Escada: Die Pleite:Zwischen allen Goldstühlchen

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Mit seinen opulenten Entwürfen ließ Escada seine Kundinnen viel zu lange tantig aussehen, weil der Konzern nicht einsehen wollte, dass die Zeit der Goldknöpfe schon lange vorbei ist.

Violetta Simon

Escada und die Pleite - dafür kann der Konzern nicht allein die Finanzkrise verantwortlich machen. Vielmehr haben die Münchner eine elementare Modesünde begangen: Sie sonnten sich viel zu lange im Ruhm der achtziger Jahre - und haben sich von dem großknopfigen Glamour-Stil, der Escada damals zum Erfolg führte, nie mehr gelöst.

Mag sein, dass Diana in den Achtzigern als Trend-Ikone galt - im Jahr 2009 könnte man sich bestenfalls Königin Silvia in Escada vorstellen. (Foto: Foto: Getty Images)

Eine Frau in einer Escada-Robe mit ihren üppigen Applikationen erinnert immer ein bisschen an die Darstellerinen in den US-Serien "Dallas" und "Denver Clan". Glamour, Glitzer, Opulenz - Escada lebte von Übertreibungen, der Name steht für knallige Farben und goldene Knöpfe. Um die Mode von Escada zu verstehen, sollte man wissen, dass der meist verkaufte Entwurf ein Abendoverall aus Seide mit breiter Schärpe war.

Am besten verkaufte sich die Mode in den USA und in Osteuropa, wo die Damen der High-Society nachweislich einen Hang zur knalligen Opulenz haben. Hollywood-Stars wie Kim Basinger und Demi Moore präsentierten sich in den Glitzerroben, auch Laura Bush saß vergangenes Jahr bei einer Escada-Modenschau in Washington in der ersten Reihe.

Als Margaretha und Wolfgang Ley 1976 in München die Marke Escada ins Leben riefen, ließen sie sich zu dem Firmennamen von einem irischen Rennpferd inspirieren. Die Aufgabenverteilung war klar: Das schwedische Topmodel war für den kreativen Bereich zuständig, der Unternehmer für die Finanzen.

Mit seinen prätentiösen, überkonstruierten Entwürfen schaffte es das Label innerhalb kürzester Zeit in die Liga der Luxuslabels - es machte Louis Vuitton, Hermes oder Prada die Kunden des internationalen Jet-Sets streitig. Auch Prinzessin Diana fühlte sich wohl in den kastenförmigen Kostümen und karierten Jacken - und trug zum weltweiten Ruhm des Labels bei. Für ihr Werk erhielt Margaretha Ley 1987 den Dallas Fashion Award.

Dass das Unternehmen durch die Verarbeitung von echten Pelzen immer wieder in die öffentliche Kritik von Tierschützern geriet, konnte dem Image der Marke nur dienen.

Nach dem Tod seiner Frau im Jahr 1992 führte Wolfgang Ley die Firma Escada zunächst weiter. Doch die Kollektionen wirkten zunehmend altbacken, gingen immer öfter am Trend vorbei; die Qualität des Materials ließ nach. 2006 übergab Ley an seinen Nachfolger und verließ schweren Herzens das Unternehmen, das er immer als sein Lebenswerk betrachtete.

Das alles hätten die zahlungskräftigen Kundinnen dem Konzern vielleicht noch verziehen. Doch im Jahr 2007 passten sie auf einmal nicht mehr in ihre gewohnte Konfektionsgröße - statt zur schmeichelhaften 38 waren sie gezwungen, zu 40 oder 42 zu greifen. Der Grund: Berater hatten den Produktionsfirmen von Escada empfohlen, die Formen und Schnitte zu verjüngen.

Zu viele Blümchen, Rüschen und Schößchen

Nach mehreren Führungswechseln holte man den einstigen Hugo-Boss-Chef Bruno Sälzer an die Spitze des Konzerns - eine gute Entscheidung, wie Firmengründer Ley sagte: "Ich weiß, dass mein Baby jetzt in guten Händen ist".

Sälzer krempelte auch gleich die Ärmel seiner Boss-Anzüge hoch, die er noch immer trug, und diagnostizierte erst einmal die gröbsten Fehler der vergangenen Kollektionen: "Zu viele Blümchen, Rüschen und Schößchen, kombiniert mit Applikationen und Farben."

Nachdem er dafür gesorgt hatte, dass die Kundinnen wieder in ihre gewohnte Konfektionsgröße passten, erteilte er in seiner neuen Kollektion der goldbeknöpften Pracht gleich mal eine Absage und sorgte für reduzierte Eleganz. Topmodel Eva Herzigova - in das firmentypische Pink gehüllt - sollte Escada künftig repräsentieren.

Doch obwohl die neuen Entwürfe, die Sälzer im Juli in München präsentierte, bei den internationalen Einkäufern gut ankam, konnte er das Ruder nicht mehr herumreißen. Für Escada war es bereits zu spät: Das Unternehmen ist pleite.

Mittlerweile ist die Zeit der goldenen Knöpfe definitiv vorbei, die Mode strahlt für heutige Zeiten zu viel Gediegenheit aus, mutet zunehmend tantig an. Mag sein, dass Diana in den Achtzigern als Trend-Scout galt - im Jahr 2009 könnte man sich bestenfalls Königin Silvia in Escada vorstellen.

"Die Marke ist zwischen allen Goldstühlchen gelandet", erklärt Wolfgang Joop das Dilemma. Die Marke habe in drei Jahrzehnten kein wiedererkennbares Symbol geschaffen, etwa wie das Chanel in Form des Kostüms getan habe. Dafür hält Bunte-Chefredakteurin Patricia Riekel dem Label die Treue: "Die traumhaft schönsten Abendkleider Deutschlands macht immer noch Escada."

Die Zeit bleibt für Escada stehen

Erst kürzlich organisierte Escada-Chef Sälzer im Berliner Bode-Museum am Rande der Berliner "Fashion Week" eine Schau der Escada-Klassiker der vergangenen 30 Jahre: Gold-bestickte Samtjacken, Cocktailkleider, Kostümjacken, Kleider mit schimmernden Pailletten. Der aktuelle Lieblings-Entwurf des Schwaben lässt vermuten, dass auch für den neuen Mann an der Spitze die Zeit hin und wieder stehen bleibt: ein bodenlanges Kleid in hellrosa, schulterfrei, mit Röschen aus Tüll bestickt.

Die "Pink Party" anlässlich der Rückschau auf 30 Jahre Escada im Bode-Museum hat Escada etwa 300.000 Euro gekostet. Sälzers Kommentar: "Mode läuft über Inszenierung. Wir wollen ein Zeichen setzen."

Eigentlich wollte Escada jetzt erstmals eine neue Trachten-Kollektion präsentieren - rechtzeitig zur Oktoberfest-Saison. Ob es die Dirndl bis auf die Wiesn schaffen, bleibt offen.

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