Süddeutsche Zeitung

Fakten, Irrtümer, Vorurteile:Mohammed, Asterix, Goethe?

Europas Verhältnis zum Orient reicht weit zurück und ist voller Blüten der Kunst, Kultur und Wissenschaft - Zeit für ein Zitate-Raten. Wer hat's gesagt?

Von ronen Steinke

1. "Bitte konvertiere nicht zum Islam; mir ist bei Dir eine Tendenz zur Orientalisierung aufgefallen, eine Pascha-artige Neigung."

a) Der Lyriker und Mediziner Gottfried Benn an Else Lasker-Schüler. Die deutsch-jüdische Dichterin ("Die Nächte der Tino von Bagdad") war so sehr von Arabien begeistert, dass sie in den Zwanzigerjahren als arabischer Prinz gekleidet durch Berlin spazierte.

b) Winston Churchills Schwägerin Lady Gwendoline Bertie 1907 an ebendiesen. Der junge Politiker hatte gefordert, es mit der Brutalität der Kolonialherrschaft im muslimischen Nordafrika nicht zu übertreiben.

c) Olaf Glaeseker 2012 in einem Brief an Christian Wulff.

2. "Ein exotischer Fleck, wo Kamele durch die Wüste ziehen, du riskierst deinen Kopf, und sofort ist er weg."

a) Titelsong des Disney-Films "Aladdin", 1992. b) Vorspann zum Comic "Asterix im Morgenland", 1987

c) Österreichs Beitrag zum Eurovision Song Contest 1959, Ferry Graf mit "Der k.u.k. Kalypso aus Wien".

3. "Des Nachts kehrte ich stets ein, legte eine Lampe vor mich und widmete mich dem Lesen und Schreiben. Wenn je der Schlaf mich überkam oder ich mir eines Schwindens meines Bewusstseins gewahr wurde, trank ich einen Becher Wein, auf dass meine Kraft zurückkeh-ren würde. Dann las ich weiter."

a) Ibn Sina (latinisiert: Avicenna), arabischer Universalgelehrter des 11. Jahrhunderts, dessen Hauptwerk "Der Kanon der Medizin" bis ins 18. Jahrhundert hinein in ganz Europa das wichtigste Lehrbuch für Ärzte war.

b) William Shakespeare, Dramatiker, der in fast allen seiner Stücke maurische Nebendarsteller oder kleine Anspielungen auf Orientalisches einflocht.

4. "Kaiser Wilhelm II. ist zum Islam übergetreten, er nennt sich nun ,Hadschi Wilhelm Mohammed' und hat bereits heimlich eine Pilgerreise nach Mekka unternommen. Immer mehr Deutsche folgen seinem Beispiel und werden Mohammedaner."

a) Michel Houellebecq in seinem jüngsten Roman, "Unterwerfung".

b) Deutsches Propagandaflugblatt von 1915, das die arabische Welt umwerben und gewinnen sollte.

c) Pamphlet der Ahmadiyya-Gemeinde zu Berlin, welche die ersten Missionsversuche in Deutschland unternahm.

5. "Die wunderbare maurische Cultur-Welt Spaniens, uns im Grunde verwandter, zu Sinn und Geschmack redender als Rom und Griechenland, wurde niedergetreten."

a) Friedrich Schiller, als erster deutscher Dramatiker auf Bühnen in der arabischen Welt präsent, über das europäische Mittelalter.

b) Franz von Papen, Hitlers anfänglicher Vizekanzler, zuvor Vorsitzender des Ehrenausschusses des "Islam-Instituts" in Berlin.

c) Friedrich Nietzsche, Philosoph und Religionskritiker.

6."Wie Voltaire als der Vater der Französischen Revolution angesehen wird, so konnte man Karl May als den Vater unserer Orientpolitik dieser Zeit betrachten."

a) Peter Scholl-Latour, deutscher Journalist, 2001.

b) Friedrich Rosen, deutscher Außenminister, 1921.

c) Helmut Kohl, deutscher Oppositionsführer, 1979.

