Du sollst nicht bemalen die Wände der elterlichen Wohnung! Um sich an Regeln zu halten, müssen Kinder auf manchen Spaß verzichten. Verständlich, dass das nicht immer leichtfällt.
(Foto: squane / photocase.com)Manchmal haben Eltern das Gefühl, mit ihren Kindern nur über eines zu sprechen: "Tu dies nicht, mach das nicht!" Psychologin Anette Kast-Zahn gibt Tipps, wie Eltern ihrem Nachwuchs Regeln vermitteln, ohne diese immer wieder neu erklären zu müssen.
SZ.de: Was sollten Eltern beherzigen, damit sich ihre Kinder an Regeln halten?
Anette Kast-Zahn: Sie müssen darüber nachdenken, welche Werte und Regeln ihnen für ihre Kinder wirklich wichtig sind. Man liest viel über Erziehung, aber wenig darüber, dass Eltern klar sein muss, was sie ihren Kindern überhaupt vermitteln wollen.
Wie finden sie das heraus?
Das kann den Eltern niemand abnehmen. Sie können sich überlegen, was ihnen an ihrer eigenen Erziehung gut gefallen hat - und was sie auf keinen Fall von ihren Eltern übernehmen wollen. Für mich persönlich ist eine Richtschnur, zum einen die Bedürfnisse der Kinder zu befriedigen und andererseits zu sehen, dass nicht alles für sie gut ist, was sie selbst wollen. Da fangen die Regeln an. Kinder müssen lernen, was ihnen schadet und auf die Bedürfnisse anderer Rücksicht zu nehmen. Das ist die Kunst der Erziehung.
Eine hohe Kunst ...
Natürlich, aber mit zugewandten Herzen und gesundem Menschenverstand wird einem vieles schnell klar: Kinder würden gerne fünf Stunden am Tag vor dem Fernseher oder Computer hocken, mehr Süßigkeiten essen, überhaupt entscheiden, wann sie was essen und wann sie ins Bett gehen. Dass das nicht gut für sie ist, leuchtet wohl jedem ein.
Was macht es manchen Eltern dann so schwer, Regeln durchzusetzen?
In vielen Familien wird nur situativ reagiert. Idealerweise sollten Eltern grundsätzlich überlegen, welchen Rahmen sie setzen wollen, der immer gilt. Etwa, dass nur am Tisch gegessen und mit dem Brot in der Hand nicht im Wohnzimmer herumgerannt wird. Es ist hilfreich, diese Grundregeln zu ritualisieren. Sonst kostet es immens viel Kraft, sie jedes Mal aufs Neue auszuhandeln: Du bleibst jetzt aber sitzen! Der beliebteste Elternfehler ist das genervte Nachgeben. Und im Grunde wissen Mütter und Väter das auch.
Warum haben viele Eltern dennoch keine klare Linie?
Wenn ich in der Beratung frage: Welche Regeln gibt es bei Ihnen zu Hause?, ist es erstaunlich, wie lange manche nachdenken müssen, bis sie auf eine einzige kommen. Da sollten die Eltern sich zusammensetzen und Gedanken darüber machen. Und ruhig auch andere fragen: Wie geht ihr mit dieser und jener Situation um und wie vermeidet ihr diese und jene Konflikte? Man darf sich ruhig inspirieren lassen. Schließlich ist man immer wieder damit konfrontiert, dass das Kind tun möchte, was es nicht machen soll. Oder wiederum etwas machen soll, was es aber nicht will.
Wie setzen Eltern ihre Regeln durch?
Viele klagen, dass die Kinder ihnen nicht zuhören und sie nicht respektieren. Dabei liegt das an der Art, wie sie mit ihnen reden. Der häufigste Fehler ist es, dem Kind Vorwürfe zu machen, "Du naschst schon wieder!", oder Warum-Fragen zu stellen, "Warum musst du wieder Süßes essen?". Dieses Meckern geht zum einen Ohr rein, zum anderen wieder raus. Eltern sollten auch nicht bitten und betteln, damit machen sie sich klein. Dabei sind sie es doch, die ihr Kind anleiten sollen. Weitverbreitet sind Ankündigungen, die nicht umgesetzt werden: "Dann bekommst du eben nie mehr Süßigkeiten!" Oder auch Forderungen, ohne dass Konsequenzen folgen - das können Kinder natürlich nicht ernst nehmen. Wenn sich Eltern dann hilflos fühlen, schimpfen sie, drohen oder strafen, im schlimmsten Fall bis hin zu körperlicher Gewalt.
Also, wie macht man es besser?
Damit das alles nicht passiert, sollten Eltern Situationen vorausdenken. Ein Kind kann immer sagen: "Nein, das mache ich nicht." Dann sollten Eltern wissen, wie sie reagieren wollen: Klartext reden, ohne lange zu diskutieren. Also sagen Sie statt "Du hast wieder nicht aufgeräumt" besser ganz bestimmt, aber freundlich: "Bitte räume die Legosteine in diese Kiste." Und gehen Sie dabei auf Augenhöhe mit dem Kind, es soll schließlich merken, dass Sie es ernst meinen. Wenn es nicht will, wiederholen Sie die Aufforderung bis zu drei Mal - wie gesagt, ohne sich auf Diskussionen einzulassen, denn die führen in vielen Familien dazu, dass Eltern genervt nachgeben. Wenn sich das Kind dann immer noch weigert, muss eine logische Folge kommen, die Sie ankündigen: "Wenn du es nicht wegräumst, mach ich es. Aber dann räume ich die Legokiste in dieser Woche auf den Schrank." Danach bekommt das Kind die nächste Chance, sich an die Regel zu halten.
Welche Konsequenzen sind denn logisch?
Eine Richtlinie ist die Trennung vom Streitobjekt: Ist das Kind verbotene Wege mit dem Fahrrad gefahren, wird es weggesperrt. Hat es heimlich ferngesehen, fällt das Kinderprogramm aus.