Süddeutsche Zeitung

"Er sagt, sie sagt" zu Weihnachtsgeschenke:Diesmal schenken wir uns nichts

Zu Weihnachten auf Konsum verzichten, Zeit und Geld für Sinnvolles nutzen. Damit fängt der Ärger an. Ein Beziehungsdrama in Dialogform.

Eine Paarkolumne von Violetta Simon

Er: Mannomann, hast du gesehen, was die Leute alles anschleppen? Der reine Wahnsinn, diese Kauferei.

Sie: Und wozu das Ganze? Wieder ein Teil mehr, das im Regal verstaubt und die Schränke verstopft.

Er: Man sollte sich diesem Konsumwahn entziehen. Einfach nicht mitmachen.

Sie: Du sagst es.

Er: Ich bin froh, dass du das auch so siehst.

Sie: Was jetzt genau?

Er: Dass wir uns diesmal nichts schenken.

Sie: Ja, sicher. Sehe ich auch so. Absolut.

Er: Wunderbar.

Sie: Und du meinst: nichts - im Sinne von gar nichts?

Er: Das war der Plan, ja.

Sie: Klar. Meinetwegen. Hätten wir schon lange tun sollen. Allein der Stress, den wir uns ersparen. Man hat auch gleich mehr Zeit für andere Dinge.

Er: Ja, wir könnten doch mal unter der Woche Skifahren gehen.

Sie: Oder meine Eltern besuchen.

Er: Ich weiß nicht. Können wir nicht lieber alle zu uns zum Essen einladen?

Sie: Eigentlich habe ich keine Lust, für so viele Leute zu kochen.

Er: Aber wenn wir doch jetzt so viel Zeit haben!

Sie: Dann renovieren wir zuvor aber endlich die Küche!

Er: Ich bitte dich. So viel Zeit sparen wir uns auch wieder nicht.

Sie: Ich sehe schon: Du drückst dich mal wieder.

Er: Du schaffst mich. Ich schlage vor, wir vergessen das mit dem Konsumverzicht und verbringen die Vorweihnachtszeit wie jedes Jahr: durch rammelvolle Geschäfte latschen, Schlange stehen, Geld zum Fenster rauswerfen. Das ist sicher besser für die Stimmung.

Sie: Ich vermute, da könntest du sogar recht haben, mein Schatz.

Heiligabend. Unterm Baum liegen zwei ziemlich große Pakete.

Er: Wow, ist das für mich? (Er will das Paket sachte schütteln, in der Hoffnung auf einen Hinweis, dass es sich um die ersehnte X-Box handelt). Huch, das ist aber schwer.

Sie (geht auf das andere Paket zu): Wie lieb von dir. Du sollst doch nicht so viel Geld für mich ausgeben! (Sie will das Paket anheben in der Vermutung, es enthalte einen Paschminaschal oder ein Plaid - oder beides. Doch sie kann es nur mit Mühe bewegen). Was da wohl drin ist ...

Er: Dann packen wir jetzt beide aus, ok?

Sie öffnen ihre Pakete. In ihrem ist ein Handschleifgerät.

Sie: Oh!

In seinem ein Thermomix.

Er: Oh.

Sie sehen sich an.

Er: Ich dachte, wegen der Renovierung ...

Sie: Und ich - wegen der Essenseinladung für deine Familie ...

Beide schweigen betreten.

Er: Also gut. Nächstes Jahr, schenken wir uns nichts.

Sie: Und zwar nichts im Sinne von wirklich - nichts!

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