Ekel vor dem Körper:Ohrenschmalz, Gott erhalt´s

Der menschliche Körper produziert Sekrete, die viel können. Seltsam, dass wir uns vor manchen ekeln. Eine saftige Analyse.

Sebastian Herrmann

Kinder können ganz schön eklig sein. Zum Beispiel, wenn sie ein Glas Saft vor sich haben. Die Kleinen haben keine Hemmungen, den Saft im Mund hin- und herzuspülen und wieder ins Glas zu spucken. Steckt ein Strohhalm im Glas, dann pusten sie gerne so lange hinein, bis eine schaumige Mischung aus Speichel und lauwarmem Saft zurück bleibt. Dieses Gesöff trinken Kinder dann trotzdem mit Genuss, während sich Erwachsene vor Ekel winden. Aber warum? Und wann entwickeln Menschen diese Abscheu vor ihrem eigenen Speichel?

Die Fähigkeit, Ekel zu empfinden, gilt als angeboren. Doch weswegen Menschen würgen, die Nase rümpfen, Brechreiz und Übelkeit spüren, das wird erlernt. Kleinkinder trinken noch munter Saft-Speichel-Schorle, doch von einem Alter von drei Jahren an, lernen sie langsam, sich vor den Dingen zu ekeln, die ihr Umfeld auch schauderhaft findet.

Dabei kann sich Ekel gegen fast alles richten, gegen Nahrung, Gerüche oder verwesende Stoffe. Besonders starken Widerwillen empfinden Menschen gegenüber Körperausscheidungen, Ausdünstungen und anderen Bestandteilen von ihresgleichen. Vor allem die Abscheu vor den eigenen Körperflüssigkeiten haben wir uns im Zuge eines allgemeinen Hygiene- und Sauberkeitswahns sehr zu Herzen genommen - zu sehr.

Wundermischungen des Körpers

Manche falle in Ohnmacht, wenn sie Blut sehen. Andere schaudert es, wenn der Kollege laut den Rotz in der Nase hochzieht oder im Sommer die Schweißflecken unter den Achseln anderer zu auffällig werden. Auch Speichel, Ohrenschmalz und andere Körperausscheidungen rufen extreme Abscheu hervor.

Das ist schade, denn unsere Körperflüssigkeiten sind wahre Wundermischungen. Sie leisten Großartiges, transportieren Sauerstoff, verteidigen die Unversehrtheit des Körper gegen Keime und andere Eindringlinge, kühlen, verdauen, entsorgen Müll oder locken sogar Sexualpartner an. Wer weiß schon, dass Ohrenschmalz auch als Möbelpolitur gute Dienste erfüllt?

Textauszüge mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus: Werner Bartens, Sebastian Herrmann: Herrlich eklig! Alles über die verkannten Wundersäfte unseres Körpers. Knaur Verlag, 8, 95 Euro.

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