Erziehungsfragen:Was tun gegen Geschwisterrivalität

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Geschwisterrivalität ist auch ein wichtiges Trainingsfeld für das spätere Leben. (Foto: zoeytoja - Fotolia; zoeytoja/Fotolia/zoeytoja - Fotolia)

Was soll man mit dem eifersüchtigen Siebenjährigen machen, der seine kleine Schwester permanent drangsaliert? Experten antworten.

Von Kirsten Boie, Jesper Juul und Collien Ulmen-Fernandes

Leserin Andrea L. aus München fragt:

Als unsere Tochter vor zwei Jahren geboren wurde, war unser Sohn (heute 7) sehr eifersüchtig. Wir dachten, dass sich das mit der Zeit legt, doch es wurde schlimmer: er drangsaliert sie, wann er nur kann, ständig gibt es Tränen und Geschrei. Wir reden viel mit ihm und unternehmen bewusst Ausflüge mit ihm allein, nichts hilft. Was sollen wir tun?

Experten antworten:

Kirsten Boie ist Schriftstellerin und Autorin von mehr als hundert Kinder- und Jugendbüchern. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Kirsten Boie: Er muss die neue Situation akzeptieren

Jedes (!) Kind wird durch ein neues Geschwisterchen zunächst in eine Krise gestürzt. Nichts ist mehr, wie es war, egal wie sehr die Eltern sich bemühen. Auf einmal widmen sie einen großen Teil ihrer Zeit einem anderen Kind, man selbst steht nicht mehr im Mittelpunkt. Das ist sehr verunsichernd - und zwar umso stärker, je mehr das Kind bis dahin einziger Dreh- und Angelpunkt des Elternlebens war und sein Selbstwertgefühl hauptsächlich aus ihrer Bewunderung und Zuwendung bezogen hat, nicht auch aus der Erfahrung eigener Möglichkeiten, Fähigkeiten und Beziehungen zu anderen.

Der beste Weg ist nach meiner Erfahrung, den "Großen" zu zeigen, dass sie auch in der neuen Rolle von den Eltern immer noch geliebt werden und wichtig sind: Zum Beispiel, indem man sie helfen lässt, wo das möglich ist. Der Versuch, für Ihren Sohn die alte Rolle aufrechtzuerhalten, ist - so schön Ausflüge mit ihm allein ab und zu sein mögen - zum Scheitern verurteilt. Er muss, auch wenn es wehtut, die neue Situation akzeptieren: "Wir haben jetzt zwei Kinder, und wir haben euch beide gleich lieb. Darum lassen wir es nicht zu, wenn du deiner Schwester etwas tust. Dann musst du mit unseren Reaktionen rechnen."

Gegen Geschwisterrivalität kann niemand etwas tun, sie gehört dazu und ist auch ein wichtiges Trainingsfeld für das spätere Leben - aber in der Regel lieben Geschwister einander nach einer kurzen Zeit trotzdem sehr. Und dann für den Rest des Lebens!

Meiner Erfahrung nach wird es schwierig, weil es schon so lange so geht. Mein einziger Rat wäre, dass Sie sich mit seinem Vater zusammensetzen und versuchen zu akzeptieren, dass dies der einzige Sohn ist, den Sie haben, und dass er gute Gründe für sein Verhalten haben wird.

Wir müssen das zunächst annehmen, bevor wir etwas ändern können. Gehen Sie dann zu ihm und sagen Sie: "Uns tut es leid, dass wir deine Gefühle deiner Schwester gegenüber nicht von Anfang an ernst genommen haben. Das war unser Fehler, nicht deine Schuld. Seit es unser Familienleben schwierig macht und so ganz anders, als wir uns das vorgestellt haben, sind wir nun bereit, dich zu fragen, wie es dir geht und warum." Seit vielen Jahren habe ich eine Faustregel: Wenn du alles versucht hast, ohne Erfolg, dann versuche, die Wahrheit über dich zu erzählen.

So hart diese Zeit für Sie und Ihre Familie sein mag: Es geht vorbei. Die Geschwister, die ich kenne und die sich als Kinder gegenseitig auf das Härteste drangsaliert haben, sind mittlerweile beste Freunde. Auch meine Schwester und ich gingen durch Zeiten der Rivalität mit Spielzeugklau und dreisten Lügen vor den Eltern (damit die jeweils andere die Schuld bekam für das, was man selbst ausgefressen hatte).

Inzwischen verbindet uns ein unauflösbares Band, denn mit niemandem kann man so toll über die Macken der Eltern lästern. Stellen Sie sich beim nächsten Eifersuchtsanfall Ihres Sohnes einfach vor, wie Ihre beiden Kinder in zwanzig Jahren mit einem Rotweinglas auf der Terrasse sitzen und über Ihre Marotten lachen.

© SZ vom 10.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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