Süddeutsche Zeitung

Ergänzungs-Präparate:Vitamine bleiben unter Verdacht

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Für "wenig seriös" hält ein Ernährungswissenschaftler der Universität Hohenheim die Studie über die nachteilige Wirkung einiger Vitamine. Andere Experten können diese Kritik jedoch nicht nachvollziehen.

Werner Bartens

Mit Unverständnis reagieren Experten auf Kritik an einer umfassenden Studie über die Wirkung von Vitaminen.

Wissenschaftler aus Kopenhagen hatten in der vergangenen Woche im Fachmagazin Journal of the American Medical Association berichtet, dass die regelmäßige Einnahme der Nahrungsergänzungsmittel Vitamin A, E und Beta-Karotin das Leben verkürzen kann (sueddeutsche.de berichtete).

"Statistisch und methodisch ist die Arbeit auf hohem Niveau", sagt Gerd Antes, Leiter des unabhängigen Cochrane-Zentrums in Freiburg, das systematisch die Qualität medizinischer Untersuchungen bewertet. Für Vitamin C und Selen fällt die Bilanz neutral aus: Als Zusatz haben sie demnach zwar keinen Nutzen, dass sie das Leben verkürzen, konnte aber auch nicht festgestellt werden.

Konrad Biesalski, Ernährungswissenschaftler an der Universität Hohenheim, hat die dänische Studie am gestrigen Mittwoch als "methodisch wenig seriös" kritisiert.

Reagenzglas-Ergebnisse auf den Menschen übertragen

Der Presseagentur AFP sagte der Mediziner, dass ein Überschuss an Vitaminpräparaten bei gesunden Menschen zwar nichts nutze, andererseits "schadet er aber auch nicht".

"Eine solche Aussage ist angesichts der vorliegenden Daten kühn", widerspricht der Methodikexperte Antes. Es sei erstaunlich, "wie man eine viele Jahre umfassende, systematische Untersuchung so missverstehen kann."

Die Kritiker stellten Behauptungen auf, die sich unsystematisch und intransparent auf Ergebnisse berufen, die nur im Reagenzglas gewonnen wurden oder in der Literatur nicht zu finden seien und damit nur begrenzte Aussagekraft über die Wirkung am Menschen hätten, sagt Antes.

Es gebe verheerende Beispiele dafür, dass Menschen zu Schaden kamen, wenn Labordaten ungeprüft auf Menschen übertragen wurden.

"Dass übermäßiger Vitaminkonsum schädlich sein kann, ist seit langem bekannt", sagt auch Holger Schünemann, Epidemiologe an der McMaster-Universität in Kanada und Mitarbeiter des Nationalen Krebs-Forschungszentrums Italiens.

"Die dänische Studie ist gut gemacht und unterstreicht dies." Die Forscher aus Dänemark hatten mehrere Tausend Untersuchungen weltweit über zusätzliche Vitamingabe zusammengetragen, die 68 methodisch besten identifiziert und daraus eine systematische Auswertung erstellt.

Die 68 Studien unterteilten sie in methodisch gute und besonders gute, was Biesalski als "statistisch unsauber" kritisiert. "Diese Unterscheidung ist methodisch aufwendig und das Beste, was man heute machen kann", sagt Gerd Antes, "die weniger hochwertigen Studien sind fehleranfälliger und führen öfter zu verzerrten Ergebnissen."

Zehn bis 20 Prozent der Erwachsenen in Industrienationen nehmen Vitaminzusätze. Allein in Deutschland wird damit ein jährlicher Umsatz von fast 60 Millionen Euro erzielt. Ihre Hersteller geben viele Studien in Auftrag. "Wenn der Nutzen der Vitaminzusätze so eindeutig wäre, wie immer behauptet wird, müssten die vielen Studien längst klare Belege dafür liefern", sagt Antes. "Die fehlen allerdings bisher."

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SZ vom 8.3.2007
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