Familien:Das Scheitern der Väter

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"Verzweifelt auf der Suche nach Leitbildern": Männer wollen sich in der Familie engagieren, doch meist genügen sie ihren Ansprüchen nicht.

Tina Baier

Den "Softie" mit Säugling im Tragetuch und Spucktuch über der Schulter, der ganz in der Betreuung seiner Kinder aufgeht, findet niemand mehr attraktiv. Männer nicht und Frauen schon gar nicht. Die meisten jungen Männer wollen aber auch nicht mehr der klassische Familienernährer sein, der als Vater praktisch nicht existiert. "Die jungen Männer sind ziemlich verzweifelt auf der Suche nach Leitbildern", sagte Karin Jurczyk vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) auf der wissenschaftlichen Fachtagung "Doing Family" diese Woche in Berlin. "In unserer Gesellschaft gibt es kein positives Bild von Männlichkeit, das Väterlichkeit mit einschließt."

Von wegen Vater und Sohn unter sich: In 92 Prozent der Zeit, die Väter mit ihren Kindern verbringen, sind die Mütter dabei. (Foto: Foto: iStockphotos)

Claudia Zerle vom DJI hat 1800 kinderlose junge Männer gefragt, wie sie sich ihre spätere Rolle als Vater vorstellen. Demnach wollen 96,1 Prozent "der Familie ein Heim bieten" und 94,9 Prozent "den Lebensunterhalt für die Familie verdienen". Zugleich versprachen 96,8 Prozent der Befragten, "sich Zeit zu nehmen für das Kind" und 81,4 Prozent, "das Kind zu betreuen und zu beaufsichtigen".

In der Realität tut sich dann meist mit der Geburt des ersten Kindes eine große Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit auf: Nach einer Untersuchung des Bundesfamilienministeriums nimmt die Zeit, die Männer in der Arbeit verbringen, nach der Geburt von Kindern sogar zu: 56 Prozent der befragten Männer ohne Kind gaben an, mehr als 36 Stunden pro Woche zu arbeiten; bei Vätern mit einem Kind waren es 75 Prozent und bei Vätern mit zwei Kindern sogar 82 Prozent.

Väter in Familien mit zwei Kindern, in denen auch die Mutter arbeitet, beteiligen sich weniger am Haushalt als Männer in Double-Income-No-Kids-Partnerschaften. Immerhin ist das Engagement von Vätern im Haushalt am größten, wenn auch die Frauen Vollzeit arbeiten. Ob Frauen Teilzeit arbeiten oder überhaupt nicht, hat dagegen keinerlei Einfluss auf die Hausarbeit der Männer.

Von wegen Gleichberechtigung

Auffällig ist, dass gerade Männer, die vor der Geburt des ersten Kindes für Gleichberechtigung in der Partnerschaft eintreten, sich später sogar weniger an Erziehung und Haushalt beteiligen als Männer, die sich an einem traditionellen Familienbild orientieren. Fabienne Becker-Stoll vom Staatsinstitut für Frühpädagogik in München glaubt, dass dies auch an den Frauen liegt. Nach ihrer Erfahrung wünschen sich vor allem Paare aus der gut ausgebildeten Mittelschicht eine gleichberechtigte Partnerschaft. Wenn das erste Kind kommt, lasse sich jedoch immer wieder dasselbe Muster beobachten: Die zuvor beruflich sehr engagierte Mutter stürzt sich mit demselben Elan auf ihr "neues Projekt Kind". Dem Vater bleibt oft kaum Raum, sich zu beteiligen.

Gleichzeitig fühlen sich solche Frauen mit dem ersten Kind sehr belastet, da sie enorme Ansprüche an sich als Mutter haben, aber - anders als im Berufsleben - noch über keiner Kompetenz auf diesem Gebiet verfügen. Das führt zu Stress und Problemen in der Partnerschaft; der Mann zieht sich in die Arbeit zurück, was sich auch ökonomisch gut rechtfertigen lässt, da bei Paaren, bei denen die Frau eine gut bezahlte Stelle hatte, tatsächlich ein großer Teil des Familieneinkommen wegfällt.

Väter selbst nehmen zumindest ihr Engagement für die Kinder ganz anders wahr: In einer Studie mit deutschen Vätern aus dem Jahr 2008 gaben 91,9 Prozent an "oft" oder "sehr oft" mit ihren Kindern zu spielen. 61,8 Prozent betreuen in ihrer eigenen Wahrnehmung ihre Kinder "oft" oder "sehr oft" oder beaufsichtigen sie bei den Hausaufgaben. Allerdings scheinen Väter in vielen Familien als eine Art Juniorpartner der Mutter zu fungieren: In 92 Prozent der Zeit, die sie mit ihren Kindern verbringen, sind nämlich auch die Mütter anwesend.

Papa spielt alleine weiter

Dass Väter wichtig sind für die Entwicklung ihrer Kinder, haben viele Studien nachgewiesen. In der Bielefelder Längsschnittstudie beispielsweise bekamen Väter eine Packung Knete in die Hand gedrückt und wurden dann bei dem Versuch gefilmt, zusammen mit ihren zweijährigen Kindern etwas daraus zu basteln. Die Unterschiede waren enorm: Einige Väter meisterten die Aufgabe gekonnt. Bei anderen verdrückte sich das Kind innerhalb kürzester Zeit zu Mama in die Küche, während Papa im Wohnzimmer allein konzentriert mit der Knete spielte.

"Kinder mit feinfühligen Vätern, die es schafften, dass das Zweijährige bei der Aufgabe blieb und auch noch ein Erfolgserlebnis hatte, konnten später besser mit neuen Situationen umgehen und kamen als junge Erwachsene in eigenen Partnerschaften besser zurecht", sagte Fabienne Becker-Stoll auf der Berliner Fachtagung.

Damit sich Männer in Zukunft mehr als Väter engagieren können, muss sich die Arbeitswelt noch weiter verändern, glaubt Karin Jurczyk. Auch Männer müssten als Menschen mit Sorgeverpflichtungen betrachtet werden. Derzeit herrsche in den meisten Unternehmen noch eine Anwesenheitskultur: Nur wer lange da ist, gilt als wichtig - unabhängig von der Leistung.

Nach Ansicht von Hans Bertram von der Philosophischen Fakultät der Berliner Humboldt-Universität wird sich in Zukunft die eigentliche Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr zwischen Männern und Frauen abspielen, sondern zwischen Menschen, die hochflexibel den Anforderung der globalisierten Arbeitswelt entsprechen, weil sie keine Verpflichtungen haben und Menschen mit Fürsorgepflichten, sei es für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige.

© SZ vom 7.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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