Familientrio:Soll ich meine Kinder vor Konkurrenz schützen?

Eine Mutter macht sich Sorgen, dass ihre schüchterne Tochter durch ein Kind, das besser schwimmt, entmutigt wird. Sollten die beiden lieber nicht zusammen üben? Unsere Familienexperten antworten.

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Heike M. aus Germering fragt:

Portrait of smiling girl swimming under water in swimming pool model released Symbolfoto property re

Quelle: imago/Westend61

Meine Tochter, 7, ist eher schüchtern, aber sie ist eine Wasserratte und geht seit einiger Zeit sehr gerne in den Schwimmkurs. Jetzt möchten gute Freunde ihre ein Jahr ältere Tochter in den gleichen Kurs geben. Unsere Tochter ist der anderen oft unterlegen. Ich fürchte, dass die Große sie entmutigen wird. Darum würde ich den Freunden die Sache gerne ausreden. Ist das falsch?

Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de.

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Kirsten Fuchs

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Quelle: Stefanie Fiebrig

Es sollte Ihr Kind nicht entmutigen, dass jemand lauter, schneller, stärker, älter, besser ist, denn darum geht es gar nicht. Es werden ständig andere Kinder lauter, schneller, stärker, älter, besser sein, und damit Ihr Kind weiß, dass das wurscht ist, sagen Sie Ihrem Kind ganz klar: "Das ist wurscht!" Nicht mal "jeder kann was anderes, alle sind unterschiedlich, blabla". Nein! Das ist wurscht!

Vor der Erfahrung, dass andere Kinder, also allgemein Menschen, existieren, können Sie Ihr Kind nicht beschützen. Das ist ja das Anstrengende am Leben. Das Wichtigste ist, dass Ihr Kind weiß, dass es gut ist, so wie es ist. Egal, wie andere sind, denn alle sind unterschiedlich, und solange Ihre Tochter ihr Bestes gibt und Spaß hat, ist alles prima. Darum kann das andere Mädchen auch meinetwegen fliegen können, während Ihre Tochter immerzu über ihre Füße stolpert. Na und? Das ist genau jetzt eine prima Gelegenheit, dass sie das lernt, denn es ist viel wichtiger als schwimmen. Sie ist prima so, wie sie ist, und sie lernt in ihrem Tempo, und wie andere Kinder das machen, ist, habe ich ja oben schon zweimal gesagt: wurscht. Total wurscht!

Kirsten Fuchs ist Schriftstellerin und lebt mit Tochter, Mann und Hund in Berlin. Sie schreibt vor allem Kurzgeschichten und Romane, aber auch Theaterstücke sowie Kinder- und Jugendbücher. Ihr Buch "Mädchenmeute" erhielt 2016 den Deutschen Jugendliteraturpreis.

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Jesper Juul

Jesper Juul

Quelle: Anne Kring

Ihr Impuls, das Kind schützen zu wollen, ist in diesem Fall richtig. Die Schwierigkeit wird sein, wie Sie das formulieren, ohne dass es so aussieht, als wolle Ihre Tochter einfach nur die Bestimmerin in der Gruppe bleiben. Hier kommt mein Formulierungsvorschlag für Ihr Gespräch mit den Freunden: "Unsere Tochter durchlebt gerade einen heiklen Punkt in ihrer Entwicklung, wo sie versucht, etwas Selbstbewusstsein aufzubauen. Eine ihrer Stärken ist das Schwimmen, und wenn sie in die gleiche Gruppe wie eure Tochter kommt, wird sie sofort wieder anfangen, sich mit ihr zu vergleichen und sich minderwertig vorkommen. Aus diesem Grund würden wir uns wünschen, dass ihr eure Tochter in einen anderen Kurs einschreibt." Ich denke, die andere Familie wird das verstehen.

Jesper Juul ist Vater, zweifacher Großvater und Familientherapeut in Dänemark. Er hat zahlreiche Erziehungsratgeber geschrieben, darunter den in 14 Sprachen übersetzten Bestseller "Dein kompetentes Kind".

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Collien Ulmen-Fernandes

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Quelle: Anatol Kotte

Ich weiß nicht, woher Sie die Sicherheit nehmen, dass eine gute Schwimmerin den Elan Ihrer Tochter bremst. Jeder Sport funktioniert doch so, dass Techniken weitervermittelt werden und Wettbewerb entsteht. Sonst könnte man gleich gemeinsam Boule spielen gehen (und selbst da gibt es ein Leistungsgefälle). Könnte es nicht auch andersherum kommen? Vielleicht betrachtet Ihre Tochter ihre Freundin ja als Role Model, lässt sich von ihr ein paar Tipps mitgeben und tut alles dafür, in einem Jahr mindestens genauso toll schwimmen zu können. Ich kann mir gut vorstellen, dass die bessere Schwimmerin eine motivierende Wirkung auf Ihre Tochter hat. Sie kann sich von ihr etwas abschauen. Mithalten und besser werden zu wollen fördert doch ihren Antrieb und ihren Ehrgeiz. Auch wenn Ehrgeiz in unserer Quinoa-Generation gerne mal negativ konnotiert wird: Er hat Menschen zum Mond geführt - und sehr vielen das Schwimmen beigebracht.

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter hat mehrfach Texte zum Thema Elternsein veröffentlicht, 2014 erschien von ihr das Buch "Ich bin dann mal Mama".

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Quelle: SZ

Weitere Leserfragen und Expertenantworten finden Sie auf unserer "Familientrio"-Übersichtsseite.

© SZ vom 22.12.2018/eca
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