Süddeutsche Zeitung

Familie:Faust machen und Durchatmen: Geschwisterstreit deeskalieren

Darmstadt (dpa/tmn) - Geschrei und knallende Türen. Ganz normal in Kinderzimmern. Doch es kann ganz schön nerven, wenn Jugendliche sich ständig mit ihren Geschwistern zoffen, wütend sind und sich beschimpfen. Dabei helfen einfache Tricks, Streit schnell zu beenden.

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Darmstadt (dpa/tmn) - Geschrei und knallende Türen. Ganz normal in Kinderzimmern. Doch es kann ganz schön nerven, wenn Jugendliche sich ständig mit ihren Geschwistern zoffen, wütend sind und sich beschimpfen. Dabei helfen einfache Tricks, Streit schnell zu beenden.

Die Musik dröhnt von Daniels Zimmer in Lenas Ohren. Der Bass lässt die Wände zittern. Lena kann jedes Wort des Sängers verstehen. Dabei will die 15-Jährige lieber die Wörter in ihrem Schulbuch lesen. Sie schreibt morgen eine Arbeit und ihr Bruder nimmt keine Rücksicht. Sie stürmt rüber, schreit den 13-Jährigen an, knallt seine Tür wieder zu, verschwindet und schließt sich ein.

Diese Szene könnte überall spielen. Denn Streit unter Brüdern und Schwestern gehört dazu. Das liege an der Rivalität unter Geschwistern, erklärt Familientherapeutin Sevgim Schulz aus Recklinghausen. Meistens hätten die älteren Geschwister diesen Einfluss auf das Kind, das direkt nach ihnen geboren wurde. "Besonders, wenn die Geschwister nur ein bis zwei Jahre Altersunterschied haben, gibt es starke Probleme", sagt sie.

Aber auch, wenn die Türen noch so knallen, Streiten ist wichtig. "Geschwister kabbeln sich, um sich zu entdecken, Grenzen auszutesten und sich zu entwickeln", erklärt die Diplom-Pädagogin und Jugendberaterin Anja Briesemeister aus Darmstadt. "Sie lernen beim Streiten, Unterschiedlichkeiten auszuhalten, ihre Persönlichkeit zu entdecken, nicht immer die Nummer 1 zu sein und zu verzeihen."

Der Streit zwischen ihr und Daniel ist noch gesund, findet Lena. "Früher haben wir uns viel häufiger gestritten." Das habe nachgelassen. Wahrscheinlich, weil beide länger Schule haben und sich dadurch seltener sehen. Aber nicht immer gelingt es, mit dem Streiten aufzuhören. Hier ist Hilfe nötig.

Bei richtigen Problemen helfe es nur kurz, sich bei Freunden auszuweinen. Dann sollte sich der Bruder oder die Schwester bei der psychologischen Beratungsstelle des Ortes melden, rät Familientherapeutin Schulz. "Auch Schulsozialarbeiter oder Seelsorger sind für so etwas sensibilisiert", sagt Schulz.

Bei kleineren Streits können aber durchaus Freunde helfen oder die Eltern. Allerdings dürfen die ihre Kinder nicht vergleichen und müssen älteren Geschwistern auch mal mehr erlauben als den jüngeren. Sonst verstärkten sie Konflikte oder lösen sie sogar aus, weiß die Familientherapeutin.

Lena ist stolz, dass ihre Eltern den Streit mit ihrem Bruder nur selten schlichten müssen. "Oft vertragen wir uns von alleine wieder", sagt sie. "Wir schreien uns erst an, gehen uns dann aus dem Weg, beruhigen uns nach einer gewissen Zeit wieder und sehen ein, dass wir überreagiert haben."

Eine gute Taktik. "Bei einem Streit sollten sich die Geschwister erst mal abkühlen", rät Familienberaterin Briesemeister. Sie sollten sich dann keine Vorwürfe mehr machen und nicht von dem sprechen, was der andere gemacht hat, sondern von den eigenen Gefühlen.

Im Streit ist die Vernunft ausgeschaltet, weiß Therapeutin Schulz. Es herrsche Wut und Aggression. "Mit Argumenten kommt man da nicht weiter", sagt sie. Besser sei, wegzugehen und die Faust auf und zu zu machen, bis man sich beruhigt hat. Damit Konflikte nicht groß werden, hat sie einen Tipp: Jugendliche sollten sich öfter mal mit der ganzen Familie zusammensetzen. Zu einer festen Zeit kommen alle Familienmitglieder zusammen, besprechen die Probleme der Woche, aber unbedingt auch schöne Dinge wie gemeinsame Ausflüge. "So nimmt sich die Familie als Einheit wahr", erklärt Schulz. "Jeder wird gesehen und gehört. Und allein das kann schon der Ansatz einer Lösung sein."

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