Ein guter Kuss könnte sein wie ein Feuerwerk. Das ist ein wenig banal, aber dennoch ganz schön erregend, wenn man es auf der Kinoleinwand sieht, in der berühmten Szene zwischen Grace Kelly und Cary Grant, in Hitchcocks "Über den Dächern von Nizza". Man rühmt den Meister gemeinhin seiner ausgetüftelten Mordszenen wegen. Aber Sir Alfred wollte mehr, er hat seinen Ehrgeiz darauf gesetzt, auch im Erotischen alle Kollegen wie Internatsschüler aussehen zu lassen - hat seine Küsse länger, intensiver und mystischer inszeniert. Legendär Kim Novak und James Stewart im grünstichigen Hotelzimmer in "Vertigo", das sich - als die Kamera sie im Kuss umkreist - in den Pferdestall von San Juan Bautista verwandelt. Der Kuss zwischen Ingrid Bergman und Cary Grant in "Notorious", an die drei Minuten lang - drei Sekunden waren damals die Toleranzgrenze. Die Kamera klebt an den beiden Köpfen, die Münder drängen immer wieder heißhungrig vor, während die beiden vom Balkon zum Telefon gehen und weiter zur Tür, sie sagen Sachen wie: "Action speaks louder than words ..." Oder der erste Kuss in "Fenster zum Hof", wieder Grace Kelly, wieder James Stewart. Der liegt in seinem Zimmer, die Dämmerung ist da, und ein Schatten fällt auf sein Gesicht. Es ist seine Freundin, ein Luxusgirl, die sich groß zum Kuss vorbeugt - man meint, die Leinwand fängt an zu vibrieren. Jaja, bestätigt Hitchcock, da haben wir dem Kamerawagen einfach einen leichten Tritt gegeben. Und noch ein Leinwandkuss: Cary Grant und Katherine Hepburn in "The Philadelphia Story" (im Bild).
Foto: dpa (Text: SZ vom 14.02.2009/bart/zip/ta/from/chrm/göt)