Familie:Diese Blogs sollten Eltern kennen

Lesezeit: 6 Min.

Große Bloggerfamilie auf der Blogfamilia 2017: Alu Kitzerow, Markus Bock, Mareice Kaiser, Christine Finke und Janni Orfanidis (v.l.). Die Blogfamilia 2018 startet an diesem Samstag. (Foto: Anne Freitag)

Neun Stufen von Müdigkeit oder wie man es vermeidet, Elternsprecher zu werden: Blogger helfen jungen Familien durch den Erziehungsdschungel.

Von Barbara Vorsamer

Es war einmal eine Mutter. Sie hatte gerade ihr erstes Kind bekommen und saß nun mit dem Neugeborenen alleine in ihrer Wohnung. Ihr Partner war arbeiten, ihre Verwandten wohnten weit weg, ihre Freundinnen hatten noch keine Kinder. Doch sie hatte ... ein Smartphone! Die Nabelschnur zu ihrem ehemaligen Leben. Während sie die Nabelschnur ihres echten Babys mit Puder betupfte, lachte sie über die lustigsten Babys auf Youtube, beneidete die instant-schlanken Insta-Moms und googelte "seit acht Tagen kein Stuhlgang normal" oder "Pekip Kurs freier Platz".

Gut möglich, dass sie dabei auch auf einem der etwa 2000 deutschen Elternblogs landet. Denn egal, was das Problem der jungen Mutter ist - es hat garantiert schon jemand einen Text darüber geschrieben und mit etwas Glück ist der sogar hilfreich. Oder wenigstens lustig. Sich im Netz auszutauschen, kann helfen gegen Einsamkeit in der Elternzeit. Susanne Mierau - mit "Geborgen wachsen" eine der erfahrensten und erfolgreichsten deutschen Elternbloggerinnen - schrieb schon 2013 über den Online-Eltern-Clan: "Wenn das Baby nachts um zwei eine Spielstunde veranstalten will, trifft man auf Twitter ganz sicher Eltern, die aus irgendeinem Grund auch wach sind."

Doch die Szene verändert sich. Mit Blick auf die USA klagte die Washington Post kürzlich: " Das Elternnetz ist zur makellosen, gesponserten Hülle verkommen." Eine Entwicklung, die man auch in Deutschland beobachten kann, immer mehr Seiten verdienen mit Sponsored Posts Geld. Das sind als Inhalt verkleidete Werbetexte, -posts oder -videos, für die Blogger bis zu mehrere tausend Euro bekommen. Dazu kommt, dass immer mehr Leserinnen Bilder auf Instagram langen Texten den Vorzug geben und die Kinder der Bloggerinnen älter werden. Wer vor zehn Jahren begann, hat heute Teenager, die vielleicht nicht wollen, dass ihre Mutter Anekdoten über sie ins Internet schreibt.

Wie man mit diesen Veränderungen umgehen soll, ist diese Woche Thema der Konferenz Blogfamilia. Zu diesem Anlass stellen wir hier sechs unverfälschte Blogs vor, die einen Besuch lohnen.

Auf "Einer schreit immer" geht es um das Leben mit Zwillingen. Christina Tropper packt ihren chaotischen Alltag in lustige, sarkastische, manchmal bitterböse Texte. Ihre Spitzen können jeden treffen: ihre Kindern, andere Eltern, ihren Mann oder sie selbst.

Christina Tropper, Bloggerin auf "Einer schreit immer" (Foto: oh)

Ich blogge , um ...? Die kleinen Hoppalas mit den Kindern festzuhalten. Und plötzlich haben das sehr viele Leute gelesen - und ich hatte null Ahnung. Bloggen ist ja nicht nur Texte Schreiben, da geht es um Technik, Fotobearbeitung, Organisation von Gewinnspielen, Beantwortung von Leserfragen und vieles mehr.

Wenn ich gerade nicht blogge, dann ...? Mache ich nichts. Mit zwei Kindern, einem Haus, einem Job und einem Blog bin ich abends so kaputt, dass ich nur herumsitze und Trash-TV gucke.

In meinem meistgeklickten Blogbeitrag geht es um neun Stufen der Müdigkeit, die nur Eltern kennen.

Mein eigener Lieblingstext ist "Ganz schön vermessen". Darin kritisiere ich, wie wir Kinder mithilfe von Statistiken und Perzentilen in Schablonen pressen. Mir gefällt das nicht.

Ein Satz, den ich als Mutter viel zu oft sage: "Ich bin doch nicht dein Dienstmädchen!"

Worüber ich niemals bloggen würde: Themen, die den Kindern peinlich sein könnten. Töpfchentraining oder Entwicklungsschritte sind deswegen ein No-Go für mich.

