Dieser Text stammt aus dem Familien-Newsletter der Süddeutschen Zeitung, der jeden Freitagabend verschickt wird. Hier können Sie ihn abonnieren.
Liebe Leserin, lieber Leser,
was würden Sie raten, wie viele Windeln braucht ein Kind, bis es trocken ist? Die Zahl, auf die man immer wieder stößt: 5000 bis 6000 Stück. Irre viel, finde ich, vollgesogene weiße Müllberge entstehen vor dem geistigen Auge.
Schon vor meiner Schwangerschaft hatte ich mich mit Nachhaltigkeit beschäftigt, deswegen war schnell klar, dass wir das auch probieren würden. Wir buchten eine Windelberatung, lernten das zugehörige Vokabular und wickelten fortan froh mit unseren Prefolds, Mullwindeln, Überhosen, Höschenwindeln und Snappis. Alle drei, vier Tage wuschen wir 60-Grad-Wäschen, was mir weniger anstrengend vorkam als das ständige Gerenne zum Drogeriemarkt.
Kurz: Wir wurden zu einer zufriedenen Stoffwindelfamilie. Bis wir merkten, dass wir damit ziemliche Exoten sind. Von den Eltern, die wir aus dem Geburtsvorbereitungs- und Babyspielkurs kannten, wickelte kaum jemand mit Stoff. Die Freunde, die nach uns Babys bekamen, auch nicht. Und in der Kita mussten wir erst mal erklären, dass wir selbstverständlich nicht erwarten, dass die Erzieherinnen die Windeln selbst waschen.
Meine Kollegin Barbara Vorsamer hat schon vor Jahren einen Selbstversuch gemacht und in diesem Artikel alles beschrieben, was man zum Stoffwindel-Einstieg wissen muss. Der Text ist von 2016, sie sagt, damals seien Stoffwindeln nur was für Extrem-Ökos gewesen. Nach meiner Erfahrung der vergangenen zwei Jahre habe ich allerdings den Verdacht, das könnte immer noch gelten. Bin ich also, hoppla, ein Extrem-Öko?
Nicht, dass ich damit ein Problem hätte. Nur: Warum sind Stoffwindeln nicht längst wieder die Norm, die sie bis vor ein paar Jahrzehnten ohnehin waren? Alle reden von der Klimakrise und vom Plastik in den Weltmeeren. Aber beim Wickeln scheint es aufzuhören.
Warum? Verraten Sie es mir doch gern. Und wenn Sie mir nun schreiben möchten, dass Sie längst windelfrei praktizieren und für Ihr Kind überall einen Abhalte-Eimer dabeihaben: auch gern. Aber womöglich halte ich Sie dann für einen Extrem-Öko.
Ein schönes Wochenende wünscht
Elisa Britzelmeier