Familientrio:Streit um den Schulort

Soll die Tochter auf eine Schule näher bei der Mutter gehen, oder lieber dort bleiben, wo sie ihre Freunde hat? Unsere Familienexperten antworten.

Max L. aus Berlin fragt:

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(Foto: David Pisnoy/Unsplash)

Ich lebe von der Mutter meiner Tochter, 9, getrennt. Wir erziehen im Wechselmodell. Jetzt kommt das Kind aufs Gymnasium. Wir sind uneins, wo, da wir in der gleichen Stadt, aber 40 Minuten entfernt voneinander wohnen. Die Mutter will eine Schule in der Mitte, ich möchte, dass sie in meinem Sprengel bleibt. Dort war sie bislang, und dort sind ihre Freunde. Sie soll auch nicht noch mehr rumgondeln, finde ich. Sie? Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de.

Kirsten Fuchs

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(Foto: Stefanie Fiebrig)

Mir fehlt in Ihrer Frage eine wichtige Information: Was will denn Ihre Tochter? Wenn die bei dieser Entscheidung mindestens eine Stimme hat, ist die Lösungsfindung eventuell einfacher als gedacht. Kinder müssen nicht immer alles mitentscheiden, aber bei diesem Thema muss sie zumindest befragt werden. Sicherlich will Ihre Tochter bei ihren Freunden bleiben. Wenn ja, sollten Sie das ernst nehmen, weil das Wohlbefinden des Kindes mehr zum erfolgreichen Lernen beiträgt als allgemein angenommen. Wenn das Kind auf das andere Gymnasium ginge und zu alten Freunden Kontakt halten wollte, müsste es ja auch durch die Stadt gondeln. Da haben Sie ein gutes Argument, und ich hoffe, Sie würden das genauso sehen, wenn die Schule weit weg von Ihnen wäre und näher bei der Mutter. Kirsten Fuchs ist Schriftstellerin und lebt mit Tochter, Mann und Hund in Berlin. Sie schreibt vor allem Kurzgeschichten und Romane, aber auch Theaterstücke sowie Kinder- und Jugendbücher. Ihr Buch "Mädchenmeute" erhielt 2016 den Deutschen Jugendliteraturpreis.

Jesper Juul

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(Foto: Anne Kring)

Ich empfehle, dass Sie drei sich in Ruhe zusammensetzen und der Tochter genau Ihre unterschiedlichen Sichtweisen erklären. Danach sagen Sie: "Jetzt würden wir gerne deine Meinung dazu hören. Das heißt nicht, dass du entscheiden darfst, sondern nur, dass wir versuchen, deine Meinung in unseren Entscheidungsprozess einzubeziehen. Es wird sicher auch in Zukunft noch öfter Meinungsverschiedenheiten zwischen uns beiden geben, weil wir in manchen Fragen anderer Meinungen sind oder andere Werte haben. Trotzdem wollen wir beide das beste für dich. Und darum ist es uns auch wichtig, dich ab und zu an der Diskussion teilhaben zu lassen." Jesper Juul ist Vater, zweifacher Großvater und Familientherapeut in Dänemark. Er hat zahlreiche Erziehungsratgeber geschrieben, darunter den in 14 Sprachen übersetzten Bestseller "Dein kompetentes Kind".

Collien Ulmen-Fernandes

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(Foto: Anatol Kotte)

Die Phase, in der Kinder von der Grundschule aufs Gymnasium wechseln, ist keine einfache. Ab der sechsten Klasse geht es dann ja straight in Richtung Jugendlichsein, und nichts anderes ist mehr wichtig als die Zugehörigkeit zu Freunden und Freundinnen. Ob Ihre Tochter mit Basketball-Jungs abhängt oder mit Fortnite-Spielern ist am Ende wahrscheinlich wichtiger als die zweite Fremdsprache. Ob sie, wie man früher in Jugendsprache sagte, im Kreise ihrer "Homies" bleiben kann, ist wichtiger als die Frage, ob sie zehn oder 35 Minuten fahren muss. Sie sollten unbedingt herausfinden: Wie viele Kinder aus der Grundschulklasse gehen auf das Gymnasium in Ihrer Gegend? Oder verstreuen die sich auch auf andere Schulen (was häufig vorkommt)? Könnte sie im nahen Gymnasium also die alten Freunde und Freundinnen behalten? Und macht die Schule in der Mitte den Eindruck, als könnte sie dort gut neue Freundschaften schließen? Das klingt jetzt fies, aber ich kenne Gymnasien, aus denen Gruppen von Schülern herausquillen, graue Männlein, in deren Augen einzig und allein der Notenschnitt steht, und höre sie über Potenzen diskutieren. Bedenken Sie bei all Ihren Entscheidungen immer, dass Ihre Tochter keine solche Streber-Gremlin-Schule erwischt, wo der Notenschnitt die einzige Währung ist, um den Wert von Klassenkameraden zu bemessen. Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter hat mehrfach Texte zum Thema Elternsein veröffentlicht, 2014 erschien von ihr das Buch "Ich bin dann mal Mama".

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(Foto: N/A)

Weitere Leserfragen und Expertenantworten finden Sie auf unserer "Familientrio"-Übersichtsseite.

© SZ vom 02.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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