Familientrio:Der Andere

Silke B. aus Erlangen hat sich von einem Bekannten die Fahrkarte geliehen und will ihn zum Dank einladen. Dann erfährt sie, dass er AfD-Anhänger ist. Wie reagiert man?

Margit Auer
Schwarz weiß

Margit Auer ist die Autorin der Kinderbuch-Bestseller-Reihe "Die Schule der magischen Tiere", die inzwischen mehr als sieben Millionen Mal gedruckt und in 25 Sprachen übersetzt wurde. Sie hat drei Söhne, die fast alle schon erwachsen sind, und lebt mitten in Bayern.

(Foto: Auer)

Margit Auer:

Wie oft treffen Sie den U-Bahn-Karten-Verleiher? Begegnen Sie ihm jeden Tag, weil Ihre Kinder die gleiche Kita besuchen? Sind Sie Kollegen und laufen sich ab und zu in der Kaffeeküche über den Weg? Davon würde ich es abhängig machen, wie viel Energie Sie in die Sache stecken. Wenn es wirklich nur ein flüchtiger Bekannter ist, den Sie so gut wie nie wiedersehen werden, würde ich mich ohne große Diskussion mit einer Flasche Wein oder einem Gutschein bedanken. Wenn Sie sich regelmäßig treffen, fände ich es wichtig, einen klaren Standpunkt zu äußern. Plädieren Sie für Toleranz, fragen Sie nach, was Ihren Bekannten stört, und halten Sie dagegen. Wenn Sie ausweichen, schwebt das Thema immer unausgesprochen in der Luft, und Sie fühlen sich schlecht. Wir dürfen nicht die Augen verschließen und so tun, als gäbe es keine rechten Strömungen in unserem Land. Wann und wo Sie dieses Gespräch führen, ist Ihnen überlassen - ob im Biergarten, vor dem Kindergarten oder in der Kaffeeküche. Ein Buch über Toleranz landet vermutlich in der Papiertonne.

Familientrio: Herbert Renz-Polster ist Kinderarzt, Wissenschaftler und Autor von Erziehungsratgebern und des Blogs "Kinder verstehen". Er hat vier erwachsene Kinder und lebt mit Frau und jüngstem Kind in Ravensburg.

Herbert Renz-Polster ist Kinderarzt, Wissenschaftler und Autor von Erziehungsratgebern und des Blogs "Kinder verstehen". Er hat vier erwachsene Kinder und lebt mit Frau und jüngstem Kind in Ravensburg.

(Foto: Random House)

Herbert Renz-Polster:

Ich nehme einmal an, der entfernte Bekannte kann als Person so abstoßend nicht sein, wenn Sie ein derart persönliches Dankeschön eingeplant hatten. Zu bedenken geben will ich aus meiner eigenen Arbeit zu diesem Thema auch, dass sich die Parteizugehörigkeit nicht gut als Gradmesser für Toleranz eignet. Nach Auskunft der Forschung sind autoritäre und ausgrenzende Haltungen nämlich keineswegs ein Privileg der AfD. Sie müssten also vor jeder Einladung eine Art Gesinnungstest machen. Solche Tests wiederum sind schwierig, weil sie in das komplizierte Gefilde der Moral führen, zu dem jeder Mensch einen eigenen Zugang hat. Zu Ihrem Beispiel des U-Bahn-Karte-"Teilens": Mich würde ja brennend interessieren, warum Ihr so hilfsbereiter Bekannter ausgerechnet bei der genannten Partei hängen bleibt. Möchten Sie das nicht wissen? Rauskriegen könnten Sie es aber nur im Gespräch. Es gibt sicher langweiligere Dinge, als sich über solche Grenzen hinweg zu unterhalten. Wenn es nicht läuft, ist ein Glas Bier rasch ausgetrunken. Und ein höflicher Abschied passt dann auch gut zum Thema Toleranz.

Collien Ulmen-Fernandez

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter wohnt in Potsdam und hat den Kinderbuch- Bestseller "Lotti und Otto" und den Elternratgeber "Ich bin dann mal Mama" verfasst.

(Foto: Anatol Kotte)

Collien Ulmen-Fernandes:

Was Freizeitaktivitäten mit AfD-Leuten angeht, ist für mich Borussia Dortmund ein gutes Beispiel, die bringen nämlich Bierdeckel heraus mit der Aufschrift: "Kein Bier für Rassisten". Kann man sich im Online-Shop bestellen. Ein einfacher Satz. Ohne Abstufungen nach Art von: "Kein Bier für Rassisten, für sehr freundliche und großzügige Rassisten aber eventuell doch." Insofern finde ich Ihren Entschluss erst einmal gut. Allerdings sollte eine stolze Demokratin wie Sie auch in der Lage sein, diesen Standpunkt klar zu vertreten. Äußern Sie einfach Ihre Dankbarkeit für das Ausleihen der U-Bahn-Karte und Ihr Entsetzen über die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die den gesellschaftlichen Frieden tagein, tagaus bekämpft. Verzichten Sie auf das Toleranz-Buch. Schenken Sie Ihm ihre klare Meinung und Überzeugung. Sagt sich so leicht, aber Sie wären für mich eine echte Jeanne d'Erlangen.

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