Expertentipps zur Erziehung:"Eltern sollten über Geld reden"

Wie viel Taschengeld sollen Kinder bekommen. Was sollten sie davon bezahlen? Wie verhindern Eltern, dass sich ihr Nachwuchs später verschuldet? Konsumexpertin Schlegel-Matthies weiß, wie Kinder ein gutes Verhältnis zum Geld entwickeln. Von alleine geht das nicht.

Katja Schnitzler

Professorin Kirsten Schlegel-Matthies lehrt Haushaltswissenschaft an der Universität Paderborn und bringt Kindern an Schulen bei, wie man mit Geld umgeht. Im Interview mit Süddeutsche.de gibt sie Tipps, wie Eltern ihrem Nachwuchs vermitteln, dass das Geld nicht einfach so aus dem Bankautomaten kommt.

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Reicht das schon? Nur mit eigenem Geld lernen Kinder den Umgang damit.

(Foto: Dron - Fotolia)

Süddeutsche.de: Warum sollten Kinder überhaupt Taschengeld bekommen?

Kirsten Schlegel-Matthies: Sie müssen lernen, mit Geld umzugehen. Das können sie nicht, wenn sie nur zuschauen, wie es ausgegeben wird. Wenn sie selbst ein paar Cent - mehr sind es am Anfang ja nicht - zur Verfügung haben, müssen sie selbst überlegen, wofür sie ihr Geld ausgeben.

Was kaufen sich Kinder und Jugendliche denn?

Jüngere Süßigkeiten, Ältere übrigens oft auch. Bei ihnen kommen dann noch Ausgehen, Kleidung, Computerspiele und Handys dazu.

Wie stark sollten Eltern Einfluss nehmen?

Überhaupt nicht. Es ist das Geld der Kinder, dafür sind sie verantwortlich. Also sollen sie auch allein entscheiden dürfen, was sie kaufen. Zu dem Lernprozess gehört übrigens auch die Erkenntnis, dass das Geld weg ist, wenn es ausgegeben wurde, und die Kinder auf das nächste Taschengeld warten müssen. Eltern fällt es oft sehr schwer, ihnen dann nicht zwischendurch etwas zuzustecken. Aber wenn die Kinder immer dann Geld bekommen, wenn sie sich einen Wunsch erfüllen wollen, entwickeln sie kein Verhältnis dazu. Und ihnen fehlt die Erkenntnis, dass Geld nicht unbegrenzt vorhanden ist. Daher sollten Eltern ruhig mit ihren Kindern, auch schon mit den kleinen, darüber reden, dass sie für ihr Geld arbeiten und es nicht einfach so aus dem Bankautomaten kommt.

Es gibt aber Familien mit so knappem Einkommen, dass sie gar kein Taschengeld zahlen können. Wie beeinflusst das die Kinder?

Die Eltern sollten mit ihren Kindern unbedingt darüber sprechen, warum sie sich kein Taschengeld leisten können. Dass zum Beispiel Arbeitslosigkeit der Grund dafür ist und nicht, dass sie ihre Kinder weniger lieb haben als andere Eltern. Damit diese Kinder auch den Umgang mit Geld lernen, sollte man sie zumindest bei den eigenen Einkäufen miteinbinden - und nicht verheimlichen, wie knapp die Familie rechnen muss, um über die Runden zu kommen. Die Familie muss offensiv mit ihrer Situation umgehen, denn die Kinder bekommen es sowieso mit.

Genug Geld vorausgesetzt, rät das Jugendamt, sogar Kindergartenkindern einen Euro in der Woche auszuzahlen. Ist das nicht ein bisschen früh?

Ich finde schon. Wahrscheinlich gab das Jugendamt diesen Richtwert heraus, weil etliche Eltern schon so früh Taschengeld zahlen. Ich persönlich halte die Einschulung für den besseren Zeitpunkt, denn Jüngere haben gar kein Verständnis von Geld, sie sind entwicklungspsychologisch noch nicht so weit. Sie freuen sich über die glänzenden Münzen, die sie sortieren, stapeln und rollen können, oft mehr als über langweilige Scheine.

Und Schulkinder nehmen gerne den Schein?

Wenn sie den Wert des Geldes erklärt bekommen, ja. Aber ein Schein muss und soll es am Anfang noch gar nicht sein. Ein bis zwei Euro in der Woche reichen aus, um langsam erste eigenständige Einkäufe zu fördern. Mit der Schule beginnt für die Erstklässler ein neuer Lebensabschnitt, sie sind nun öfter allein unterwegs. Wer sich vor oder nach dem Unterricht einen Lutscher vom eigenen Geld kauft, wird als Kunde wahrgenommen. Und fühlt sich richtig groß.

Da sind Eltern natürlich versucht, das Taschengeld bei Streit mit den Kindern als Druckmittel einzusetzen: Wenn du nicht folgst, streiche ich es!

Das Auszahlen des Taschengeldes sollte nicht mit Emotionen beladen werden. Kinder fühlen sich sowieso abhängig genug. Wer das Geld als Strafmaßnahme missbraucht, nimmt dem Kind die Planungssicherheit, etwa wenn es auf einen größeren Wunsch spart. Dabei soll es ja den Umgang und das Einteilen seines Budgets lernen.

