Familien-Newsletter:Soll man Kinder zwingen, sich zu entschuldigen?

Familien-Newsletter: So sorry!

So sorry!

(Foto: Laura Gronau via www.imago-images.de/imago images/Shotshop)

Hände schütteln, sorry sagen, alles wieder gut? So leicht machen es sich Eltern und Erzieher manchmal. So einfach es aber selten.

Von Barbara Vorsamer

Dieser Text stammt aus dem Familien-Newsletter der Süddeutschen Zeitung, der jeden Freitag verschickt wird. Hier können Sie ihn abonnieren.

Liebe Leserin, lieber Leser,

manchmal sitze ich mit meinem Mann im Wohnzimmer und wir hören unsere Kinder spielen. Erst nur Geplapper und Gelächter. Dann "nein", "doch", "hey, wieso?", "nein, du!?!". Es wird immer lauter. Oft sagt dann einer von uns so was wie: "In dreißig Sekunden knallt es." Meistens haben wir recht. Wir hören es heulen und schreien und dann kommt eines unserer Kinder angerannt und ruft: "Der hat mich ... (gehauen, gezwickt, mir das XYZ kaputt gemacht - suchen Sie sich an dieser Stelle einfach etwas aus, was Sie von Ihren eigenen Kindern gut kennen)."

Was tut man da?

Wenn wir - wie in dieser Szene - den Streit wenigstens akustisch mitbekommen haben, wissen wir ein bisschen, worum es möglicherweise ging und wer wann was gesagt oder gemacht hat. Es kommt aber auch oft genug vor, dass ein Kind nach einem elterlichen Schiedsrichter verlangt und man als Erwachsener einfach gar nicht nachvollziehen kann, was da jetzt passiert ist. Da sitzt man dann zwischen den beiden Kontrahenten, alle heulen und schreien "aber die hat" und "aber der hat zuerst" und man möchte eine schnelle Lösung. Und sagt so was wie: "Jetzt entschuldigst du dich bei M., dass du in ihrem Zimmer warst, obwohl sie dich dreimal rausgeschickt hat. Und M., du entschuldigst dich bei J., dass du ihn so fest gezwickt hast. Denn das geht nicht, auch dann nicht, wenn er in deinem Zimmer ist."

Ob das eine sinnvolle Vorgehensweise ist, fragt sich mein Kollege Georg Cadeggianini am Samstag in der Süddeutschen Zeitung. Hier können Sie den Text jetzt schon lesen. Frustrierenderweise für mich und viele Eltern und Erzieher kommt er zum Ergebnis: Eine Entschuldigung zu erzwingen, ist sinnlos.

An sich ist es aber für das menschliche Zusammenleben unabdingbar, sich gegenseitig gelegentlich zu sagen, wenn einem etwas leidtut und ebenso, diese Entschuldigungen offen anzuhören und gegebenenfalls anzunehmen. Cadeggianini schreibt, dass wir die Superkraft des Entschuldigens einerseits überschätzen, wenn wir glauben, dass ein schnelles Sorry tatsächlich irgendein Problem löst. Und dass wir sie andererseits enorm unterschätzen, wenn wir es auf diese Weise zu einem lästigen Pflichtprogramm verkommen lassen.

Wie man die Macht der Entschuldigung in der Erziehung richtig nutzt, wie wichtig dabei das Vorbild der Erwachsenen ist und was man als Eltern tun kann, wenn das eigene Kind dem anderen die Schaufel auf den Kopf gehauen hat und nun partout nicht "Tut mir leid" sagen will: All das steht in diesem Text und ich empfehle ihn sehr.

Für mich war die Lektüre mal wieder eine Erinnerung, dass es in Beziehungen eben selten eine einfache, schnelle One-size-fits-all-Lösung gibt, nach der sich gestresste Eltern so sehr sehnen. Wir möchten das Gitarreüben mit einem Stickerplan erzwingen, das Kind mithilfe von Wenn-dann-Sätzen zur Kooperation bringen und Konflikte mit einem fixen Händeschütteln aus der Welt schaffen.

Beziehungen brauchen aber Zeit. Manchmal brauchen sie sogar nur das. Denn was ich von meinen Kindern auch kenne: Während ich noch darüber nachdenke, wer nun der größere Übeltäter war, sind sie schon längst beim übernächsten Spiel und haben ihre Fehde vergessen. Eine gestenreiche Entschuldigung für irgendwas? Unnötig.

Ein konfliktfreies Wochenende wünscht Ihnen

Barbara Vorsamer

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