Süddeutsche Zeitung

Erfindungen:Nervenkitzler

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Achterbahnen erfordern Mut, machen schwindelig und lassen das Herz rasen. Torsten Schmidt ist Achterbahnerfinder.

Von Lena Puttfarcken

Sieben Mal über Kopf in weniger als einer Minute. Das ist der Freischütz, eine Achterbahn in einem Freizeitpark in Bayern. Innerhalb von zwei Sekunden erreicht die Bahn achtzig Stundenkilometer, dann geht es schon in den ersten Looping.

Ausgedacht hat sich die Bahn Torsten Schmidt, er ist Achterbahn-Erfinder. Für ihn ist der Freischütz die extremste Achterbahn der Welt. Er arbeitet bei einem Achterbahn-Hersteller in der Nähe von München. Seine Firma produziert Achterbahnen auf der ganzen Welt - in Florida, Spanien und China. Und eben auch in Bayern.

Wenn ein Freizeitpark eine neue Bahn möchte, zeichnet Torsten Schmidt die ersten Entwürfe. Zuerst schaut er sich einen Plan des Freizeitparks an und überlegt: Wie verlaufen die Wege dort? Wo soll der Eingang der Achterbahn sein? Welcher Teil ist am besten zu sehen? Dort sollte dann zum Beispiel die Beschleunigungsstrecke sein, bei der die Leute jubeln. Wenn man beim Anstehen zuschaut, kann man sich dann noch mehr auf die Achterbahn freuen.

So entwirft Torsten Schmidt die Achterbahn. Das fängt schon beim Start an: Soll die Achterbahn erst auf einen Hügel gezogen werden und von dort schnell herunterfahren? Oder soll sie einen Katapultstart bekommen, also aus der Start-Station herausschießen?

Außerdem muss der Achterbahn-Erfinder die Loopings, Hügel und Kurven so anordnen, dass sie immer kleiner werden, je später sie bei der Strecke auftauchen. Denn Achterbahnen haben normalerweise keinen Motor. Sie können auf den Schienen nicht Gas geben wie ein Auto und bekommen auch keinen Strom wie ein Zug. Also müssen sie am Anfang stark beschleunigt werden, und diese Energie muss bis zum Schluss reichen - oder er plant einen Zwischenschlepphügel ein.

Das alles überlegt sich Torsten Schmidt und macht einen ersten Entwurf auf Papier. Wenn der Kunde zufrieden ist, wird der Entwurf am Computer erstellt. Dabei lässt sich genau ausrechnen, ob alle Kurven und Loopings funktionieren können und die Wagen nicht mitten auf der Strecke stehen bleiben.

Aus dem Computermodell machen Maschinen in der Achterbahnfabrik in München dann echte Schienen aus Metall und biegen sie so zurecht, dass sie Loopings, Schrauben und andere Achterbahn-Elemente ergeben. Auch die Achterbahnwagen werden in der Nähe von München gebaut, sogar von Hand einzeln zusammengeschraubt.

Die Wagen und Schienen werden dann auf großen Transportern zu dem Freizeitpark transportiert und erst dort zu einer Achterbahn zusammengebaut. Aber fahren darf damit noch niemand. Erst einmal muss die Achterbahnfirma die Bahn ausgiebig überprüfen. Schon vor dem Bau müssen die Prüfer jeden Fehler bedenken, und für jeden möglichen Fehler muss es eine Absicherung geben. Selbst wenn sich eine Schraube lockert, gibt es Sicherungen, die dafür sorgen, dass nichts passiert.

Nur durch diese vielen Absicherungen machen Achterbahnen überhaupt so viel Spaß. Die hohe Geschwindigkeit, die engen Kurven und das Gefühl, über Kopf zu schweben - das heißt für den Körper: Gefahr! Man begibt sich in eine Situation, die man im normalen Leben nie erfahren würde. Weil man aber gar nicht wirklich in Gefahr ist, kann man diesen Nervenkitzel genießen.

Und woran ist eine gute Achterbahn zu erkennen? Der Experte Torsten Schmidt, der in seinem Leben schon etwa 200 verschiedene Bahnen gefahren ist, bewertet Achterbahnen nach zwei Kriterien: Sie dürfen nicht ruckeln, und die Übergänge müssen möglichst sanft sein. Das heißt, wenn es von einer Kurve in eine Gerade geht, sollte man nicht hin und her geworfen werden.

Seine Lieblingsachterbahn, den Freischütz, kann der Achterbahn-Erfinder übrigens nur zweimal hintereinander fahren, dann braucht er eine Pause. Sie hat so viele Loopings, dass ihm immer etwas schwindelig wird. Dann geht er erst einmal eine Runde durch den Freizeitpark.

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Quelle:
SZ vom 11.05.2019
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