Familien-Newsletter:Wie bekommen Kinder Lust aufs Lesen?

Grundschüler in Deutschland können immer schlechter lesen. Kein Wunder, bei den handlungsarmen, biederen Schulbüchern.

Von Lilith Volkert

Dieser Text stammt aus dem Familien-Newsletter der Süddeutschen Zeitung, der jeden Freitagabend verschickt wird. Hier können Sie ihn abonnieren.

Liebe Leserin, lieber Leser,

was lesen Ihre Kinder gerade so?

Meine siebenjährige Tochter lernt die Kulturtechnik des Buchstabenerkennens gerade erst so richtig und soll das mithilfe von Ben tun. Der ist allerdings dermaßen langweilig, dass ich mir die Haare raufen möchte. In ihrem Lesebuch säubert und sortiert der Junge auf zwei Seiten Muscheln und Steine, die er am Strand gefunden hat. Dass mein Kind auf diesen faden Text keine Lust hatte, konnte ich gut verstehen. Ben ist schuld, dachte ich in diesem Moment. Schuld daran, dass meine Tochter sich nicht fürs Lesen begeistern kann.

Grundschüler in Deutschland können immer schlechter lesen. Das hat erst vergangene Woche wieder die Iglu-Studie gezeigt, über die ich hier berichte. 25 Prozent der Viertklässler tun sich schwer damit, den Sinn von längeren Texten zu erfassen. Das ist erschreckend, aber nicht neu. Die Bildungsforscherin Nele McElvany und ihr Team von der TU Dortmund haben sich aber auch angeschaut, was gelesen wird und dabei festgestellt: Die Klassenlektüren sind relativ kurz, durchschnittlich über 20 Jahre alt und decken sich kaum mit den Vorlieben der Kinder. Wie die Geschichte von Ben eben.

Derart handlungsarme, biedere Texte, deren Inhalt weit von der Lebenswelt der Schüler entfernt ist, sind die große Mühe nicht wert, die das Entziffern von Wortfolgen viele Leseanfänger kostet. Das macht es unnötig schwer. "Wenn ein Kind lesen lernt und sich zum ersten Mal durch ein Kapitel arbeitet, muss es belohnt werden", sagte die erfolgreiche Kinderbuchautorin Margit Auer neulich im Gespräch mit meiner Kollegin Kathleen Hildebrand - das gehe am besten mit Humor und Spannung. Auer muss es wissen, sie hat die Bestseller-Reihe "Die Schule der magischen Tiere" verfasst. Das ganze Interview lesen Sie hier mit SZ Plus.

Langweilige Schulbücher sind natürlich nicht alleine schuld an der dramatischen Entwicklung - aber Lust aufs Lesen machen sie eben auch nicht. Einmal mehr sind die Kinder im Vorteil, deren Eltern ausreichend Zeit und Sprachkenntnisse haben, um ihnen außerhalb der Schule spannenderen Stoff anzubieten. Da ist es schön zu hören, wie jemand seine Angst vor Buchstaben überwunden hat. Der britische Starkoch Jamie Oliver hatte mit Legasthenie zu kämpfen, er hasste gedruckte Wörter - inzwischen ist er selbst Autor eines Kinderbuchs.

Und wie ist es mit Ihnen, lesen Sie gerne? Dann möchte ich Ihnen den Roman "Unser Deutschlandmärchen" von Dinçer Güçyeter ans Herz legen. Der Autor erzählt darin unter anderem von einem Jungen, der zum Entsetzen seiner Eltern gerne liest. Vor kurzem hat Güçyeter damit den Preis der Leipziger Buchmesse gewonnen - zu Recht, finde ich.

Ein schönes Wochenende mit viel Zeit zum Lesen wünscht

Lilith Volkert

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