Fahrradmesse Eurobike:Treten leichtgemacht

Mountainbikes haben einst den Fahrradmarkt revolutioniert - das Gleiche sagen Experten jetzt für die E-Bikes voraus. Am Mittwoch beginnt eine der größten Radmessen weltweit.

Birgit Lutz-Temsch

Es ist immer noch ein Fahrrad - zwei Reifen, Pedale, Lenker. Aber ansonsten hat das Trinity Advanced SL nicht mehr viel mit dem gemeinsam, was normalerweise auf unseren Straßen herumfährt. Immerhin: Dieses Bike ist einer der Hingucker der Eurobike, die am kommenden Mittwoch in Friedrichshafen beginnt; 1028 Aussteller aus aller Welt und mehr als 300 Welt- und Europapremieren sind angekündigt.

Fahrradmesse Eurobike: Rennmaschine für Jedermann: Das Wettkampfrad von Giant gibt es von Herbst an auch im Laden.

Rennmaschine für Jedermann: Das Wettkampfrad von Giant gibt es von Herbst an auch im Laden.

(Foto: Foto: oh)

Und der Messekatalog liest sich wie eine Aneinanderreihung von Superlativen - vom kleinsten Faltrad ist die Rede, von der leichtesten Mountainbike-Schaltgruppe und auch vom schnellsten Rennrad.

Letzteres kommt von dem amerikanischen Hersteller Giant, heißt Trinity Advanced SL und tauchte erstmals bei der Straßen-WM 2008 im italienischen Varese auf; fünf wettkampferprobte Entwicklungsstufen waren notwendig, bis es vollendet war. Unter anderem hat es, so rühmt es die Vorankündigung, ein "aerodynamisch konstruiertes Kontrollzentrum, das Oberrohr, Lenker und Gabelkopf in einer einzigen strukturellen Einheit zusammenfasst und ein überdimensioniertes Tretlager für überlegene Pedaleffizienz und optimale Kraftübertragung im Kampf gegen die Uhr".

Mit dieser, von der Union Cycliste Internationale (UCI) zugelassenen Rennmaschine gewann der Triathlet Timo Bracht im Juli dieses Jahres mit einem Streckenrekord die Ironman European Championship in Frankfurt am Main. Jetzt soll das Super-Rad jedermann Freude machen - im Herbst kommt das Topmodell der Trinity-Serie zu den Händlern und wird ein mittleres Vermögen kosten: 9999,90 Euro.

Das ist ungefähr das 26fache dessen, was das Durchschnittsfahrrad kostet: 386 Euro hat der deutsche Normalradler im Jahr 2008 für sein Veloziped ausgegeben - immerhin 20 Euro mehr als 2007 und der Trend zeigt weiter nach oben.

Denn die Radler, so scheint es, kaufen wieder lieber beim Fachmann als im Supermarkt: 63 Prozent aller neuen Fahrräder wurden im vergangenen Jahr vom Fachhandel verkauft; 2006 waren es noch sieben Prozentpunkte weniger. Den Erhebungen des Zweirad-Industrie-Verbandes (ZIV) folgend, ging gleichzeitig der Marktanteil von Warenhäusern und Discountern von 34 auf 30 Prozent zurück. Gemessen am Wert ist der Unterschied noch deutlicher: 80 Prozent des Gesamtumsatzes wird im Fachhandel erwirtschaftet.

Das dürfte auch an den E-Bikes liegen, deren Absatz in den letzten Jahren steil nach oben gegangen ist - für 2009 rechnen die Experten mit einem Zuwachs zwischen 20 und 50 Prozent. Denn die mit Elektromotoren befeuerten Räder sind in den vergangenen Jahren deutlich weiterentwickelt worden - kein lautes Surren verrät mehr jene Radler, die nicht allein durch die Kraft ihrer Beine unterwegs waren; auch der Sanitätshaus-Charme der ersten E-Bikes ist verschwunden.

Denn die Hersteller haben ihre Strategie geändert: Es werden nicht mehr schnöde Räder für den Elektroantrieb gebaut, sondern - umgekehrt - Antriebe für die verschiedenen Radtypen. Dementsprechend gibt es mittlerweile auch Mountain- und Tourenbikes mit Elektromotor, die wesentlich sportlicher daherkommen - und bei denen man schon sehr genau hinsehen muss, um sie noch als E-Bike zu erkennen.

Das Sport SL von Hercules für 2399 Euro zum Beispiel tarnt seinen Motor in der Hinterradnabe und den Akku im Unterrohr des Rahmens. Der Schweizer Hersteller Biketec stellt in Friedrichshafen ein E-Mountainbike vor: Das X-Serie genannte Modell, dessen Preis noch nicht feststeht, richtet sich laut Hersteller an "sportive Naturgenießer ohne Leistungsambitionen".

Die haben die Fahrer von Cruisern meistens ohnehin nicht. Sie rollen mit ihren lässig geschwungenen Rädern bevorzugt an Strandpromenaden auf und ab. Der ungarische Hersteller Olimpia Bicycle Manufacturer hat in sein Gepida Nedao einen 250 Watt starken Yamaha-PAS-Antrieb eingebaut. Ungefähr 80 Kilometer kann man mit einer Akkuladung fahren - eine gängige Reichweite im E-Bike-Vergleich, und mit Sicherheit nicht zu wenig für gleich mehrere Ausflüge zum Strand.

Eine weitere gute Nachricht: Der Hersteller Conway hat mountainbikende Frauen von den Blümchen erlöst. Zwar entdeckte die Sportartikelindustrie in den späten neunziger Jahren die Frauen und begann mit der Entwicklung von Produkten, die an die weibliche Anatomie angepasst waren. Geschmacklich aber wurden Frauen dann generell in ein Alter zwischen zwei und sieben Jahren verortet, das bei Mädchen generell als die rosa Phase bekannt ist: Egal ob Räder, Helme, Jacken, Hosen oder Schuhe - die Frauenversionen trugen entweder Blümchendesign oder waren rosa, im schlimmsten Fall waren es rosa Blümchen.

Etliche Fachhändler gaben das Stöhnen der Kundinnen, die einfach nur ein funktionierendes Rad, aber keinen Prinzessinenlook wollten, an die Hersteller weiter. Conway stellt jetzt in seiner Q-Serie zwei Modelle ab 1250 Euro für Frauen vor - die heißen zwar immer noch Q-ueen, kommen aber dankenswerterweise in den weniger strittigen Farben Schwarz und Weiß.

Wie die E-Bikes liegen auch Falträder im Trend. So hat Dahon bei seiner IOS-Urban-Linie die Laufräder von 20 auf 24 Zoll vergrößert, was das Rad zu einer besseren Pendleralternative machen soll. Neu bei Dahon ist außerdem ein vom Nabendynamo gespeister und spritzwassergeschützter Akku, der sich an der Lenksäule befestigen lässt und über eine USB-Schnittstelle während oder nach der Fahrt Handy, iPod- oder GPS-Gerät mit Strom versorgt. Mit einer Sieben-Gang-Schaltung kostet das Faltrad wenigstens 999 Euro.

Falten lässt sich auch das neue TwinTraveller-Tandem des Herstellers Koga, das weniger empfindlich auf Dreck und Spritzer reagiert. Möglich wurde das, weil an Stelle der bisherigen Kettenschaltung eine unempfindlichere Rohloff-Nabenschaltung eingebaut worden ist.

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