereinssport noch nicht gefunden - vielleicht ist das für ihn mit irgendeinem Störfeld verbunden, sodass keine wirkliche Resonanz entsteht? Vielleicht dass es dann doch oft wieder um ein "Wer kann es besser?" geht? Ich weiß das nicht, aber ich würde ihn von dem Zwang entbinden, sich in ein organisiertes Angebot einzuklinken. Er muss seinen Weg finden und dann auch die Freiheit haben, auszuprobieren, was ihm auf dem Weg begegnet. Das wird vielleicht nicht das sein, was Sie auf der Liste haben, aber Kinder schreiben nun einmal eine eigene Liste - entlang ihrer Magneten.

Collien Ulmen-Fernandes:

Auch ich suche noch immer nach einem Sport, der mir Spaß macht. Glauben Sie, dass der Rekordhalter im Eskimotieren schon im Alter von zehn Jahren wusste, wie viel Freude er am Kentern hat? Wer mit fünf Jahren schon weiß, dass er mal Fußballprofi werden will und im Fußballverein sein Glück findet, der ist auf Sportebene satt und lässt sich sicher nicht "Slamball" oder "Jugger" einfallen, weil ihm sonst nichts gefällt. Gut also, dass es die Suchenden gibt! Lassen Sie Ihren Sohn einfach alles ausprobieren, was er ausprobieren will, und lassen Sie ihn unbedingt mit allem aufhören, womit er aufhören will. Irgendjemand muss doch all die vielen neuen Sportarten erfinden. Vielleicht ist er in fünf Jahren ein begnadeter Rhönrad-Kite-Surfer, Inline-Basketballer oder Slamball-Jugger. Und die Einzelkindfrage ist dabei wirklich nicht erheblich.

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SZ vom 24.10.2020
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