Familien-Newsletter:Wenn Kinder einen wütend machen

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(Foto: Illustration: Jessy Asmus)

Fangen Eltern das Schreien an, das Schimpfen - und manche auch das Schlagen. Über Gewalt in der Erziehung und wie man sie vermeidet.

Von Barbara Vorsamer

Dieser Text stammt aus dem Familien-Newsletter der Süddeutschen Zeitung. Hier können Sie ihn abonnieren.

Liebe Leserin, lieber Leser,

manche Geschichten, die ich schreibe, manche Menschen, die ich treffe, berühren mich mehr als andere. Michaela (Name geändert) war so jemand, die Frau, die mir von ihren elf Schwangerschaften und ihren sieben Abbrüchen erzählte. Oder Luka, der trans Junge (Name auch hier geändert, solche Schicksale kann man nicht mit dem Klarnamen der Betroffenen erzählen). Es sind Menschen, die für mich mehr sind als Protagonisten für einen Artikel. Da frage ich auch später oft noch mal nach, wie es so geht.

Vergangene Woche habe ich mal wieder so eine Geschichte geschrieben, die mir noch lange nachhängen wird. Darin gibt eine Mutter zu, dass sie ihre Kinder geschlagen hat. Und dabei geht es nicht um ein einmaliges "Hand ausrutschen" (was schlimm genug wäre). Sondern es geht um Gewalt gegen ihren Sohn, körperliche und psychische, zu der sie immer wieder griff, aus Wut, Verzweiflung, Überforderung, Ohnmacht.

Ein großer Faktor waren hohe Ansprüche an das Kind und die Erfahrung, die auch ich gemacht habe, die wahrscheinlich alle Eltern kennen: Man kann sich zwar alles Mögliche vornehmen, wie das so mit den Kindern und dem Familienleben zu laufen hat. Doch dann kommt es ganz anders als man denkt. Manchmal funktioniert einfach gar nichts, und manchmal kann weder das Kind noch man selbst etwas dafür. Das muss man aushalten. Sonja Hartmann (auch ihr Name ist geändert) schaffte das nicht. Im Text geht es vor allem um ihre Suche nach Hilfe. Denn sie wollte keine Gewalt ausüben, ihr brannten nur immer wieder die Sicherungen durch.

Der Artikel erschien vor einer Woche, ich habe bereits erste Leser-Mails bekommen. In einer stand der Vorwurf, ich würde zu sehr die Sichtweise der Mutter übernehmen, dabei seien doch die Kinder die wahren Opfer der Gewalt gewesen.

Das ist vollkommen richtig. Und für die Frage, was es für Folgen haben kann, wenn Menschen eine gewaltvolle Kindheit erleben müssen, kann ich nur ein weiteres Mal auf Michaelas Geschichte verweisen. Oder auf diese Reportage von Renate Meinhof über die Zunahme der Gewalt während des Lockdowns. Oder auf diesen Text von Charlotte Köhler über das kurze Leben des Pflegekinds Marvin.

Es ist furchtbar, wenn Kinder Gewalt erleben, und die Gesellschaft muss alles tun, um sie zu verhindern. Dazu gehört meiner Meinung nach aber auch: Täterinnen und Tätern zu helfen, zumindest denen, die keine mehr sein wollen. Denn dass man vor lauter Wut und Stress den Kindern nicht so freundlich begegnet, wie man eigentlich möchte, das kennen wohl alle Eltern. Über die Frage, ob Erziehen ohne Schimpfen und Schreien überhaupt geht, habe ich schon vor zwei Jahren diesen Text geschrieben.

Ein schönes Wochenende wünscht

Barbara Vorsamer

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