"Er sagt, sie sagt" zu Werkzeug:"Kannst du nicht einfach mal was reparieren?"

"Er sagt, sie sagt" zu Bohrmaschine

Sind ein paar Schrauben locker? Kein Problem, er hat sein neuestes Spielzeug stets im Anschlag.

(Foto: iStockphoto/Ynfinity)

Für sie sind es nur ein paar Schrauben. Für ihn ist es DIE Gelegenheit, sein Werkzeug zu präsentieren.

Von Violetta Simon

Ein Samstagmorgen, Flohmarkt. Hektisches Treiben, viele Besucher sind schon da, während einige Händler noch ihre Stände aufbauen. Sie und er haben einen Tapeziertisch dabei, auf dem sie die Waren platzieren wollen.

Sie: Mein Gott, wie alt ist das Ding eigentlich? Das ist doch noch von deinen Eltern! Sieht mir nach Sechzigerjahre aus, mindestens. Ein Wunder, dass der noch nicht zusammengebrochen ist.

Er: Also bitte, dieser Tapeziertisch ist aus echtem Holz! Nicht irgendso ein Plastikteil auf Blechbeinchen. Das ist noch richtig gutes Qualitätshandwerk.

Sie: Na ja, er schwankt aber von Jahr zu Jahr bedrohlicher.

Er: Iwo, da schwankt nix. Räumst du schon mal die Kisten aus? Ich brauch jetzt erst mal Kaffee.

Sie: War ja klar.

Er geht zum Kaffeestand. Sie beginnt, das Zeug auszupacken und auf dem Tapeziertisch zu verteilen. Als sie eine Kiste mit Büchern auf dem Tisch abstellt, bricht er plötzlich zusammen. Der ganze Nippes rutscht wie in einen Trichter in die Mitte und auf den Boden. Verzweifelt versucht sie, die Tischplatte nach oben zu drücken und gleichzeitig die Sachen aufzufangen. Einige Leute kommen zuhilfe, stützen den Tisch und sammeln heruntergefallene Stücke ein. In dem Moment kommt er zurück, zwei Tassen Kaffee in der Hand, Butterbrezen unterm Arm.

Er: Was ist denn jetzt wieder?

Sie: Siehst du das nicht? Tu doch was!

Etwas umständlich entledigt er sich der Tassen und der Bäckertüte. Er schiebt einen Umzugskarton unter die eingeknickte Stelle. Dann kriecht er unter den Tisch und sieht sich die Metallleiste mit dem Verbindungsscharnier an.

Sie: Und?

Er: Die Schrauben sind alle rausgebrochen. Das kommt davon, dass du immer so viel Zeug drauflädst. Ein Tapeziertisch hält diese schweren Bücher eben nicht aus!

Sie: Ach, dann darf ich wohl nur Tapeten darauf anbieten? Wegen mir hätten wir die Bücher sowieso nicht verkaufen müssen. Würde dir nämlich nicht schaden, ein bisschen mehr zu lesen.

Er: Lenk nicht wieder vom Thema ab. Das Problem ist, dass du die Bücher ausgerechnet in der Mitte des Tisches platziert hast, wo die empfindlichste Stelle ist.

Sie: Seit drei Tagen tue ich nichts anderes als Schränke ausmisten und Zeug sortieren. Soll ich jetzt vielleicht auch noch überlegen, wo bei deinem Tapeziertisch die empfindlichen Stellen sind? Was denn noch alles!

Er: Ist ja gut. Jedenfalls müssen wir das Ding möglichst schnell wieder zusammenschrauben, sonst können wir gleich einpacken. Ich fahr schnell heim und hol Werkzeug - bin gleich zurück!

Sie: Bist ein Schatz. Aber beeil dich!

Nach zehn Minuten ist er zurück. In seinem Kopf spielt sich die Szene folgendermaßen ab: Er - ein Mann der Tat, der personifizierte Problemlöser - betritt die Wiese. Er hält einen Akkuschrauber im Anschlag, um die Hüfte trägt er einen Patronengürtel, in dem zehn Spax stecken. Die Menschenmenge verstummt und teilt sich respektvoll. Während er sich den Weg zu seinem Tapeziertisch bahnt, dröhnt aus imaginären Lautsprechern Puff Daddys "Come with me" - der Soundtrack von Godzilla.

Am Ende des Ganges steht, sichtlich genervt: sie. Der Soundtrack wird abrubt abgewürgt, die Leute wenden sich wieder plaudernd den Flohmarktständen zu und wühlen weiter.

Wenn der Akkuschrauber aufheult

Sie: Wo bleibst du denn?

Er: Ich musste in den Keller. Für den hier (er zückt das Gerät).

Sie: Du hast den Akkuschrauber angeschleppt?

Er: Willst du etwa zehn Schrauben hintereinander von Hand reindrehen? Ich dachte, du hast es eilig?

Sie: Hauptsache, du legst endlich los.

Sie drehen den Tisch auf die Seite. Er hält den Akkuschrauber in die Luft, betätigt zur Probe ein paar Mal den Motor (der in seiner Vorstellung laut aufheult und bewundernde Blicke von den Umstehenden erntet). Dann hält er das Verbindungsscharnier zwischen die beiden Tischplatten und beginnt, die erste Spax einzuschrauben.

Er: Jetzt wird alles gut, wirst sehen.

Er dreht die nächste Schraube ein. Bei der dritten verliert der Akkuschrauber hörbar an Geschwindigkeit.

Sie: Was ist das?

Er: Der Akku schwächelt. Wurde wohl schon länger nicht mehr aufgeladen.

Bei der nächsten Schraube gibt der Motor noch ein müdes Jaulen von sich. Dann tut er nichts mehr.

Sie: Na toll - das war's dann wohl für dein super Hightech-Gerät. Und unseren Flohmarktstand.

Er: Spotte du nur. Die Idee war genial.

Sie: Genial wäre gewesen, wenn du einen normalen Schraubenzieher mitgenommen hättest. Wenigstens als Ersatz - er hätte sogar in deine Hosentasche gepasst.

Er: Na hör mal, wozu hab' ich denn einen Akkuschrauber für 350 Euro?

Sie: Keine Ahnung, sag du's mir! Das Ding hat ein Vermögen gekostet und wiegt zweiweinhalb Kilo, und was kann es? NIX!

Er: Dieses "Ding" macht immerhin 30 Umdrehungen in der Sekunde. Und mit der integrierten Schlagbohrfunktion kannst du sogar Löcher in die Wand bohren!

Sie: Hör auf mit dem Gequatsche. Wir brauchen keine Löcher in der Wand, sondern einen Tisch, der nicht umfällt. Ich wollte einfach nur, dass du einen Schraubenzieher holst. Kannst du nicht einfach mal irgendwas reparieren?

Er: Ich suche mir eben nicht immer die einfachste Lösung. Sondern die perfekte.

Sie: Weißt du, was ich glaube? Das Problem ist gar nicht der Tisch. DU bist es, bei dem hier die Schrauben locker sind. Vielleicht setzt du deinen tollen Akkuschrauber mal an deinem Hirn an!

Er (holt tief Luft): Na warte, das war endgültig das letzte Mal, dass ...

In dem Moment meldet sich ein Typ zu Wort: "Verzeihung, ich habe eure Diskussion am Rande mitbekommen. Bevor die Situation eskaliert - ich hätte ein Schweizer Messer, da müsste auch ein Schraubenzieher dran sein."

Beide: Hast du Messer gesagt? Her damit!

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