Drei Elternblogs, die ich am liebsten lese: Witzig, charmant und sprachlich gut finde ich "Frau Mutter", zum Nachdenken und Innehalten bringt mich "Fräulein im Glück" und wenn es um Basteln, Rezepte und skandinavischen Lebensstil geht, dann bin ich großer Fan von "Zuckersüße Äpfel".

Auf "Gewünschtestes Wunschkind" geht es um moderne Erziehung. Ihr Wissen ziehen Katja Seide und Danielle Graf aus hunderten von Ratgebern, die sie gelesen haben. Manche halfen ihnen. Die meisten nicht. Inzwischen schreiben sie selbst welche, mit einem davon sind sie seit Monaten auf den Bestsellerlisten.

Katja Seide und Danielle Graf, Bloggerinnen auf "Gewünschtestes Wunschkind" (Foto: Mark Garner; oh)

Unser Blog heißt so, weil ... es bei uns beiden mit dem Kinderkriegen nicht einfach war. Katja schrieb deswegen nach der Geburt ihrer ersten Tochter die überglückliche Geburtsanzeige: "Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten ist da!" Keine acht Wochen später, völlig übermüdet und frustriert, bekam ihre beste Freundin eine SMS von ihr mit den Worten: "Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn!"

In unserem meistgeklickten Blogbeitrag geht es um: Dinge, die für Babys und Kinder lebensgefährlich und ungesund sind - nicht jeder weiß, dass Babys keinen Honig essen dürfen und durch zu viel Wasser "vergiftet" werden könnten.

In unserem eigenen Lieblingstext erklären wir, warum Kinder ihre Eltern schlagen, beißen oder treten. Auf diesen Artikel bekommen wir regelmäßig Post von Lesern, die uns schreiben, dass er nachhaltig ihre Sicht auf Kinder und das Familienleben positiv beeinflusst hat.

Unser Erziehungstipp: Gehe immer davon aus, dass dein Kind das beste Verhalten zeigt, zu dem es gerade in der Lage ist.

Ein Satz, den ihr als Mütter viel zu oft sagt: "Jetzt nicht!"

Unsere drei liebsten Elternblogs sind Nestling, Wunschkind Herzkind Nervkind und 2KindChaos.

Auf "Große Köpfe" geht es um Familienleben in Berlin. Mutter Alu Kitzerow und Vater Konsti Manthey schreiben jeweils aus ihrer Sicht über den Alltag mit inzwischen drei Kindern.

Alu Kitzerow und Konsti Manthey, Blogger auf "Große Köpfe" (Foto: oh)

Wir bloggen seit ... Oktober 2012. Angefangen haben wir, weil wir die Geschichten der Kinder gern aufheben und die Momente noch fester halten wollten.

Unser meistgeklickter Blogbeitrag heißt " Gestatten, ich bin die Mutter eines Kindes, das du Arschloch genannt hast". Es geht darin um einen Begriff, den es eigentlich nicht geben sollte und darum, dass Kinder nicht alle systemkonform sind.

Unser eigener Lieblingstext heißt "Beständigkeit ist meine Veränderung", in dem ich darüber schreibe, wie ich durch das Kinderkriegen Menschen verloren und Freunde gewonnen habe.

Ein Satz, den wir viel zu oft sagen: "Bitte zieh nicht an den Haaren."

Unsere drei liebsten Elternblogs: Wir sind großer Fan von "Das Nuf", weil uns Patricia oftmals zum Schmunzeln bringt, von "Am Ende denk ich", weil Jürgen ein tolles Gefühl für Sprache und Menschen hat und von "Herr Paul", weil die täglichen Einblicke in das Leben mit Zwillingen immer wieder schön zu lesen sind.

Auf "Mama arbeitet" findet man alles: Privates, politisches, polemisches genauso wie alltägliches, aufregendes, anstregendes. Bekannt ist Christine Finke aber vor allem als Aktivistin für alleinerziehende Mütter.

Christine Finke, Bloggerin auf "Mama arbeitet" (Foto: Verena Müller)

Ich blogge seit ... September 2011, anfangs aus reiner Experimentierfreude, Mitteilungsdrang, und weil ich gerade meinen Job als Online-Chefredakteurin in einem Kinderbuchverlag verloren hatte.

In meinem meistgeklickten Blogbeitrag geht es ... absurderweise um das Kürzen und Vermehren meiner Yuccapalme. Überhaupt nicht mein Spezialgebiet, aber damit hatte ich viel Arbeit und dann habe ich das dokumentiert. Anscheinend googeln die Leute das.

