Familientrio:Darf ich meinem Sohn verbieten, Bettlern Geld zu geben?

Der Fünfjährige bleibt ständig bei um Geld bittenden Menschen stehen, seine Mutter findet das unangenehm. Was kann sie ihm sagen? Unsere Familienexperten antworten.

4 Bilder

Bettler in Stuttgart

Quelle: picture alliance / Lino Mirgeler

1 / 4

Mein fünfjähriger Sohn bleibt ständig bei Bettlern stehen und will ihnen Geld geben. Ich mag das nicht. Mir ist das unangenehm, und es hält uns auf. Aber was kann ich ihm sagen? Mia R., München

Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de.

Kirsten Fuchs

Quelle: Stefanie Fiebrig

2 / 4

Am besten sagen Sie: "Hör sofort auf, dich für arme Mitmenschen zu interessieren. Siehst du nicht? Er ist arm. Er ist gar nicht wie wir. Bestimmt hatte er alle Chancen. Richtig, er war ein Prinz, aber er hat alles verspielt. In der Schule hat er nur Mist gemacht, hat gekippelt, ist auf den Kopf gefallen und dann war er dumm. Das Erbe hat er versoffen, das Schloss angezündet. Wirklich, man sollte ihm nicht helfen. Wenn du anderen hilfst, wirst du wie die. Und dann, wenn du Pech hast, wird dir dann niemand helfen. Weil du an deiner Lage schuld bist. Und wer schuld hat, dem darf man nie wieder helfen. Außerdem kauft er sich damit nur Trost, und er soll sich keinen Trost kaufen, den wir nicht gut finden. Sei nicht traurig, zum Trost kauf ich dir ein..." Das könnten Sie sagen. Oder eben etwas anderes, z.B. "Schatz, nur drei Bettler am Tag, ja?" oder "Wenn du jetzt bei dem nicht stehen bleibst, darfst du bei einem Saubereren wieder stehen bleiben." Oder: "Bitte nur nachmittags bei Bettlern stehen bleiben, wenn wir es nicht eilig haben." Könnten Sie vielleicht auf drei Lieblingsbettler reduzieren? Die man dann besucht und etwas besser kennt? Ich würde ihm dieses abgefahrenen Hobby lassen. Ich find's gut! Vollends! Vielleicht wird er später etwas Soziales arbeiten, und das ist super!

Kirsten Fuchs ist Schriftstellerin und lebt mit Tochter, Mann und Hund in Berlin. Sie schreibt vor allem Kurzgeschichten und Romane, aber auch Theaterstücke sowie Kinder- und Jugendbücher. Ihr Buch "Mädchenmeute" erhielt 2016 den Deutschen Jugendliteraturpreis.

-

Quelle: Anne Kring

3 / 4

Wie wäre es mit der Wahrheit? "In unserer Familie geben wir Bettlern kein Geld. Wir finden andere Wege, die Armen zu unterstützen." Auf diese Art kritisieren Sie niemanden, sondern lenken das Thema auf eines Ihrer Familienwerte. Wenn Sie das erklärt haben, umarmen Sie ihn und sagen Sie: "Ich bewundere trotzdem deine Empathie für diesen Mann."

Jesper Juul ist Vater, zweifacher Großvater und Familientherapeut in Dänemark. Er hat zahlreiche Erziehungsratgeber geschrieben, darunter den in 14 Sprachen übersetzten Bestseller "Dein kompetentes Kind".

Collien Ulmen-Fernandez

Quelle: Anatol Kotte

4 / 4

Stellen wir die Positionen mal gegenüber: Ihr Fünfjähriger, naiver, von ethischen Grundsätzen geleiteter Sohn hält bei Bettlern, unangesehen der Herkunft, des Alters und der körperlichen Verfassung, um ihnen zu helfen. Sie, als informierte und erwachsene Person dagegen prüfen wahrscheinlich, ob der Bettler mit ehrbaren Motiven in der Gosse sitzt, ob er wirklich hilfsbedürftig ist, oder ob er gar einem professionellen Bettler-Ring angehört. In diesem Falle stehen Sie auf der Seite der Polizei, die das empfiehlt, ihr Sohn allerdings hat alle großen monotheistischen Weltreligionen auf seiner Seite. Seine, so nicht artikulierte, sicher aber empfundene Haltung lautet: Jedes Leid, das ich sehe, möchte ich lindern. Er entspricht damit dem christlichen Gebot der Nächstenliebe. Ich denke und handle zwar so wie Sie, aus pragmatischen Gründen, und weil ich die Bettel-Mafia verachte. Ich fürchte aber, wir sind der puren Empathie ihres Sohnes im nach einem ethischen Maßstab hoffnungslos unterlegen. Denn dass er auf einen Leidenden zugeht, zeichnet ihn als Menschen aus; dass er dabei keinen Unterschied macht, ehrt ihn zusätzlich, geht es ihm doch nicht um eine Sympathiebekundung, sondern um einen Hilfsakt. Wer sich auf die dreckigen Stufen vor der Sparkasse setzt und die Menschen von unten anfleht, der leidet per se - egal, ob er Mitglied einer professionellen Organisation ist oder nicht. Ich kann Ihnen - nein, uns beiden - nur raten, öfter auf ihren Sohn zu hören. Auch wenn sich der Bettler vom gespendeten Euro vermutlich nur ne Flasche Sternburg Bier kauft. Ihr Sohn hat recht. Allen sollte geholfen werden. Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr von seiner Ideologie.

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter hat mehrfach Texte zum Thema Elternsein veröffentlicht, 2014 erschien von ihr das Buch "Ich bin dann mal Mama".

© SZ vom 18.11.2017/ick
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: