Erziehungsfragen:Darf sich eine Mutter über ihren pubertierenden Sohn lustig machen?

Der Sohn hat Stimmungsschwankungen, sie begegnet ihm mit Humor. Sollte sie damit aufhören? Drei Experten geben Rat.

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Quelle: Count*0 / photocase.de

Unser zehnjähriger Sohn bekommt erste pubertäre Anwandlungen. Noch recht harmlos, aber manchmal wird er sehr wütend und tobt. Ich weiß, dass ich lernen muss, wie ich mit seinen Hormonschüben umgehe. Aber gerade finde ich das noch lustig und neige dazu, ihn zu veräppeln. Natürlich kommt das bei ihm nicht so gut an. Ist es schlimm, Kinder in der Pubertät auf den Arm zu nehmen? Janina K., München

Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de

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Kirsten Boie

Kirsten Boie

Quelle: Christian Charisius/dpa

Wenn Sie gelassen bleiben können, ist das großartig - offenbar können Sie das. "Veräppeln" allerdings ist für ein Kind, das gerade ohnehin außer sich ist, enorm kränkend, und wird Ihren Sohn nur noch verzweifelter machen. Denn seine Wut ist eigentlich kaum etwas anderes als die Steigerung von Verzweiflung. Er ist so wütend und durcheinander, dass er sich eben nicht zusammennehmen kann! Bleiben Sie gelassen: Wenn Sie so locker sind, ihn zu veräppeln, sind Sie bestimmt auch locker genug, freundlich, aber konsequent zu erklären, dass er sich und seinem Anliegen so nicht nützt und dass Sie diese Art des Umgangs nicht wollen. Wenn Sie es schaffen (und er Ihnen zuhört), sagen Sie ihm, dass Sie ihn zwar verstehen, sein Verhalten aber einfach nicht geht. Gemeinsam zu lachen ist großartig; ein Kind auszulachen ist kränkend.

Kirsten Boie ist Schriftstellerin und Autorin von mehr als hundert Kinder- und Jugend- büchern, darunter die allseits bekannten und geliebten Geschichten "aus dem Möwenweg" oder die Abenteuer des kleinen "Ritter Trenk".

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Jesper Juul

Jesper Juul

Quelle: Anne Kring

Das ist erlaubt, aber nicht, wenn er es hören kann. Es schadet der Beziehung zu Ihrem Sohn, weil es ihn auf eine hormonelle Phase reduziert. Würden Sie es mögen, wenn er Sie als Reaktion darauf als "typische Frau in den Wechseljahren" bezeichnet? Dass Sie sich frustriert und hilflos fühlen, ist hingegen total okay. Das führt häufig zu aggressiven Gefühlen und Verhalten. Ich habe die Hoffnung, dass Sie bereit dafür sind, sich als Mutter und Frau weiterzuentwickeln, und dass sein unstetes Verhalten Ihr zwischenmenschliches Gespür und Verhalten provoziert und inspiriert. Ein Tipp: Teenager hassen Eltern, die alles besser wissen. Sie sehen, dass ihre Eltern kein perfektes Leben führen ... und sie verzeihen ihnen das jeden Tag, aber erst nachdem sie geschrien haben: Ich hasse dich für immer! Das liegt an all dem Guten, das ihnen die Eltern mitgegeben haben. Nur wird es ein paar Jahre dauern, bis sie das auch zugeben können. Wenn die Beziehung auf einem guten Fundament stehen soll, ist es nun Ihre Aufgabe, ihr Kind zu lieben, egal, was gerade vorgefallen ist.

Jesper Juul ist Familientherapeut in Dänemark und Autor zahlreicher internatio- naler Bestseller zum Thema Erziehung und Familie.

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Collien Ulmen-Fernandes

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Quelle: Anatol Kotte

Grundsätzlich bin ich ein Freund des Eigene-Kinder-Veräppelns, so kann man ihnen den Spiegel vorhalten. Bei meiner Tochter ist dadurch schon mancher Knoten geplatzt und sie konnte über ihr Verhalten lachen. Aber Ihr Sohn ist in einer Phase der Unsicherheit. Wenn Sie sich über jemanden lustig machen, der unglücklich verliebt ist, dem überall Pickel wachsen, der sein Spiegelbild hasst, der sich über seine Wutanfälle wundert, dessen Stimme in den ungünstigsten Momenten bricht und der sowieso schon gebeutelt ist im täglich ausgefochtenen Krieg of Cool, kann das ihr Mutter-Sohn-Verhältnis erheblich beeinträchtigen und ihren Sohn zusätzlich verunsichern. Ich wäre deswegen mit dem Veräppeln in dieser Lebensphase vorsichtig. Versuchen Sie doch, die Gags eher in Richtung der überforderten Mutter gehen zu lassen, die nicht in der Lage ist, mit den Hormonschüben des Sohnes umzugehen. Oder machen Sie ihm Komplimente. Pubertierende ernähren sich davon wie Borkenkäfer von Rinde. Vielleicht erledigt sich das mit der Wut dann von alleine.

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin, Model und Moderatorin. Die zweifache Mutter hat bereits mehrfach Texte zum Thema Elternsein veröffentlicht, 2014 erschien von ihr das Buch "Ich bin dann mal Mama".

© SZ vom 11. März 2017/jana
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