Süddeutsche Zeitung

Familientrio:Darf die Oma den Enkel maßregeln, wenn es die Mutter nicht tut?

Lesezeit: 2 min

Die Großeltern passen oft auf den vierjährigen Enkel auf. Doch wenn die Eltern ihn wieder abholen, kreischt und spuckt er. Was ist zu tun? Unsere Familienexperten antworten.

Eine meiner Töchter hat drei Kinder, acht und vier Jahre, und ein Baby. Die Kinder sind oft bei meinem Mann und mir. Es klappt gut, sie kommen gerne. Nur der Vierjährige verhält sich komisch, wenn die Eltern wiederkommen. Er spuckt mich an, kreischt und nimmt Gegenstände von mir. Meine Tochter schreitet nicht ein, und ich bin hilflos in der Situation. Unser Verhältnis wird dadurch sehr belastet. Was tun?

Jutta K. aus München

Margit Auer:

Ist ihm langweilig, weil die Erwachsenengespräche mal wieder viel zu lange dauern? Fühlt er sich zu wenig beachtet? Ist er in der Trotzphase? Das würde das Verhalten Ihrer Tochter erklären, die aus Erfahrung weiß, dass Ermahnen jetzt nichts helfen wird. Suchen Sie nach Wegen, um die Situation zu entschärfen. Vielleicht geht der Opa mit dem Vierjährigen schon mal vor zum Auto? Oder Sie geben Ihrem Enkel eine Aufgabe: "Pass bitte auf das Baby auf, wir müssen noch etwas besprechen!" Ich verstehe nicht, wieso Sie sich in der Situation hilflos fühlen. Die Kinder sind gern bei Ihnen, das heißt doch, dass Sie gut miteinander auskommen. Wieso gehen Sie nicht in die Knie und sagen klar und deutlich: "Bei mir wird nicht gespuckt"?

Herbert Renz-Polster:

Zwischen den Zeilen lese ich die Erwartung, dass Ihre Tochter "einschreitet". Verständlich, aber ich denke, Sie sollten das mit Ihrem Enkel direkt anpacken. Die emotionale Sprache der Kinder ist manchmal ein Kauderwelsch. Was mir selbst beim Verstehen hilft, sind ein paar grammatikalische Grundregeln: Auch wenn ein Kind sich "unmöglich" verhält, steht dahinter ein "gebührlicher", also anzuerkennender Grund. Und: Auch die Kinder tun ihr Bestes, selbst wenn die praktische Ausführung manchmal in die Hosen geht. Ich sehe hinter dem plötzlichen Zorn des Vierjährigen eine Not. Vielleicht kommt er mit dem anstehenden Abschied nicht klar, vielleicht wird ihm plötzlich bewusst, wie sehr er seine Mama vermisst hat und agiert das nach außen aus. Gut, dass man mit Vierjährigen schon reden kann. Und zwar nicht, wenn die Drähte glühen, sondern wenn Sie es gut miteinander haben: "Du, ich merke, Du hast einen Kummer, wenn du abgeholt wirst. Ich würde dich gerne anders verabschieden, denn so tut es mir weh. Was können wir denn ausprobieren? Vielleicht erinnere ich dich regelmäßig, wann du abgeholt wirst?" Wichtiger als dass jetzt kluge Ideen kommen, ist das Darüberreden. Das zeigt, dass Sie ihn ernst nehmen und ihm einen gelungeneren Weg zutrauen. Daraus kann etwas wachsen.

Collien Ulmen-Fernandes:

Das klingt unangenehm, und ich gebe zu, dass ich in einer solchen Situation vermutlich dem Enkelkind meine Empörung ziemlich ungefiltert weitergeben würde. Haben Sie das schon getan? Weiß er, wie sehr er Sie damit verletzt? Das sollte er, finde ich, sonst könnte der Eindruck entstehen, dass dieses Verhalten gar keine Folgen und Schäden hervorruft. Mich würde interessieren, was das Motiv des Kindes ist? Will er damit signalisieren, dass er von den Eltern enttäuscht ist, weil sie keine Zeit mit ihm verbracht haben? Vielleicht könnte man ihn fragen, was ihn umtreibt? Dass Klauen und Spucken auf die Liste absoluter No-Gos gehören, sollte man dabei natürlich auch erwähnen, vielleicht auch mithilfe des achtjährigen Geschwisterkinds, das ihm seine Sicht aus Große-Geschwister-Augen näherbringen könnte. Zunächst aber sollten Sie ihm im Vieraugengespräch erklären, wie verletzend dieses Verhalten für Sie ist, und versuchen, seine Beweggründe zu verstehen.

Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie uns an familientrio@sz.de.

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Quelle:
SZ vom 14.12.2019
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