Familienplanung:Thermometer statt Hormone

Natürliche Verhütung kann ebenso sicher sein wie die Pille oder die Spirale. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Ärzteteam unter Leitung einer Heidelberger Ärztin.

Anke Fossgreen

Natürliche Verhütung kann ebenso sicher sein wie die Pille oder die Spirale. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Ärzteteam unter Leitung von Petra Frank-Herrmann von der Universität Heidelberg. Die Gynäkologen haben Daten von 900 Frauen ausgewertet, die mindestens ein Jahr an einer entsprechenden Studie teilgenommen haben (Human Reproduction, Online-Ausgabe).

Die Frauen lernten, ihre fruchtbaren Tage mit Hilfe von Temperaturmessungen und Schleimbeobachtungen zu erkennen. "Bei dieser sogenannten symptothermalen Methode (STM) beobachten die Frauen also zwei Parameter, die sich gegenseitig absichern", erklärt Frank-Herrmann. Die Körpertemperatur sei eine Messgröße, um die fruchtbaren Tage einer Frau vorherzusagen.

Die sogenannte Billings-Methode, die auf der Beobachtung des Zervixschleims beruht, gilt als unsicherer. Der australische Neurologe John Billings hat in den 1950er Jahren festgestellt, dass der Zervixschleim einer Frau während der unfruchtbaren Phase dickflüssig ist. Je näher der Eisprung rückt, umso flüssiger und klarer wird er. Während die Temperaturmessmethode oder die Beobachtung des Zervixschleims alleine als zu unsicher gelten, schnitten beide Parameter in Kombination, also die STM, sehr gut ab.

Konsequent enthaltsam

Nach 13 Zyklen wurden - statistisch berechnet - 1,8 von 100 Frauen ungewollt schwanger. Verzichteten die Teilnehmerinnen konsequent während ihrer fruchtbaren Tage auf Geschlechtsverkehr oder benutzten ihre Partner während dieser Zeit ein Kondom, so lag die Rate der ungewollten Schwangerschaften nur noch bei 0,6 pro 100 Frauen.

Zum Vergleich: Die Versagerquote bei der Pille liegt bei 0,1 bis 0,8 Schwangerschaften pro 100 Frauen - auch diese Zahlen beziehen sich auf eine korrekte Einnahme des Hormonpräparats. ,,Man spricht von einer hoch sicheren Verhütungsmethode, wenn der Wert ungewollter Schwangerschaften pro 100 Frauen unter 1 liegt'', so Frank-Herrmann. Die symptothermale Methode gehört demnach dazu.

Den Gynäkologen Christian Thaler vom Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität in München-Großhadern verwundern diese Ergebnisse nicht: "Die symptothermale Methode galt schon zuvor als sehr sicher", erklärt der Leiter der Sprechstunde für Familienplanung und Kinderwunsch. Jetzt sei diese Methode jedoch sehr wissenschaftlich und transparent untersucht worden. Doch warum haftet den natürlichen Verhütungsmethoden an, unzuverlässig zu sein?

"Früher sind zum Beispiel Temperaturmessungen gescheitert, weil sie zu starr angewendet werden sollten und die Frauen sich dann nicht daran gehalten haben", sagt Frank-Herrmann. "Der Nachteil an der natürlichen Verhütungsmethode ist sicherlich, dass sie gelernt werden muss." Die Studienteilnehmerinnen, die zwischen 19 und 46 Jahre alt waren, hatten zuvor keine Erfahrung mit der STM.

"Sie verwendeten sie aber bereits in der Lernphase richtig", betont Frank-Herrmann. Heute könne die Temperaturmessung flexibler und dennoch präziser gehandhabt werden. Man brauche nicht jeden Wert, um die fruchtbaren Tage zu bestimmen, so Frank-Herrmann. "Und nach dem Eisprung muss eine Frau nicht mehr die Temperatur messen bis zum nächsten Zyklus."

Nichts für spontane Paare

Dennoch gibt Thaler zu bedenken, dass sich diese Methode nicht für "spontane und lustbetonte Menschen" eigne, schließlich seien in den fruchtbaren Tagen Enthaltsamkeit oder zusätzliche Verhütungsmittel wie das Kondom nötig. Zudem seien in der Studie nur Frauen mit einem stabilen Zyklus aufgenommen worden, das heißt einer Zykluslänge von durchschnittlich 22 bis 35 Tagen.

Neun Prozent der Teilnehmerinnen haben die Studie vorzeitig abgebrochen, etwa weil sie mit der Methode nicht zufrieden waren, sich für andere Verhütungsmittel entschieden oder sich ein Kind wünschten. Das seien keine beunruhigend hohen Abbruchraten, sagt Thaler. Die Zahlen seien vergleichbar zu Studien mit der Pille oder der Spirale.

Zwar hält auch Martin Sillem, Frauenarzt am Kreiskrankenhaus Emmendingen, die Daten von Frank-Herrman für gut. Er hat untersucht, wie verträglich die Pille ist, wenn sie über mehrere Monate ohne Pause eingenommen wird. Sillem meint, die Frauen würden die symptothermale Methode nicht zur ersten Wahl erheben.

Die Pille sei bequem, sehr sicher, und habe erwünschte Nebenwirkungen auf die Haut und auf Zyklusprobleme. Gynäkologen sollten auch die natürliche Verhütungsmethode anbieten, weil sie die wenigsten Risiken und Nebenwirkungen habe, sagt Frank-Herrmann. Für Paare, bei denen die Frau keine Hormone nehmen will oder sie nicht verträgt und bei denen der Mann Kondome nicht mag, sei die Palette der Verhütungsmittel nicht sehr groß.

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