Familientrio:"Darf ich meinen Kummer mit meiner Tochter teilen?"

Ein Leser wurde von seiner Freundin verlassen und leidet. Seine 12-jährige Tochter muss den Vater oft trösten. Er sorgt sich, dass das nicht gut für das Kind ist.

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Kirsten Boie

Quelle: Christian Charisius/dpa

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Machen Sie sich keine allzu großen Sorgen und schon gar keine Vorwürfe! Viele Kinder erleben, dass ihre Eltern mal verzweifelt sind, und versuchen dann sie zu trösten. Das ist menschlich und wunderbar. Kinder übernehmen quasi in dieser Situation die Rolle, die eigentlich die der Eltern wäre. Gerade bei Flüchtlingskindern ist das etwa oft ganz ausgeprägt.

Ich finde das in Ihrem Fall nicht schlimm, solange die Welt Ihrer Tochter ansonsten stabil bleibt, Sie in allen anderen Fragen als Vater für sie da sind und sie nicht insgesamt das Gefühl haben muss, auf einen Schlag erwachsen werden zu müssen.

Schwierig würde es in meinen Augen erst, wenn Sie wegen Ihres Kummers auch Alltagsaufgaben vernachlässigen und sich nicht mehr um das Leben der Tochter kümmern. Solange Ihr Alltag nicht vollkommen von Ihrem Kummer bestimmt wird, kann Ihre Tochter sicher damit umgehen!

Kirsten Boie ist Schriftstellerin und Autorin von mehr als hundert Kinder- und Jugend- büchern, darunter die allseits bekannten und geliebten Geschichten "aus dem Möwenweg" oder die Abenteuer des kleinen "Ritter Trenk".

Jesper Juul

Quelle: Anne Kring

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Egal, wie alt ein Kind ist: Es ist nichts daran falsch, sich gegenseitig zu trösten. Das ist eine wunderbare und wertvolle Erfahrung für Sie beide und wird Ihre Beziehung stärken. Aber es wird zur Last, wenn Sie nun dauernd über Ihre Hilflosigkeit sprechen und sie um Rat bitten, denn dann könnte sie sich verantwortlich für Sie fühlen.

Wenn Sie sich beide also mal miteinander ausgeweint haben, umarmen Sie Ihre Tochter und sagen: "Danke, dass du deine Tränen und Gedanken mit mir geteilt hast. Das schätze ich sehr. Aber jetzt sollte ich voranschreiten. Manchmal dauert das ein, zwei Jahre, aber dann tut es immer weniger weh."

Nur wenn Sie in eine echte Depression schlittern sollten, brauchen Sie professionelle Hilfe - ob alleine oder mit Ihrer Tochter, je nachdem, was sich richtig anfühlt. Meiner Erfahrung nach ist es am besten, wenn das Elternteil sich alleine Hilfe holt, denn schon das wird dafür sorgen, dass das Kind mit dem Verlust selbst klarkommt. Das könnte auch zeigen, dass es ihr selbst gar nicht so schlecht ging und sie nur versucht hat, sie zu unterstützen.

Jesper Juul ist Familientherapeut in Dänemark und Autor zahlreicher internatio- naler Bestseller zum Thema Erziehung und Familie.

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Quelle: Anatol Kotte

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Mein Beileid! Ich tröste gerne mit. Ich weiß nicht, wie viele Tage oder Wochen seitdem vergangen sind, aber das hört sich noch sehr frisch an. Bevor Sie die ersten Tränen getrocknet haben, sollten Sie sich keine Gedanken darüber machen müssen, wer Sie trösten darf und wer nicht, und ob Sie Alkohol, Schokolade, Kajak-Ausflüge oder eine Seal-CD brauchen, um über diese ekelhafte Phase der Trauer hinwegzukommen.

Wenn Ihre Tochter Ihnen dabei hilft, nehmen Sie diese Hilfe in Anspruch. Es scheint ihr nichts auszumachen, und ich sehe auch keinen kosmischen Grund, warum Kinder ihre Eltern nicht trösten dürfen, wenn die mal hilflos sind. Man muss ja keine Strichliste darüber führen, wer wen wann einmal öfter getröstet hat. Manche Menschen können sich selbst am besten dadurch trösten, dass sie sich um einen anderen Menschen kümmern.

Ich bin mir außerdem ziemlich sicher, dass es Ihnen bald besser geht und Sie durch die gemeinsame Bewältigung der Krise noch enger mit ihrer Tochter verbunden sein werden, als es jetzt schon der Fall ist.

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter hat mehrfach Texte zum Thema Elternsein veröffentlicht, 2014 erschien von ihr das Buch "Ich bin dann mal Mama".

© SZ.de/vs
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