7. "Wenn ich rechne und sehe ein winziges Insekt, das auf mein Papier geflogen ist, dann fühle ich etwas wie: Allah ist groß und wir sind armselige Tröpfe mit unserer ganzen wissenschaftlichen Herrlichkeit."

a) Albert Einstein, Physiker, der in der Weimarer Republik die frisch eingeweihte Wilmersdorfer Moschee erlebt hatte, in einem Brief 1952.

b) Kardinal Francisco Jiménez de Cismero, der 1499 in Granada 4000 arabische Bücher verbrennen ließ und das Arabische als "die Sprache einer ketzerischen und verachtenswerten Rasse" bezeichnete.

c) Maimonides, Vordenker jüdischer Aufklärung, der im 12. Jahrhundert von Spanien über Marokko bis Ägypten floh und seine wichtigsten Werke auf Arabisch schrieb, mit dem Wort "Allah" für Gott.

8. "Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten."

a) Papst Benedikt XVI. zitiert zum Thema Glaube und Gewalt einen byzantinischen Kaiser. Auf die Gewalt der Inquisition oder der Kreuzzüge geht er in seiner Regensburger Rede 2006 nicht ein.

b) Dschabir ibn Aflah (latinisiert: Geber Hispalensis), arabischer Astronom und Mathematiker des 12. Jahrhunderts, dessen ins Lateinische übersetzte Schriften eine wichtige Rolle bei der Weiterentwicklung der Mathematik in Europa spielten.

9. "Ich wusste es längst: er war, ohne es selbst zu ahnen, nur noch äußerlich ein Moslem, innerlich aber bereits ein Christ."

a) Karl Mays Romanfigur Kara Ben Nemsi, ein deutscher Abenteurer, über seinen getreuen Diener Hadschi Halef Omar ("Von Bagdad nach Stambul", 1892).

b) Rezensentenlob für Essad Bey, einen Schriftsteller der Weimarer Republik, der als Lev Nussimbaum in Baku geboren wurde, bevor er vom Judentum zum Islam konvertierte und noch größere Erfolge feierte.

c) Robin Hood, gespielt von Kevin Costner, über seinen getreuen maurischen Leibwächter Azeem (Morgan Freeman), 1991.

d) Der Moderator des Ökumenischen Kirchentages 2010 stellt den Redner Cem Özdemir vor.

10. "Nähere Bestimmung des Gebotenen und Verbotenen, fabelhafte Geschichten jüdischer und christlicher Religion, Amplifikationen aller Art, grenzenlose Tautologien und Wiederholungen bilden den Körper dieses heiligen Buches, das uns, so oft wir auch daran gehen, immer von neuem anwidert, dann aber anzieht, in Erstaunen setzt und am Ende Verehrung abnötigt."

a) Johann Wolfgang von Goethe ("Noten und Abhandlungen zu besserem Verständnis des West-östlichen Divans", 1819) über den Koran.

b) Jürgen W. Möllemann ("Klartext. Für Deutschland", 2003) über den Koran.

c) Abu al-Walid Mohammed Ibn Ruschd (latinisiert: Averroes), arabischer Gelehrter des 12. Jahrhunderts, der europäischen Denkern die Schriften von Aristoteles näherbrachte, als diese an manchen Orten Europas noch durch die katholische Kirche verboten waren.

11. "Je weiter die Länder in der sittlichen Feinheit, der Bildung und der Städterwerdung vorangehen, desto besser ist auch in ihnen der Umgang der Männer mit den Frauen. Es unterscheidet sich also die Nachgiebigkeit gegenüber den Frauen je nach Unterschied der Gesetze der Länder und ihrer Gewohnheiten."

a) Aayan Hirsi Ali, 1969 in Somalia geborene Frauenrechtlerin und Buchautorin.

b) Rifa at-Tahtawi, ägyptischer Gelehrter, der im 19. Jahrhundert nach Paris zog, um Europa kennenzulernen und den Kontinent seinen Landsleuten näherzubringen.

c) König Abdullah von Saudi-Arabien, der nach Protesten 2011 ankündigte, ausgewählten Frauen von 2015 an das passive und aktive Wahlrecht auf kommunaler Ebene zu gewähren.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2792093
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 02.01.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.