Familie und Partnerschaft:Macht mal

Undergarments scattered around

Raus aus den Klamotten, aufgeräumt wird hinterher. Der Quickie hilft, Erwartungen zu dämpfen, ohne die Ansprüche aufzugeben.

(Foto: Paul Linse/Corbis)

Der Quickie hat einen schlechten Ruf. Dabei kann er Paaren im Alltagstrott und Familienchaos dabei helfen, endlich wieder Spaß beim Sex zu haben, ohne sich und dem Partner unnötig Druck zu machen.

Von Daniel Lorenz

Am Donnerstagabend ging es nicht, da hatte die kleine Mia Fieber, die Tür zum Kinderzimmer der Fünfjährigen musste offen bleiben, man weiß ja nie, wann der nächste Noteinsatz fällig ist. Am Freitag waren beide erschöpft von der Woche, sie schafften es gerade noch bis zum "Heute-Journal", dann dämmerten sie weg. Am späten Samstagabend hätte Ralf prinzipiell schon Lust gehabt, aber es war ein langer Abend bei Freunden gewesen, mit etwas zu viel französischem Rotwein, und Sophie wollte nur noch eines: sich zur Seite drehen. Und der Sonntag? Tja, "Tatort"-Abend, dann ein wenig kuscheln auf dem Sofa, ein Hoffnungsschimmer - doch dann platzte Mia ins Schlafzimmer hinein, sie hatte so schrecklich Durst, und anschließend schaute Ralf doch lieber bis kurz vor Mitternacht in sein Tablet und Sophie in den neuen Martin-Suter-Roman . . .

Schon kompliziert, den richtigen Zeitpunkt zu finden. Vor allem dann, wenn man schon lange zusammen ist. Aber irgendwann muss er doch wieder kommen, der magische Moment, in dem es keine Ausreden mehr gibt; der Moment, wo alles plötzlich wieder ist wie ganz am Anfang, in der erotischen Erkundungsphase, als aus Küssen immer mehr wurde. Die Sehnsucht danach ist immer noch da, viele Paare haben nach jahrelanger Routine allerdings vergessen, wie das geht: sich gegenseitig zu verführen, ohne dass es eine müde Pflichtveranstaltung wird - schließlich ist ja nichts schlimmer, als gar kein Sexleben mehr vorweisen zu können, wo es doch andere Paare statistisch gesehen mindestens zwei Mal die Woche machen, neuerdings sogar die turbodynamischen Golden Ager, die angeblich eine Sexfrequenz vorweisen können wie Jack Nicholson zu seinen besten Zeiten.

Lieber schnell als gar nicht: Es hat keinen Sinn, nur auf Sex zu warten oder sich und seinem Partner unnötig Druck zu machen

Für alle, die in einer ähnlichen Situation wie Sophie und Ralf sind: Es hat keinen Sinn, immer nur zu warten. Wenig zielführend ist es auch, sich gegenseitig mit übersteigerten Erwartungen und romantischen Idealvorstellungen noch mehr Druck zu machen: Ja, so ein Wochenende im Vier-Sterne-Hotel in den österreichischen Bergen, ganz allein in trauter Zweisamkeit, wäre mal wieder ganz schön, um das Liebesleben anzukurbeln, um sich nach mehrstündiger Wellness-Behandlung, einem Paar-Dinner bei Kerzenschein und einer Flasche Champagner in der Suite endlich in die Kissen zu werfen, falls man dann bei so viel eifriger Vorbereitung überhaupt noch so etwas wie Verlangen spürt.

Viel besser ist: einfach mal machen. So wie Ralf und Sophie, neuerdings. Am Montagabend, wenn Mia nach dem Kinderballett besonders müde ist, schließen sie die Schlafzimmertür ab. Und los geht's, nach ein paar Küssen, ein paar Griffen: raus aus dem Alltagstrott, raus aus der verfluchten Routine, raus aus den Kleidern. Zur Sache, Schätzchen: Ein Quickie ist garantiert besser als gar kein Sex.

Natürlich kann man an dieser Stelle den Kopf schütteln und fragen: Wenn das so einfach wäre, dann könnte man sich all die paartherapeutischen Sitzungen, die Aufklärungsbücher für Erwachsene und auch die Fesselspiele à la "Fifty Shades of Grey" sparen, mit denen Paare heute angeblich wieder auf Touren kommen können. Nichts gegen Paartherapie, Aufklärungsbücher und Softporno-Accessoires aus der Zauberkiste, aber wahr ist eben auch: Wer nach einer längeren Pause wieder Sex haben will, muss sich erst mal dazu aufraffen. Beim Joggen und beim Yoga klappt das ja vielleicht auch ganz gut, da gibt es Trainingszeiten, feste Termine - nur beim Sex fällt das schwer, da muss es ja immer ganz spontan und wahnsinnig originell zugehen.

Alles Unsinn: spontaner, von unbändigen Leidenschaften getriebener Sex kann mal vorkommen, aber es ist die Ausnahme in einer langjährigen Partnerschaft.

Vielleicht helfen ja ein paar Regeln, ohne dass die Sache gleich wieder zu einer Wissenschaft wird. Wer seinen Partner (zurück-)erobern will, muss ihn auch im Alltag für sich einnehmen, mit kleinen Zärtlichkeiten, mit Gesten der Aufmerksamkeit, mit Gesprächen: Werbung durch Wahrnehmung. Wenn das der Fall ist, fällt es auch nicht mehr so schwer, sich im Bett zu verabreden, gerne auch mal auf die Schnelle, so wie das die Mutter aller Sexualtherapeutinnen, die große Ruth Westheimer, in ihrer millionenfach verkauften Anleitung "Sex für Dummies" eindringlich empfiehlt.

Nun hat besonders der Quickie ja keinen allzu guten Ruf. Einerseits wird er mit den eher unbefriedigenden Leistungen aufgeregter Amateur-Liebhaber in Verbindung gebracht, andererseits mit lustig gemeinten Sexkolumnen, wie man sie in Zeitschriften wie Men's Health oder Cosmopolitan lesen kann: Dort gilt der Quickie als Sportveranstaltung, am besten mit sagenhaft langbeinigen Pirelli-Models als Sparringspartnerinnen oder dem fabelhaften Mr. Big als Idealmann. Träumt weiter, Jungs und Mädels, kann man den Experten nur zurufen, die weiter ihre 111 Stellungen anpreisen und Frauen in Blowjob-Maschinen verwandeln wollen. Der Quickie als Lachnummer - so wie in der Neunzigerjahre-Komödie "Der bewegte Mann" mit Til Schweiger als Rammbock: Genau darum geht es nicht.

Es geht darum, dass sich Paare, die ein wenig aus der Übung sind, locker machen. Wobei man darüber streiten kann, welche Dauer ein Quickie haben muss. Die Länge eines stimulierenden Lieds sollte man in jedem Fall erreichen. Lily Allen braucht für ihren Song "Not Fair" dreieinhalb Minuten, Pharrell Williams für "Happy" ein paar Sekunden länger, aber es gibt ja auch eine extended version. Oder die Repeat-Taste. Je länger, desto besser - bei einigen Paaren mag das stimmen. Dass Ausdauer im Bett automatisch mit Lustgewinn und tollen Orgasmen verbunden ist, haben Wissenschaftler aber widerlegt. Ralf und Sophie haben jetzt wieder mehr Sex. Weil sie ihre Erwartungen gedämpft haben, ohne ihre Ansprüche aufzugeben. Und weil sie wissen: Man muss jede Minute genießen.

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