Sie: Gut, dass du kommst. Das Essen ist gleich fertig.
Er: Essen? Ich habe eigentlich gar keinen Hunger.
Sie: Warum das denn?
Er: Im Büro gab es Kuchen - eine Kollegin hatte Geburtstag.
Sie: Wenn Du weißt, dass ich heute koche, warum isst du dann kurz zuvor Kuchen?
Er: Aber das wusste ich doch nicht.
Sie: Dann hättest du eben gefragt. Ich zum Beispiel habe heute nur eine Suppe zu mir genommen. Und sieben Mandeln.
Er: Hätte ich dich etwa anrufen sollen und fragen, ob ich ein Stück Kuchen essen darf?
Sie: Du weißt genau, wie ich es meine.
Er: Du meinst, ich hätte fragen sollen, ob du heute vielleicht zufällig etwas zu essen machst?
Sie: Sooo selten koche ich nun auch wieder nicht.
Er: Kommt darauf an, wie man selten definiert.
Sie: Ist ja gut, du kochst öfter. Aber die Spätzle sind selbst gemacht!
Er: Wow, da bin ich aber gespannt.
Sie setzen sich, er greift zum Salzstreuer und begräbt die Spätzle und den gemischten Salat unter einer Salzschicht.
Sie: Muss das sein, du versalzt ja mein gutes Essen total!
Er: Entschuldige, Schatz, aber das ist mein Essen. Und es ist genau richtig so.
Sie: Woher weißt du das, du hast es doch noch gar nicht probiert!
Er: Aus Erfahrung.
Schon wieder so eine Gemeinheit
Sie: Und was sagt dir deine Erfahrung - dass ich zu lasch koche, oder wie?
Er: Aber nicht doch, Liebes. Ich freu mich, wenn du überhaupt kochst.
Sie: Schon wieder so eine Gemeinheit. Aber noch kränkender finde ich diese Salzerei. Das ist ein Affront, eine Herabwürdigung meiner Kochkunst.
Er: Im Ernst jetzt, du fühlst dich angegriffen von einem Salzstreuer?
Sie: Bei meiner Mutter machst du das auch immer. Und jedes Mal fragt sie mich anschließend, ob es dir nicht schmecken würde bei ihr.
Er: Ach Gott, deiner Mutter kann ich es doch ohnehin nie recht machen. Selbst wenn ich Blumen bringe, die Tischdekoration lobe und mich bei ihrem heimtückischen Kater einschleime: Wenn ich nicht mindestens drei Portionen esse, ist sie beleidigt. Da ist es schon egal, ob ich salze.
Sie: Sie meint es eben gut.
Er: Ach, deshalb fragt sie mich wohl auch jedes Mal, ob ich wirklich noch ein weiteres Bier vertrage.
Sie: Vielleicht solltest du weniger Salz verwenden, dann hast du auch nicht so viel Durst.
Er: Können wir jetzt essen?
Er probiert. Stutzt. Greift nach dem Wasserglas und trinkt es in einem Zug aus.
Sie: Was ist, schmeckt es nicht?
Er: Doch, ja.
Sie: Aber du isst ja gar nicht.
Er: Wie gesagt, ich habe wohl einfach keinen Hunger.
Sie: So so.
Er: Puh, ganz schön würzig.
Sie: Na klar, weil du haufenweise Salz draufgeschüttet hast. Es war genau richtig!
Er: Schade eigentlich. Jetzt hast du schon mal gekocht. Und ich hab's versaut.
Sie: Mach' dir nichts draus - du hattest doch ohnehin keinen Hunger.
Er: Also ein bisschen was hätte ich schon gern gegessen.
Sie (schiebt ihren Teller zu ihm rüber): Darf ich dich auf eine halbe Portion einladen? Gerade genug für den kleinen Hunger - und garantiert unversalzen.
Die besten Folgen der Kolumne "Er sagt, sie sagt" sind bei SZ Editionen als Buch erschienen.