"Er sagt, sie sagt" zu Spaßbremse:Ausgetanzt

Kolumne "Er sagt, sie sagt"Thema Spaßbremse

Zusammen tanzen?

(Foto: Collage iStockphoto/SZ.de)

Sie amüsiert sich prima, er gar nicht. Warum verlässt er die Party nicht und geht allein nach Hause? Weil er eine bessere Idee hat.

Von Violetta Simon

Sie unterhält sich angeregt mit ein paar Leuten, wippt zur Musik, schlürft einen Cocktail aus einem sehr großen Glas. Er steht missmutig daneben und nippt an einer Cola.

Er: Wie sieht's aus, ich würde dann allmählich gern gehen.

Sie (sieht ihn fassungslos an und nimmt ihn rasch beiseite): Wie bitte, jetzt schon? Wir sind doch gerade erst angekommen!

Er: "Gerade erst" war vor dreieinhalb Stunden.

Sie: Es ist noch früh, kurz nach Mitternacht!

Er: Bei uns zuhause schläfst du immer um halb elf auf der Couch ein.

Sie: Da ist die Stimmung meistens auch etwas gedämpfter.

Er: Willst du damit etwa andeuten, dass dir die Stimmung bei uns zuhause nicht gefällt?

Sie: Oh bitte, können wir das ein andermal besprechen? Warum gehst du nicht schon mal heim? Ich komm' dann einfach später nach.

Er: Also wirklich, wie sieht das denn aus, wenn ich jetzt gehe - als würde ich mich langweilen!

Sie (verdreht die Augen): Was du ja nicht tust.

Er: Was jedenfalls niemanden etwas angeht.

Sie: Oh, hörst du das? Sie spielen unseren Song. Komm Tanzen!

Er: Du weißt doch genau, dass ich nicht tanze. Ich tanze nie.

Sie: Ich weiß, dass du nicht tanzt. Ich versteh' nur nicht, warum.

Er: Das habe ich dir doch schon tausendmal erklärt: weil ich es nicht kann.

Sie: Jeder kann tanzen, da ist doch nichts dabei!

Er: Ich habe aber keine Lust, zu tanzen wie jeder, nur damit ich auch dabei bin.

Sie: Quatsch. Natürlich hast du Lust.

Er: Kein bisschen. Kannst du mir glauben.

Sie: Unfassbar, was für ne Spaßbremse du bist!

Er: Ich geh dann mal. Aufs Klo.

Sie: Wie du willst, tanz ich eben allein.

Sie verschwindet auf die Tanzfläche. Nach einem durchtanzten Medley aus "I will survive", "It's raining men", "Y.M.C.A.", "Stayin' Alive" und "Dancing Queen!" schält sie sich aus der Menschenmenge und hält Ausschau nach ihm. Sie entdeckt ihn in einer Ecke, allein, mit Schräglage an einen Servierwagen mit Schnapsflaschen gelehnt.

Schamanentanz zum Fremdschämen

Sie: Sag' mal, was machst du denn da? Ich hab dich überall gesucht.

Er: Ich trinke mich durch die Bar. Was dagegen?

Sie: Nicht zu fassen. Kannst du dich nicht einfach amüsieren wie jeder andere auch?

Er: Du meinst, mit fremden Menschen über meine Verdauung sprechen, wie dein Freund Dieter? Oder die halbwüchsigen Töchter des Gastgebers anmachen wie dieser Heini mit dem aufgestellten Polohemdkragen? Oder mich gemeinsam mit dir auf der Tanzfläche zum Horst machen?

Sie: Dass du immer so negativ sein musst.

Er: Ich bin nicht negativ. Ich bin genervt. Und sehr, sehr müde. Also, was ist - kommst du?

Sie: Gleich. Sagen wir: noch fünf Minuten!

Sie (nach fünf Minuten): ... nur noch das eine Lied!

Sie (nach dem einen Lied): .... muss schnell noch Sabine Tschüss sagen!

Sie (nach Abschiedsküsschen): Da fällt mir ein, ich habe ja noch gar nicht von der Guacamole probiert!

Sie (auf dem Weg aus der Küche): ... Moment, ich finde meine Handtasche nicht! ...

Sie (kommt mit Mantel und Handtasche überm Arm auf ihn zu): Oh, hörst du das? Komm Tanzen!

Er (brüllt): Ich - will - nicht - tanzen - ich - will - endlich - nach - Hause!

Sie (zieht ihn hinter sich her auf die Tanzfläche): Ich gehe hier erst weg, wenn du mit mir getanzt hast.

Er: Da bist du dir ganz sicher?

Sie: Todsicher.

Er: Also gut, wenn du darauf bestehst.

Er beginnt, mit geschlossenen Augen im Takt der Musik herumzueiern, vollführt wüste Verrenkungen, unterbrochen von spastischen Zuckungen. Die ersten Gäste nehmen Abstand und beobachten ihn amüsiert, ein Kreis bildet sich. Schließlich krönt er seine Darbeitung mit eine Pirouette, verliert das Gleichgewicht und fällt der Länge nach hin.

Sie (kniet sich zu ihm und zischt in sein Ohr): Was zum Teufel tust du da?

Er: Ich hatte dich gewarnt.

Sie: Ich hatte ja keine Ahnung, dass es so schlimm werden würde. Das ist grauenvoll, völlig absurd!

Er: Ich weiß. Als ob Pina Bausch bekifft einen Schamanen-Tanz aufführt.

Sie: Ok, du hast gewonnen. Lass uns von hier verschwinden. Sofort!

Er: Wenn du unbedingt willst.

Sie: Und ob ich das will.

Er (dreht sich nochmal um, bevor er aus der Tür verschwindet und winkt den fassungslosen Gästen zu): Wirklich, zu schade. Ich hätte noch ewig so weitertanzen können!

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