Er, Handtuch um die Hüfte, blättert in einem Magazin. Die aufgeschlagene Seite zeigt Werbung für einen Herrenduft, makellose Männerkörper winden sich um eine überdimensionale Parfumflasche.
Sie ( setzt sich neben ihn und beginnt seine Rückenhaare zu kraulen): Na, was liest du da Schönes?
Er: Ach, nix Besonderes.
Ihr Blick fällt auf die Werbung, wandert kurz auf seinen komplett behaarten Oberkörper und wieder zurück zu den halbnackten Models.
Er: Was ist, warum guckst du so?
Sie: Weil du so guckst, auf diese Werbekampagne - und zwar seit ungefähr drei Minuten. Seit wann interessierst du dich für Männer?
Er: Ich sehe mir nur ihre Körper an. Ich frage mich, ob ich das auch machen sollte.
Sie: Du willst Model werden? Also ich weiß nicht ...
Er: Quatsch, ich rede von Haaren. Nirgends eines zu sehen, kein einziges: Beine, Bauch, Brust, Rücken - alles glatt wie ein Babypopo. Was hältst du davon?
Sie: Hm. Eigentlich mag ich deinen Flaum.
Er: Dir gefällt das wirklich?
Sie: Aber ja! Er lässt sich so schön kraulen. Sogar auf dem Rücken. Wie ein Bär.
Er: Ich bitte dich, lass das. Ich fühle mich gerade wie der Grüffelo aus dem Kinderbuch meiner kleinen Nichte.
Sie: Der Grüffelo ist doch ein netter Kerl. Genau wie du.
Er: Und dass sich meine Brust- und die Rückenhaare auf den Schultern begrüßen, macht dir nichts aus?
Sie: Du hast eben viele männliche Hormone. Das darf man ruhig sehen.
Er: Ich finde, so viele Hormone braucht kein Mensch mehr heutzutage. Schau mich an: Ich verdiene mein Geld am Schreibtisch, aber ich sehe aus, als würde ich von dem leben, was ich in meine Höhle schleppe. Auf den ersten Blick weiß ich manchmal selbst nicht mehr, wo bei mir vorne und hinten ist.
Sie: Wenn es dich so stört, solltest du etwas dagegen tun.
Er: Da gibt es nur ein Problem, ein winziges: Ich habe keine so tollen Brustmuskeln wie die da, und auch kein Sixpack. Womöglich sehe ich ohne Behaarung ja aus wie ein Nacktmull! Ist das besser als ein Grüffelo?
Sie: Warum probierst du es nicht einfach mal aus? Jetzt im Sommer muss es ohnehin schrecklich heiß sein unter all diesen Haaren. Wenn du willst, machen wir es gleich.
Er ( wedelt mit seinem Zeigefinger vor seiner Brust und hinter seine Schulter): Du meinst, ich soll mir das einfach alles abrasieren?
Sie: Aber nein - das reißt man aus.
Er ( zieht die Augenbrauen hoch): Ausreißen? Etwa jedes Haar einzeln? Mit der Pinzette?
Sie: Mit Wachs. Da erwischt man mit einem RATSCH ganz viele auf einmal.
Er: Wer tut denn SO WAS???
Sie: Na, viele! Was glaubst du, was die da ( zeigt auf die Werbekampagne) auf sich nehmen, um so auszusehen?
Er: Ich dachte, die kämen so auf die Welt. Nein, im Ernst: So etwas könnte ich nie tun.
Sie: Verstehe, dachte ich mir schon. Ist vielleicht auch besser so. Du bist ja nicht wirklich belastbar, wenn es um Schmerzen geht.
Er: Wovon sprichst du? Natürlich bin ich belastbar! Los, hol das Wachs!
Sie: Wenn du meinst ...
Sie holt das Wachs, erhitzt es und rollt die Baumwollstreifen aus.
Sie: Bist du sicher, dass du das willst?
Er: Ach Gottchen, so schlimm wird's schon nicht werden.
Sie: Soll ich in der Mitte beginnen oder lieber erst einmal auf einer Seite, damit du einen Vorher-Nachher-Vergleich hast?
Er: Am besten links, das ist meine Schokoladenseite. Ich habe das Gefühl, da bin ich einen Hauch definierter.
Sie bestreicht die linke Außenseite seines Rückens mit dem erwärmten Wachs und drückt einen Baumwollstreifen fest.
Sie: Bist du bereit?
Er: Und ob ich bereit bin. Jetzt werde ich dir beweisen, was ein echter Kerl ist.
Sie: Es ist ok, wenn du schreist ...
Er: Keine Sorge, du wirst nicht einen Mucks von mir hören!
Mit einem beherzten Ruck reißt sie den Stoffstreifen gegen die Wuchsrichtung von seiner Haut.
Er: ( lässt einen markerschütternden Schrei los und springt auf): Bist du wahnsinnig?
Sie: Das gehört so - die Haare gehen sonst nicht raus. Ich hab' ja gesagt, lassen wir's.
Er: Mein Gott, ich kann nicht glauben, dass du das getan hast!
Sie: Es tut mir leid, wir können aufhören, wenn du willst.
Er: Kommt nicht in Frage, wir ziehen das jetzt durch.
Sie: Wie du willst. Sie wiederholt den Vorgang.
Er ( springt wieder schreiend auf): Warum tust du mir das an? Vor allem: Warum tue ich mir das an?
Sie: Es tut mir leid, echt!
Er: Ich brauch' ne Pause. Drei Tage, mindestens.
Sie: Dein Rücken ist noch zur Hälfte behaart. Willst du wirklich so bleiben?
Er: Oh ja. Genau so. Für immer und ewig. Und an der Brust und den Beinen auch.
Sie: Immerhin bist du nun unverwechselbar.Und ich habe, je nach Stimmung, mal etwas zum Anschauen und mal etwas zum Kraulen: links Nacktmull, rechts Grüffelo.
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