Familientrio:Darf ich meiner Mutter das Knutschen vor ihren Enkeln verbieten?

Oma hat mit 68 Jahren einen neuen Freund. Die beiden halten Händchen und küssen sich, auch vor den Enkelkindern. Was tun? Unsere Familienexperten antworten.

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Kristiana R., Stuttgart, fragt:

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Quelle: imago/Photocase

Mein Vater ist vor ein paar Jahren gestorben. Jetzt hat meine Mutter mit 68 Jahren einen neuen Freund. Er ist 73 Jahre alt. Die beiden halten die ganze Zeit Händchen und küssen sich. Ich finde das irgendwie abstoßend. Kann ich denn von ihnen verlangen, dass sie sich zumindest vor ihren Enkeln wie normale Großeltern verhalten?

Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de.​​​

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Kirsten Fuchs

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Quelle: Stefanie Fiebrig

Das tun sie doch. Ich wünschte, mehr alte Leute würden sich wie normale Großeltern verhalten und knutschen. Wie toll: Ihre Kinder können erleben, dass man verliebt sein kann bis ins hohe Alter. So ein Geschenk! Für alle. Wenn alle solche knutschenden Großeltern hätten, wäre vielleicht die unsinnige Angst vor dem Alter nicht so groß. Und selbst wenn es Ihnen und den Kindern unangenehm ist, eigentlich müssen das Geknutsche weder Sie noch Ihre Kinder richtig toll finden, denn Ihre Mutter findet es toll. Das reicht schon. Und Sie müssen auch gar nicht gerne hinsehen. Dann sehen Sie eben weg. Irgendwann werden Ihre Kinder mit irgendwem kichern und knutschen. Und wenn Ihnen das auch zum Wegsehen ist, dann haben Sie bei Ihrer Mutter schon mal das tolerante Wegsehen geübt. Vielleicht sollten grundsätzlich alle mehr Händchen halten und knutschen. Auch Sie.

Kirsten Fuchs ist Schriftstellerin und lebt mit Tochter, Mann und Hund in Berlin. Sie schreibt vor allem Kurzgeschichten und Romane, aber auch Theaterstücke sowie Kinder- und Jugendbücher. Ihr Buch "Mädchenmeute" erhielt 2016 den Deutschen Jugendliteraturpreis.

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Jesper Juul

Jesper Juul

Quelle: Anne Kring

Warum sollten Sie? Beantworten Sie ehrlich diese Frage, dann können Sie daraus vielleicht einige schmerzhafte und zugleich wertvolle Lektionen über sich selbst, Ihre Eltern, Ihre Ehe oder sonst was lernen. Ich weiß nicht, wie alt Ihre Kinder sind. Aber irgendwann verhalten sie sich sicher genauso, wenn sie einen ersten Freund oder eine erste Freundin mit nach Hause bringen. Stellen Sie sich diese Situation vor. Würde Sie das genauso stören? Viele - wahrscheinlich sogar die Mehrheit - der erwachsenen Kinder haben ein Problem damit, sich vorzustellen, dass ihre Eltern Sex haben. Geht es Ihnen genauso? An meinen Fragen können Sie sehen, dass ich Ihre Moralvorstellungen unter die Lupe nehme und Sie auch selbst dazu ermuntern will. Wenn Sie das getan haben, schreiben Sie bitte noch mal. Dann werde ich gerne meine Gedanken mit Ihnen teilen.

Jesper Juul ist Vater, zweifacher Großvater und Familientherapeut in Dänemark. Er hat zahlreiche Erziehungsratgeber geschrieben, darunter den in 14 Sprachen übersetzten Bestseller "Dein kompetentes Kind".

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Collien Ulmen-Fernandes

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Quelle: Anatol Kotte

Verzeihen Sie, aber ich musste spontan lachen bei der Vorstellung der beiden streichelnden, knutschenden Greise und Ihrer sauertöpfischen Reaktion. Die Antwort lautet: Nein, das können und sollten Sie nicht verbieten, allein schon deshalb, weil Ihre Enkel hier einiges lernen können, wenn sie richtig hinschauen. Wie verhält man sich zärtlich gegenüber seinem Partner? Wie steht man offen und herzlich zu seiner Liebe? Wie oft sieht man gerade ältere Paare griesgrämig und sich anschweigend nebeneinander herumsitzen. Wo gibt es dafür denn noch ausreichend Role Models? Wer fasst sich denn noch öffentlich zärtlich an? Wie selten wird einem Kind vor Augen geführt, dass zwei verliebte Menschen eben so miteinander umgehen? Und wo steht eigentlich, dass "normale Großeltern" sich verhalten müssen wie desexualisierte Hüllen, die einzig und allein dafür da sind, ihren Enkeln aus Märchenbüchern vorzulesen und ihnen Toffifee mitzubringen?

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter hat mehrfach Texte zum Thema Elternsein veröffentlicht, 2014 erschien von ihr das Buch "Ich bin dann mal Mama".

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Quelle: SZ

Weitere Leserfragen und Expertenantworten finden Sie auf unserer "Familientrio"-Übersichtsseite.

© SZ.de/mane
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