Familientrio:"Ich habe den Verdacht, dass mein Kind kifft"

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(Foto: mauritius images / Science Photo)

Ein Vater findet im Zimmer seines Sohnes Hinweise auf Joints. Soll er ihn darauf ansprechen oder es lassen? Unser Experten haben eine eindeutige Meinung.

Ich habe bei meinem Sohn, 16, in seinem Zimmer Zigarettenpapier gefunden. Eigentlich bin ich nur zufällig darauf gestoßen, weil ich dort leere Müslischüsseln und Teller eingesammelt habe. Ich habe schon länger den Verdacht, dass mein Sohn kifft. Soll ich ihn darauf ansprechen oder es lieberlassen? Er wird es bestimmt gar nicht gut finden, dass ich in seinem Zimmer war. Claus M., Potsdam

Margit Auer:

Margit Auer ist die Autorin der Kinderbuch-Bestseller-Reihe "Die Schule der magischen Tiere", die inzwischen mehr als acht Millionen Mal gedruckt und in 25 Sprachen übersetzt wurde. Sie hat drei erwachsene Söhne und lebt mitten in Bayern. (Foto: Auer)

Anscheinend findet Ihr Sohn es gut, dass wie von Geisterhand das dreckige Geschirr verschwindet, also müssen Sie sich aus dieser Ecke keine Sorgen machen. Um herauszufinden, dass jemand im Zimmer war, muss man wirklich nicht Sherlock Holmes sein, es ist offensichtlich. Natürlich sollen Sie Ihren Sohn auf das Zigarettenpapier ansprechen! Worüber sollten sich Vater und Sohn sonst unterhalten? Es ist immer ungut, wenn Themen, die einen umtreiben, nicht angesprochen werden. Ich würde aber keine stundenlange Diskussion deswegen anzetteln, sondern klipp und klar sagen, dass ich es nicht gut finde, wenn er kifft. Und man es genauso wenig gutheißt, wenn er Zigaretten rauchen würde. Dabei würde ich es belassen, denn, hüstel, das Experimentieren mit Joints und anderen Dingen gehört zum Erwachsenwerden dazu.

Herbert Renz-Polster:

Herbert Renz-Polster ist Kinderarzt, Wissenschaftler und Autor von Erziehungsratgebern und des Blogs "Kinder verstehen". Er hat vier erwachsene Kinder und lebt mit Frau und jüngstem Kind in Ravensburg. (Foto: Verlag)

Also dass Sie ab und an in seinem Zimmer sind, dürfte Ihr Sohn wissen, er denkt ja nicht, die Heinzelmännchen räumen bei ihm das Geschirr ab, oder? Und dann kommen verschiedene Überlegungen ins Spiel. Wenn sich Ihr Verdacht darauf gründet, dass Sie das Gefühl haben, Ihrem Sohn geht es nicht gut - ja, dann wäre das ein guter und dringender Grund, ins Gespräch zu kommen. Und auch wenn Sie selbst sich einfach Sorgen machen und aus diesem Grund ein ungutes Gefühl haben - raus mit der Sprache. Klar ist Kiffen inzwischen fast schon normal unter Jugendlichen, und doch ist regelmäßiger Konsum eindeutig von Nachteil für die Hirnentwicklung. Alles ist dann eine Frage des "Wie". Ihr Sohn darf von Ihren Sorgen wissen, er muss aber auch davor sicher sein, nicht von Ihren Sorgen begraben zu werden. Er wird sowieso seinen Weg gehen, mehr als ihn zu bitten, dass Sie ab und zu mit ihm zusammen in seine Reisekarte schauen dürfen, ist nicht realistisch. Sagen Sie offen, wenn Ihnen da ein Warnzeichen oder sonst was Sehenswertes auffällt. Je mehr er Ihr Vertrauen in sich selber spürt und je urteilsfreier Sie dabei sind, desto eher kommen Sie ins Gespräch. Und seien Sie nicht überrascht (ich spreche aus Erfahrung), wenn Ihr Sohn Sie dann auch auf Dinge auf Ihrer eigenen Reisekarte hinweist, etwa einen regelmäßig üppigen Alkoholkonsum etc.

Collien Ulmen-Fernandes:

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter wohnt in Potsdam und hat den Kinderbuch-Bestseller "Lotti und Otto" und den Elternratgeber "Ich bin dann mal Mama" verfasst. (Foto: Anatol Kotte)

Was für ein Klassiker der Erziehung! Da streift man ganz unbekümmert und ohne Hintergedanken durch das Kinderzimmer, um Essensreste und Unrat einzusammeln, und schon findet man Dinge, die am allerwenigsten für die Blicke der Eltern bestimmt sind. Aber Gegenfrage: Ließe sich eine Kindheit und Jugend, in der es nicht zu solch bösen Überraschungen kommt, überhaupt vorstellen? Vermutlich ist vor allem das Jugendzimmer geradezu dazu bestimmt, sorgenvolle Eltern mit unangenehmen Zufallsfunden in die Verzweiflung zu treiben. Gibt es dagegen ein Rezept? Kann man seine Kinder so erziehen, dass sie es nicht für nötig halten, unerfreuliche Geheimnisse vor den Eltern zu haben? Vielleicht, aber was wäre das dann für eine Kindheit? Sehen wir es doch mal positiv, Geheimnisse zwingen den Menschen in die Kreativität. Aber natürlich wissen wir Eltern auch, dass Kiffen nicht besonders zuträglich für die Entwicklung junger Gehirne ist - also sollten Sie es natürlich auch nicht auf die leichte Schulter nehmen. Verbote jedoch helfen bekanntlich wenig, Standpauken verursachen nur Renitenz, was also tun? Vermutlich hilft auch hier nur, wie so oft, Liebe und Verständnis. Und entweder Ihr Kind lässt es dann bleiben oder es kommt darauf, dass man sich zukünftig eben einfach bessere Verstecke für seine Geheimnisse ausdenken muss.

© SZ vom 19.02.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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