Süßigkeiten, Sammelkarten oder auch Schulsachen: Was sollten Kinder von ihrem Taschengeld zahlen müssen?

Jüngere sollten es zur freien Verfügung erhalten. Mit Jugendlichen können die Eltern das aber durchaus verhandeln: Du kannst mehr Geld bekommen, musst davon aber bestimmte Dinge kaufen. Wenn etwa ein 14-Jähriger 75 statt 25 Euro bekommt, muss er davon auch Schulsachen und Kleidung kaufen. Das sollten Eltern nicht nur mit dem Kind diskutieren, sondern das Einteilen auch ein bisschen begleiten, damit der Betrag nicht schon am Monatsanfang ausgegeben ist.

"Kleine Nebenjobs schaden nicht"

Und wenn sich das Kind diese Planung noch nicht zutraut?

Fängt man eben kleiner an: Wenn es eine bestimmte Markenjacke will, zahlen die Eltern einen Grundbetrag, die sie für eine durchschnittliche Jacke ausgeben würden. Der Teenager begleicht die Differenz zur Markenware und muss notfalls auch darauf sparen. Darüber hinaus sind bestimmte Aufgaben, die über das normale Helfen im Haushalt hinausgehen, wie etwa Rasenmähen, eine gute Gelegenheit, sich etwas dazuzuverdienen. Und der Nachwuchs versteht den Zusammenhang: erst arbeiten, dann kassieren.

Sollten Eltern den Jugendlichen erlauben, ihr Taschengeld auch mit Jobs neben der Schule aufzustocken?

Viele Eltern sehen es lieber, wenn das Kind nur lernt. Manche befreien es deshalb sogar von jeglichen Pflichten im Haushalt. Allerdings haben Studien im Umfeld der Pisa-Studie ergeben, dass Schüler, die daheim ordentlich mithelfen oder einen Nebenjob haben, sogar besser in der Schule sind. Denn die anderen mit mehr freier Zeit nutzen diese nicht unbedingt zum Lernen. Je nach schulischer Belastung und solange es kein Vollzeitjob wird, ist ein wenig Dazuverdienen in Ordnung. Aber Sport und soziale Kontakte sollten darunter nicht leiden. Klassiker sind Zeitungen verteilen, Regale einräumen oder Nachhilfe geben. Eines davon sollte zeitlich möglich sein, aber nicht alle drei.

Möglichkeiten, Geld loszuwerden, gibt es genug, die Werbung ist verlockend. Und dann sind junge Erwachsene plötzlich verschuldet. Haben sie keine Beziehung zum Geld entwickelt?

Für die meisten trifft das zum Glück nicht zu, dennoch steigt die Zahl junger Erwachsener in der Schuldenfalle. Von diesen haben tatsächlich viele nicht geübt und sich auch nicht damit auseinandergesetzt, was ein eigenständiges Leben kostet. Da muss die erste eigene Wohnung weiterhin dem gewohnten Standard entsprechen, obwohl sie sich die teure Ausstattung gar nicht leisten können. Und mit der Volljährigkeit haben sie plötzlich Pflichten, die sie vorher nicht kannten. Also nutzen sie ihr Handy, ohne auf die Kosten zu achten, weil sie das nicht gelernt haben. Und das Geld muss für Dinge reichen, die sie nicht bedacht haben: Nebenkosten, Auto, Roller, Versicherungen und Reparaturen.

Wie können Eltern ihren Kindern bewusst machen, was auf sie zukommt?

Indem sie über Geld reden. Was hat die Familie an Ausgaben und wie wenig bleibt dann noch übrig? Man kann ganz konkret zwei Monate lang gemeinsam mit den Jugendlichen ein Haushaltsbuch führen und verfolgen, wo das ganze Geld eigentlich bleibt. Davon haben manche überhaupt keine Ahnung, wenn sie in die Welt hinausgehen. Auch ich staune immer wieder über meine Studierenden, von denen manche mit Anfang 20 noch auf der Insel der Seligen leben, weil sie daheim wohnen. Die wundern sich, dass ihre Kommilitonen überlegen müssen, ob sie sich noch einen Kaffee in der Mensa leisten können.

Professorin Kirsten Schlegel-Matthies glaubt nicht, dass Kinder, die von allem ein bisschen zu viel haben, glückliche Kinder sind. Sie rät Eltern, zu spendable Verwandte lieber um Einzahlungen auf ein Konto zu bitten. Statt vieler Kuscheltiere, die das Zimmer vollstopfen, bekommt das Kind von der Summe irgendwann ein Fahrrad. Die Professorin für Haushaltswissenschaft an der Universität Paderborn lehrt am Institut für Ernährung, Konsum und Gesundheit. Sie hat bis 2010 das Projekt "Money & Kids" an Schulen in Nordrhein-Westfalen betreut und ist Autorin der Unterrichtshilfe Finanzkompetenz, gefördert durch das Bundesfamilienministerium.

Eine Tabelle mit Richtwerten für die Höhe des Taschengeldes sowie weitere Informationen finden Sie hier.

Endlich Taschengeld! Nur ist der empfohlene Betrag zu klein für die großen Wünsche: Mit zwei Euro können die jungen Kunden weder Ritterburgen noch Elfenfiguren bezahlen - doch für das Problem gibt es eine Lösung. Die Erziehungs-Kolumne.

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