Erziehungsfragen:Was tun, wenn die Oma trinkt?

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Die Oma trinkt am Vormittag gerne Wein.

(Foto: dpa)

Die Schwiegermutter kümmert sich toll um das Enkelkind. Aber bis Mittag leert sie eine halbe Flasche Wein. Ist sie als Babysitterin geeignet? Experten antworten.

Leserin Maria K. aus Ingolstadt fragt:

Meine Schwiegermutter ist eine tolle Oma: Sie springt ein, wenn nötig, und kümmert sich liebevoll um ihr Enkelkind (2). Wenn ich unseren Sohn abhole, fällt mir allerdings auf, dass oft mittags eine halbe Flasche Wein leer ist. Sie ist zuverlässig, aber wohl ist mir dabei nicht. Mein Mann teilt meine Sorge nicht. Wie kann ich ihr sagen, dass ich sie lieber "nüchtern" einsetze?

Drei Experten antworten:

Kirsten Boie: Suchen Sie nach Betreuungsalternativen

Kirsten Boie

Kirsten Boie ist Schriftstellerin und Autorin von mehr als hundert Kinder- und Jugend büchern, darunter die allseits bekannten und geliebten Geschichten "aus dem Möwenweg" oder die Abenteuer des kleinen "Ritter Trenk".

(Foto: Christian Charisius/dpa)

Das ist heikel, vor allem, weil Ihr Mann kein Problem sieht - und da es um seine Mutter geht, vielleicht auch gar keines sehen möchte. Ohne Ihren Mann werden Sie kaum etwas bewegen können. Darum müssen Sie sich zunächst mit Ihrem Mann darüber einigen, dass es sich um ein schwerwiegendes Problem handelt. Denn wie "zuverlässig" kann die Oma sein, wenn sie trinkt? Natürlich glaubt sie, nur so viel zu trinken, dass sie immer alles unter Kontrolle hat, und je mehr sie trinkt, desto stärker wird diese Überzeugung. Alkohol führt ja zu Selbstüberschätzung. Ich fürchte, selbst wenn Ihre Schwiegermutter nach einem Gespräch mit Ihnen nicht verärgert wäre und verspräche, nicht zu trinken, solange sie auf das Kind aufpasst, wäre sie dazu gar nicht in der Lage. Eine halbe Flasche Wein mittags klingt nach Sucht, und das kann sie kaum mehr selbst kontrollieren.

Wenn Sie den Mut aufbringen zu sagen, dass die Oma das Kind nur noch betreuen darf, wenn sie nicht trinkt, wird sie vielleicht zustimmen, aber die Flasche von jetzt an verstecken. Sie sind zu Recht in Sorge: Ein alkoholisierter Babysitter ist gefährlich, dem können Sie Ihr Kind kaum mehr anvertrauen. Ich vermute, Sie müssen nach Betreuungsalternativen suchen, gemeinsam mit Ihrem Mann.

Jesper Juul: Ihr Mann ignoriert das Problem

Jesper Juul

Jesper Juul ist Familientherapeut in Dänemark und Autor zahlreicher internationaler Bestseller zum Thema Erziehung und Familie.

(Foto: Franz Bischof)

Sie sollten mit Ihrer Schwiegermutter darüber nicht alleine sprechen. Das ist die Aufgabe Ihres Mannes. Seine Reaktion ist typisch männlich: Er sieht nicht, dass seine Mutter ein Problem hat, als Sohn ist er vielleicht blind dafür. Nur ignoriert er dabei, dass seine Frau ein Problem damit hat, und das ist ein Fehler. Daher müssen Sie zunächst mit ihm einig werden, dann ist ein Gespräch mit der Schwiegermutter möglich. Ihr Mann sollte der Wortführer sein. So werden aus Knaben Männer.

Katia Saalfrank: Alkohol wird oft verharmlost

Katia Saalfrank

Katia Saalfrank ist Pädagogin, Musiktherapeutin und wurde als Fachberaterin in der Sendung "Die Super Nanny" bekannt. Heute arbeitet sie in ihrer eigenen Praxis in der Eltern- und Familienberatung.

(Foto: picture alliance / dpa)

Jeder ist für sich selbst verantwortlich, gerade was den Genuss von Suchtmitteln angeht. Die Verantwortung bringt aber mit sich, dass nie Dritte, schon gar nicht einem anvertraute Kinder, gefährdet werden. Sie sind dafür verantwortlich, dass Ihrem Kind nichts passiert bzw. dass Sie Ihr Kind jemandem übergeben, der Ihr Kind keinen unnötigen Gefahren aussetzt. Alkohol wird oft verharmlost.

Wenn Sie sich und Ihre Gefühle ernst nehmen, kommen Sie wohl um eine Auseinandersetzung mit Ihrem Mann und dann mit der Oma nicht herum. Ich finde es wichtig, dass Sie Ihren Eingangssatz emotional präsent haben und als Botschaft senden: Ihre Schwiegermutter ist eine tolle Oma! Wenn Sie in einen konstruktiven Dialog über ihren Alkoholkonsum gelangen wollen, brauchen Sie Offenheit, Unvoreingenommenheit und echtes Interesse daran, etwas über sie zu erfahren.

Wenn Sie ohne Vorwürfe in ein Gespräch gehen können, erfahren Sie vielleicht, welche Rolle der Alkohol für sie spielt, und können besser einschätzen, ob Ihnen zu Recht "unwohl ist". Es wäre gut, wenn Sie zu einer Einigung kommen - ansonsten müssten Sie überlegen, wie Sie ihr das Kind auch ohne Unwohlsein anvertrauen können oder eben eine andere Lösung finden.

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