Expertentipps zur Erziehung:"Auch Eltern lernen in der Krabbelgruppe dazu"

SOS Kinderdorf

Beim Spiel mit Gleichaltrigen bekommen Kinder neue Anregungen.

(Foto: Jakob Berr)

Können Babys schon mit anderen Babys spielen? Brauchen Zweijährige eine Spielgruppe, um auf den Kindergarten vorbereitet zu sein? Sozialpädagogin Monika Hofmann erklärt im Interview, wie nicht nur Kinder, sondern auch die Eltern von Gruppenangeboten profitieren.

Von Katja Schnitzler

Zehn Mütter oder Väter sitzen mit mindestens zehn spielfreudigen Kindern in einem Gruppenraum, unterhalten sich oder singen mit den Kleinen. Monika Hofmann sagt, warum diese Treffen sogar für Babys schon eine Bereicherung sind und warum es nicht so schlimm ist, wenn manche Krabbelgruppen mehr einem Kaffeeklatsch ähneln.

SZ.de: Was entgeht Kindern, deren Eltern Krabbelgruppen meiden?

Monika Hofmann: Vor allem der Kontakt zu Gleichaltrigen, besonders für Einzelkinder. Allerdings hat sich der Zulauf zu den Krabbelgruppen in den vergangenen 20 Jahren extrem gewandelt. Früher boten die kirchlichen Träger jeden Vormittag und oft auch nachmittags Gruppen an, weil es so viele Interessenten gab. Heute sind aufgrund der veränderten Arbeitswelt viele Kinder in der Krippe, da haben Mütter und Väter kaum Zeit für eine zusätzliche Eltern-Kind-Gruppe.

Wieso ist der Kontakt zu Gleichaltrigen so wichtig? Reichen ältere Geschwister als Vorbilder nicht aus?

Selbst wenn nur ein Jahr zwischen den Geschwistern liegt, ist der Unterschied in der Entwicklung und den Interessen enorm. Natürlich beobachten Babys ihre Schwestern und Brüdern gerne, sind aber noch nicht so schnell in ihrer Auffassungsgabe. Da sind die Älteren oft schon wieder weitergesaust und das Kleine kommt mit dem Schauen nicht hinterher. In Gruppen für die ganz Kleinen hingegen, wie zum Beispiel Pekip-Kurse (Anm. d. Red.: Pekip, das Prager-Eltern-Kind-Programm, bietet angeleitete Treffen von Eltern mit Babys), ist es oft so, dass ein Baby etwas macht und alle anderen schauen wissbegierig zu. Oder lauschen einfach. Aus der Hirnforschung wissen wir, dass Babys schon viel mehr aufnehmen, als man früher dachte. Und auch die Eltern lernen bei den Treffen hinzu.

Inwiefern?

Sie werden dafür sensibilisiert, dass zum Beispiel beim Wickeln auch Zeit für Streicheleinheiten oder ein "Zwiegespräch" mit dem Kind ist. Und den Eltern tut es gut, von anderen zu hören, dass sie nicht die Einzigen waren, die in der vergangenen Nacht fünf Mal aufstehen mussten. Diese Erfahrungen und Tipps können den hektischen Familienalltag durchaus bereichern.

Allerdings haben Baby- und Krabbelgruppen eher den Ruf, gesellige Kaffeerunden zu sein ...

Das kommt ganz auf die Gruppe an: Ist sie angeleitet oder nur ein zwangloser Treff? Außerdem ist es völlig legitim, das Kaffeetrinken zu genießen, während die Kinder den Gruppenraum erforschen. Schließlich dienen die Gruppen auch zum Austausch und zur Entspannung der Eltern - und das kommt wieder dem Kind zugute.

Wie können Eltern auf den Kindergarten vorbereiten?

Was ist der Unterschied zu einer angeleiteten Gruppe?

Man muss keine Angst haben, dass es im allgemeinen Förderwahn eine Art "Lehrplan für Krabbelgruppen" gibt. Es geht eher darum, über den familiären Tellerrand hinauszuschauen und auch den Blick fürs Kind zu schärfen: Was kann es schon, worauf haben es die Kinder neugierig gemacht? Dabei geht es nicht um eine Erwartungshaltung, was ein Kind in einem bestimmten Alter können muss, sondern um eine liebevolle Einstellung zum Kind. Und darum, ihm Möglichkeiten zu eröffnen. Daher werden je nach Entwicklungsstand zum Beispiel Stapelspiele zur Verfügung gestellt, Rituale gepflegt und immer mal wieder neue Lieder geübt.

In einigen Städten und Gemeinden gibt es für Zweijährige die Möglichkeit, an mehreren Vormittagen in der Woche eine Spielgruppe als Vorbereitung auf den Kindergarten zu besuchen, ohne die Eltern. Wie erkennt man eine gut geführte Gruppe?

Für Kinder und auch die Eltern ist es ein großer Schritt, wenn ein Kind ohne sie in der Gruppe bleibt. In einer guten Gruppe ist dieser Loslösungsprozess sachte gestaltet und auf keinen Fall nach dem Prinzip "rein und weg". Gerade weil die Gruppe nicht täglich stattfindet, brauchen sensible Kinder länger für die Eingewöhnung. Und auch die Eltern sollten beim Loslassen begleitet werden.

Nun sind die Plätze in diesen Spielgruppen knapp. Wie können Eltern ihr Kind für den Kindergarten stärken, wenn es weder in Krippe noch Spielgruppe unterkommt?

Wer seinen Alltag mit Kind liebevoll gestaltet, eine anregende Umgebung schafft, die es entdecken darf, und auch mal andere Familien mit Kindern trifft, tut bereits einiges für die Vorbereitung. Die wesentlichen Dinge passieren immer in der Familie, Krippe und Kindergarten sind nur Ergänzung. Darüber hinaus kann man Angebote wie Kinderturnen oder -schwimmen wahrnehmen, um das Selbstbewusstsein des Kindes zu stärken. Oder das Kind bleibt mal kurze Zeit bei der Oma oder einer Freundin, während die Mutter weg ist - und merkt, dass sie ja wiederkommt. Das kann man mit Jüngeren sogar beim Versteckspiel üben: Sie sehen die Eltern nicht, aber wissen, sie sind noch da. Und tauchen wieder auf.

Die Sozialpädagogin Monika Hofmann leitete diverse Eltern-Kind-Gruppen und hat ein Montessori-Diplom sowie ein Pekip-Zertifikat. Sie ist Ko-Autorin von "Treffpunkt Krabbelgruppe: Eine Ideenbörse für Eltern mit kleinen Kindern".

In Krabbelgruppen treffen Einzelkinder zum ersten Mal regelmäßig auf Gleichaltrige. Das hat nicht nur schöne Seiten und kann einem Kulturschock gleichkommen. Die Erziehungs-Kolumne "Kinder - der ganz normale Wahnsinn"

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