Kinder genießen es, Spielsachen auf-, aber nicht wieder abzubauen. Wie Eltern trotzdem und ohne Streit dafür sorgen können, dass Kinderzimmer aufgeräumt werden, erklärt Psychologe Markus Schaer. Er verrät auch, weshalb Eltern bei besonders unordentlichen Jugendzimmern auch mal ein Auge zudrücken können.
SZ.de: Wieso herrscht in manchen Kinderzimmern das Chaos, während in anderen kein einziger Baustein am Boden liegt?
Markus Schaer: Das liegt wohl eher an den Eltern, denn alle Kinder lieben das Chaos. Es gibt Haushalte, da liegt nichts herum, während in anderen erst einmal der Tisch freigeräumt werden muss, wenn Besuch kommt. Was den Kindern vorgelebt wird, prägt sie.
Wie viel Chaos brauchen Kinder, um kreativ spielen zu können?
Ein gesundes Maß, das hängt vom Alter ab. Für Ältere ist es toll, Spielsachen zu mischen, da kurven Autos um die Baustein-Stadt und ein Raumschiff fliegt auch noch drüber. So entdecken die Kinder erst Spielmöglichkeiten. Jüngere überfordert eine große Menge an Spielsachen eher, da ist es wichtig, dass sie sich auf wenige Dinge fokussieren können: Kleinkinder lieben etwa Würfel, in die sie runde, drei- oder viereckige Steine sortieren können. Da fängt das Aufräumen schon an.
Und macht dann noch Spaß. Wie können Kinder sich das bewahren?
Spaß am Aufräumen beginnt bei der inneren Haltung der Eltern: Wenn die gerne oder zumindest selbstverständlich wegräumen, überträgt sich das - genauso, wenn sie dabei ein langes Gesicht ziehen. Es hilft, wenn diese Eltern Ordnung halten als Herausforderung und nicht als Qual sehen, und sich zum Beispiel mit Musik aufheitern.
Ab wann sollte man Kinder anleiten, Ordnung zu halten?
Man kann Kleinkinder schon miteinbeziehen, die beim Sortieren oder Putzen helfen dürfen, darauf sind sie mächtig stolz. Je größer sie sind, desto eigenständiger räumen Kinder auf. Aber im Kindergartenalter brauchen sie dabei schon noch Unterstützung. Und selbst für Schulkinder ist die Aufforderung "Räum endlich mal auf" viel zu pauschal.
Wie konkret müssen Eltern denn werden?
Selbst wer sagt, diese Ecke müsste aufgeräumt werden, ist noch zu allgemein. Es hilft den Kindern, wenn man einzelne Schritte benennt: "Leg die Steine in die Kiste und die CDs in den Schrank." Das ist auch ganz wichtig fürs Loben hinterher, übrigens für jedes Lob: Je konkreter, desto wirkungsvoller. Kinder wollen gesehen werden, also sollte man auch genau hinschauen und zum Beispiel sagen "Du hast die CDs ins Regal gestellt und alle Bausteine sind in ihrer Kiste. Da freue ich mich, so ein toll aufgeräumtes Zimmer zu betreten." In der Pädagogik wird das beschreibendes Lob genannt und funktioniert ungemein gut. Eltern berichten, wie die Kinder strahlen, je mehr Details sie würdigen.
Was halten Sie von Belohnungen nach der Mühe?
Das kann schon mal motivieren, sollte aber nicht zur Regel werden. Es muss ja nicht alles Unangenehme mit Belohnungen schmackhaft gemacht werden. Da ist die Anerkennung hinterher wichtiger.
Wie halten Kinder lieber Ordnung?
Selbstbestimmung ist ein Schlüsselwort. Je mehr die Kinder mitentscheiden können, was in ihrem Zimmer wo "wohnen" darf, desto eher merken sie sich das. Mit Farben und Bildern kann man die Kisten und Schubläden zusätzlich kennzeichnen. Zu viel Spielzeug im Zimmer und übervolle Kisten erschweren es, eine Grundordnung aufrecht zu erhalten. Außerdem ist es wichtig, wann und wie sehr die Kinder aufräumen müssen: Haben sie zum Beispiel einen tollen Zoo mit Tieren aufgestellt, dürfen sie ihn beim Aufräumen stehenlassen. Kinder fühlen sich dadurch gesehen in ihren Kompetenzen und Bedürfnissen, das Aufräumen ist weniger negativ besetzt.