Süddeutsche Zeitung

"Er sagt, sie sagt" - der erste Pups:"Ich war's nicht!"

Lesezeit: 3 min

Der erste Pups - für sie der Anfang vom Ende. Für ihn: ein Zeichen der Zuneigung. Ein Beziehungsdrama in Dialogform.

Von Violetta Simon

Sie sehen sich einen Film an. Er rutscht auf dem Sofa hin und her. Dann:

Sie: Sag mal, warst du das?

Er: Was meinst du?

Sie: Du weißt genau, was ich meine.

Er: Ach das? Tja, der ist mir so herausgerutscht.

Sie: Seit wievielen Monaten kennen wir uns jetzt? Bis vor Kurzem ist dir nie einer "rausgerutscht"! Aber aus irgendeinem Grund passiert dir dieses "Versehen" neuerdings regelmäßig. Schon komisch, irgendwie.

Er: Naja, das mag daran liegen, dass wir uns bisher nicht so vertraut waren.

Sie: Na toll. Sind wir jetzt so weit! Routine und Gewohnheit - der Anfang vom Ende.

Er: Aber nein, ich finde sogar, dass unsere Beziehung eine höhere Ebene erreicht hat - dass ich mich in deiner Nähe wohl fühle, mich fallen lassen kann.

Sie: Du meinst wohl eher: gehen lassen! Was kommt als nächstes: zwischen den Zehen popeln? Gegenseitig Pickel ausdrücken?

Er: Das wollte ich damit nicht sagen! Schau: Dieser kleine Pups ist in gewisser Hinsicht ein Beweis für meine Zuneigung.

Sie: Du furzt mir eine Liebeserklärung - im Ernst jetzt? Soll ich mich etwa geschmeichelt fühlen - von deinen Verdauungserscheinungen?

Er: Vielleicht nicht im wörtlichen Sinne. Aber sinngemäß kommt es hin, ja. Ich hatte gehofft, du wüsstest diese Geste zu schätzen.

Sie: Weißt du, was ich glaube? Dass du nur eine Möglichkeit suchst, in meiner Anwesenheit ungestört deinen Flatulenzen freien Lauf zu lassen. Weil du zu faul bist, dich zusammenzureißen. Oder auf die Toilette zu verschwinden.

Er: Wozu denn auch? Es ist das natürlichste auf der Welt, jeder tut es, bis zu 20 Mal täglich. Und, ja: Auch du!

Sie: Aber nur ganz selten. Wenn ich alleine bin. Auf der Toilette. Leise und dezent.

Er: Hm, vielleicht solltest du mal mit jemandem darüber reden? Könnte was Psychisches sein.

Sie: Weil ich nicht in der Öffentlichkeit pupse?

Er: Bin ich vielleicht die Öffentlichkeit? Wir sind ein Paar, du bist für mich nicht irgendeine fremde Person. Das Ganze läuft unter privat.

Sie: Also für meinen Geschmack wird das hier eindeutig zu privat - wenn Du nichts dagegen hast, würde ich gerne den Film zu Ende sehen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was passiert, wenn es ihr passiert ...

Drei Wochen später. Sie steht vom Esstisch auf, die Gabel fällt herunter. Als sie sich bückt:

Er: Nanu! Was war das denn?

Sie: Was meinst du?

Er: Ich meine, habe ich gerade richtig gehört?

Sie: Ich weiß wirklich nicht, wovon du sprichst.

Er: Dann kann es also nicht sein, dass du ...

Sie: Ganz sicher nicht!

Er: Komm schon. Das war doch eindeutig! Puh - und jetzt riecht man es auch.

Sie: Aber nein, das war ich nicht ... jedenfalls nicht mit Absicht.

Er: Ha! Ich wusste es. Endlich. Ein Wunder ist geschehen!

Sie: Das war ein Versehen, glaub mir!

Er: Ich bin ja so froh - du bist also doch normal.

Sie: Könnten wir einfach so tun, als sei das eben niemals passiert?

Er: Sicher nicht! Immerhin ist nun endlich eingetreten, worauf ich seit Monaten warte.

Sie: Du bist unmöglich.

Er: Nein, Du bist unmöglich! Seit wir uns kennen, willst du mir vormachen, dass dein Körper keine Gase produziert. Wirfst mir vor, dass wir dasselbe essen, aber angeblich nur ich Blähungen davon bekäme. Behandelst mich wie einen Aussätzigen, wenn mir mal einer auskommt. Jetzt, endlich, habe ich den Beweis: Auch du hast eine Verdauung. Du bist ein Mensch aus Fleisch und Blut!

Sie: Gratulation. Können wir jetzt bitte das Thema wechseln?

Er: Mach dir keine Sorgen, ich werde es niemandem verraten.

Sie: Schwörst du?

Er: Ich schwöre. Und, wie fühlst du dich, nach deinem ersten Mal?

Sie: Ich muss zugeben, es hat etwas Befreiendes.

Er: Siehst du? Endlich hast du's kapiert.

Sie: Und wie. Gleich morgen kaufen wir die Ringe.

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