Meine eigenen Lieblingstexte ... sind die, für die ich besonders mutig sein musste. Einmal habe ich über häusliche Gewalt geschrieben, einmal über Liebeskummer und einmal über den ersten Sex nach der Ehe.

Mein Erziehungstipp: "Alles halb so wild!" denken und atmen.

Ein Satz, den ich als Mutter viel zu oft sage: "Dazu habe ich jetzt keine Zeit." Oder auch: "Dafür haben wir kein Geld."

Ich würde niemals bloggen über ... alles, wofür man mich kaufen müsste.

Meine drei liebsten Elternblogs sind ... Patricia Cammerata von Das Nuf, weil sie so vielseitig ist. Annette Loers von Mutterseelesonnig, weil sie so treffend den Alltag berufstätiger Alleinerziehender wiedergibt, und Alu und Konsti von Große Köpfe, weil sie so ehrlich und liebevoll über ihr Familienleben schreiben.

"Stadt Land Mama" zeigt die Vielseitigkeit des Elternseins. Von Anfang an schrieben hier zwei ganz unterschiedliche Frauen über ihr Leben. Seitdem ihre eigenen Familien nicht mehr so oft vorkommen wollen (ihre Kinder sind zum Teil schon Teenager), häufen sich die Gastbeiträge und Interviews, was den Blog noch abwechslungsreicher macht.

Lisa Harmann und Katharina Nachtsheim, Bloggerinnen auf "Stadt Land Mama" (Foto: Christoph Michaelis)

Wir bloggen seit ... August 2012. Lisa war gerade mit ihrer Familie von Berlin weg auf's Land gezogen, ihre damalige Blogpartnerin blieb in der Hauptstadt.

Unser meistgeklickter Beitrag ... heißt " Ich schaffe einfach nichts mehr" und darin geht es um den ständigen Vorwurf an uns selbst, neben den Kindern nicht mehr genug zu leisten. Wir zählen deswegen mal auf, was Mütter den ganzen Tag so tun.

In unserem Lieblingstext ... schreibt Lisa über die syrische Familie, die sie zeitweise bei sich aufgenommen hat.

Der Satz, den wir viel zu oft sagen: "Kann mir mal IRGENDjemand kurz helfen?" Dicht gefolgt von: "Die Jacke gehört an die Garderobe."

Niemals bloggen würden wir über ... Po-Duschen. Da hatten wir tatsächlich mal eine Anfrage für einen Produkttest. Wie wir das wohl bebildert hätten? Wir hatten auch schon das Angebot, mit der ganzen Familie FKK-Urlaub zu machen. Ansonsten: Wir schreiben nicht über Menstruationstassen, Arzneimittel oder zu Privates.

Unsere drei liebsten Elternblogs: Wir haben uns in letzter Zeit sehr oft bei "Die Anderl" wiedergefunden. Außerdem lieben wir alle Texte von "Andrea Harmonika" und verehren Rike von "Infemme".

Christian Hanne vom "Familienbetrieb" ist einer der eher wenigen männlichen Blogger im Elternnetz. Für seine Familientweets der Woche fischt er die lustigsten Kindersprüche und Eltern-Anekdoten aus dem Netz - immer Sonntagabends.

Christian Hanne, Blogger bei "Familienbetrieb" (Foto: Stefanie Fiebrig)

Ich blogge, weil ... ich mit Ende Dreißig dachte, außer meinem Beruf könnte ich ja noch etwas anderes machen. Andere kaufen sich dann einen Porsche und legen sich eine Liebhaberin zu, ich habe stattdessen angefangen zu schreiben.

Wenn ich gerade nicht blogge, dann ...gehe ich meiner Erwerbsarbeit nach oder koche Abendessen, das die Kinder nicht essen.

In meinem meistgeklickten Blogbeitrag ... verrate ich effektive Strategien, wie man es vermeidet, Elternsprecher zu werden.

In meinem eigenen Lieblingstext ... verrate ich, wie ich 2014 meinen ganz persönlichen Beitrag zum WM-Sieg der deutschen Mannschaft geleistet habe.

Mein ultimativer Erziehungstipp: Der ist aus Douglas Adams' "Per Anhalter durch die Galaxie": Keine Panik und hab' immer ein Handtuch dabei! Feuchttücher gehen auch.

Ein Satz, den ich als Vater viel zu oft sage: Bin ich eigentlich der einzige hier, der die Klopapier-Rollen wechselt?

Ich würde niemals bloggen über ... reale Begebenheiten. Meine Geschichten sind von unserem Familienalltag nur inspiriert, quasi autobiographische Fiktionen.

Meine drei liebsten Elternblogs sind " Johnnys Papablog", "Ich bin dein Vater" und "Vier plus eins".

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